Joe WeingartenSPD - Friedensinitiative für die Ukraine und Russland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vor uns liegt mit dem AfD-Antrag zur sogenannten Friedensinitiative ein Dokument der Niedertracht, der Gleichsetzung von Opfern und Tätern und der Verhöhnung einer ganzen Nation.
(Beifall bei der SPD)
Dieser AfD-Antrag beleidigt nicht nur das ganze ukrainische Volk in seinem Verteidigungskampf, sondern er ist auch ein Anschlag auf die Moral und die Glaubwürdigkeit des Deutschen Bundestags. Wer nur einen Funken Anstand im Leib hat, schämt sich zutiefst, dass dieser Antrag eine Bundestagsdrucksachennummer trägt.
Mit keiner Silbe wird auf die Ursache des Krieges eingegangen, nämlich den verbrecherischen Überfall Russlands auf das unabhängige Nachbarland Ukraine, und zwar zweimal, 2014 und 2022, genauso wenig wie auf die mörderische Kriegsführung des russischen Präsidenten Putin, die Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung, die Massentötungen und Kriegsverbrechen. Putin will die Ukraine von der Landkarte tilgen und das ukrainische Volk zu einem rechtlosen Vasallen machen. Das alles blenden Sie aus, weil es nicht in Ihr wahnhaftes Bild von der russischen Strategie passt. In einer bemerkenswerten Mischung aus Selbstmitleid, Angst vor der Zukunft und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Angegriffenen machen Sie sich ausschließlich die russische Sicht der Dinge zu eigen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht neu. Die russischen Kolonnen in diesem Parlament vertreten diese Sichtweise schon lange: die altrechten Kolonnen rechts von mir genauso wie die neurechten Versprengten um Frau Wagenknecht, die sich hier links in den Tiefen des Saales verlieren. Auf beiden Seiten ist man weit von der Realität des Krieges entfernt; denn es ist nicht die Verantwortung der Ukraine, diesen Krieg zu beenden, es liegt an Putin. Der ist aber bis heute nicht von seinen Plänen abgerückt. Er will weiterhin die Vernichtung der Ukraine und die Unterwerfung ihrer Menschen.
Wir beobachten sehr genau, wie Russland seine gesamte Wirtschaft auf Kriegsproduktion umstellt. In einer finsteren Allianz mit dem Iran stellt sich Putin auf einen langen Krieg ein, nicht auf Verhandlungen; denn er ist überzeugt von seiner von Größenwahn getriebenen Mission, das russische Territorium zu erweitern. Deswegen ist es auch lächerlich, von der OSZE eine Friedensmission zu fordern. Ich bin Mitglied der OSZE-Parlamentarierversammlