18.01.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 147 / Zusatzpunkt 7

Roderich KiesewetterCDU/CSU - Friedensinitiative für die Ukraine und Russland

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns diese Debatte und diesen so seltsamen Antrag auch zum Anlass nehmen, um über Desinformation und Täter-Opfer-Umkehr zu sprechen.

(Johannes Schraps [SPD]: Genau! Sehr richtig!)

Sie unterstellen mit Ihrem Antrag der Ukraine keine ernsthafte Verhandlungsbereitschaft, und das angesichts der furchtbaren Angriffe seit Jahresbeginn, als der russische Bombenterror Frauen, Kinder, Alte und Schwache, Gebrechliche mit Explosionen überzogen hat, zu Flucht und Vertreibung geführt hat, als Elektrizitäts- und Wasserwerke zerstört wurden, während die Existenzgrundlage der Bürgerinnen und Bürger der Ukraine immer mehr gefährdet wird. Und dann fordern Sie ganz schnöde in diesem Antrag Sicherheitsgarantien für Russland, Sicherheitsgarantien, dass es dieses furchtbare Vorgehen fortsetzen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen in der Auseinandersetzung deutlich machen – da hilft auch keine Verbotsdebatte –, dass die AfD all das bekämpft, was auch Russland, die Russische Föderation, bekämpft: die internationale freiheitliche regelbasierte Ordnung, Demokratie im Sinne von Partizipation und Mitbestimmung und Mehrheiten. Sie bekämpft die EU, sie bekämpft die NATO, sie bekämpft den transatlantischen Zusammenhalt. Sie will der Ukraine nicht nur das freie Selbstbestimmungsrecht über ihr Territorium, sondern auch die freie Wahl der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen nehmen.

(Johannes Schraps [SPD]: Leider richtig!)

Das müssen wir deutlich herausarbeiten. Deshalb sind nicht nur diese Anträge abzulehnen, sondern wir alle müssen uns wappnen in der öffentlichen Debatte; denn wir können nur mit Argumenten bestehen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben die Europawahlen, wir haben die Landtagswahlen. Ich fordere uns alle auf, mehr in die Inhalte zu gehen. Denn wir haben auf der einen Seite keine Auftritte der Abgeordneten dieser Partei im ukrainischen Fernsehen; aber sie treten auf der anderen Seite als Sprachrohre hier und im russischen Fernsehen auf und erläutern, wie schlecht es in Deutschland sei, und bedienen Putins Narrativ einer nationalistischen Großmacht, die Europa als eigene Interessenszone sieht. Diese Partei steht für ein nationalistisches Deutschland auf Augenhöhe mit einer faschistischen Großmacht Russland. Das müssen wir begreifen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf von der AfD: So ein Schwachsinn!)

Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich konstruktiv ansprechen, was wir erreichen müssen.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Konstruktiv das Zerstörungswerk fortsetzen!)

Wenn man einen Friedensplan will – –

Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin?

Herr Farle hat sich jetzt noch mal gemeldet.

Nein, danke. – Wenn man einen Friedensplan will, dann fehlt einem auch in diesem Papier, dass von der Ukraine Initiativen ausgegangen sind. Ich erinnere an den Zehn-Punkte-Plan von Selenskyj. Ich erinnere aber auch daran, dass noch bis zu den furchtbaren Kriegsverbrechen in Butscha und Irpin Selenskyj auch gegen Widerstand in den eigenen Reihen bereit war, die Krim unter eine internationale Kontrolle zu stellen und auf die NATO-Mitgliedschaft zu verzichten, wenn er Sicherheitsgarantien und einen klaren Weg in die EU bekommt. Deshalb sind sechs Punkte gefordert, liebe Kolleginnen und Kollegen, und auch angesichts des Aufrufes von Robin Wagener denke ich, dass wir darüber nachdenken müssen, weil diese Forderungen nicht einfach sind.

Erstens. Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine in den Grenzen von 1991.

Zweitens. Das ist eine ganz wesentliche Forderung: Wenn man schon Garantien will, müssen wir von Russland eine Garantie einfordern, und die ist ganz einfach: das Existenzrecht der Nachbarn Russlands unwiderruflich anzuerkennen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, andere haben das mal so genannt: Russland muss verlieren lernen. – Dieses Verlierenlernen ist nicht gegen das russische System gerichtet – das müssen die russischen Bürgerinnen und Bürger selber lösen –, aber es ist darauf gerichtet, dass Russland das Existenzrecht der Nachbarn unwiderruflich anerkennt.

(Dr. Harald Weyel [AfD]: Born to lose!)

Drittens. Wir schauen zu, wie die Amerikaner zwei Drittel der militärischen und zivilen Unterstützung leisten. Ich erwarte von uns allen – im Parlament können wir es fordern, aber die Bundesregierung muss es leisten – eine fairere transatlantische Lastenteilung und die Chance – das haben heute auch die Kollegen Armin Laschet und Jürgen Hardt angesprochen –, dass das Weimarer Dreieck ab nächsten Montag wiederbelebt wird, dass der Bundeskanzler mit Polen, mit Frankreich, mit Großbritannien, den baltischen Staaten und Skandinavien eine Initiative startet als Zeichen an die USA: Wir haben verstanden, wir leisten unseren Beitrag auf Augenhöhe, und wir verhindern damit auch den Trump’schen Isolationismus. Wir zeigen den Demokratinnen und Demokraten in den USA – damit meine ich auch die bei den Republikanern –, dass die Europäer verstanden haben und wir gemeinsam verhindern, dass das russische Vorgehen zur Blaupause für China oder für den Iran gegenüber Irak wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es steht was auf dem Spiel. Deswegen muss diese transatlantische Initiative von Deutschland ausgehen, weil wir die Scharnierfunktion in Europa haben und weil auch der eine oder andere mit Anspruch in der Regierung sagt, wir seien eine europäische Führungsmacht. Dann füllt es auch aus!

(Dr. Harald Weyel [AfD]: Eine Verführungsmacht!)

Viertens. Der nächste Aspekt ist, dass wir an die Industrie denken müssen. Wir haben auch diese Woche wieder erfahren, wie aufwendig unsere Beschaffungsvorhaben sind. Russland hat auf Kriegswirtschaft umgestellt. Wir gehören zu den Nationen, die die Ukraine unterstützen. Diese bringen ein Bruttoinlandsprodukt von 27 Billionen Euro und eine 35-Stunden-Woche auf die Waage, und Russland hat eine Kriegswirtschaft und 2 Billionen Euro Bruttoinlandsprodukt. Es muss auch mit Blick auf die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union, auch mit Blick auf die Europawahlen doch klar sein, dass wir dieses Versprechen der Lieferung von Artilleriegranaten erfüllen müssen, weil wir sonst an Glaubwürdigkeit verlieren.

Fünftens. Wir müssen dafür werben, dass Russland das Existenzrecht der Nachbarn anerkennt und dass – das ist der sechste und letzte Punkt – die Kriegsverbrechen aufbereitet werden, dass Traumatisierungsbehandlungen, Versöhnung stattfinden und dass am Ende, in ferner Zukunft das Russland von Thomas Mann und Hannah Arendt sich über den Gräbern mit der Ukraine die Hand reichen kann.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Die Versöhnung, die Deutschland und Frankreich ausgezeichnet hat, muss in 20 oder 30 Jahren dort möglich sein. Dafür brauchen wir eine starke Ukraine, die eine Perspektive in der EU und in der NATO hat. Da hat Russland kein Mitspracherecht. Es darf nicht zur Blaupause werden, was Russland macht. Deshalb müssen wir zusammenstehen und die Ukraine –

Kommen Sie bitte zum Schluss.

– von Herzen und mit Vernunft unterstützen, sonst ist unsere Freiheit in Gefahr.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der nächste Redner ist Adis Ahmetovic für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7605600
Wahlperiode 20
Sitzung 147
Tagesordnungspunkt Friedensinitiative für die Ukraine und Russland
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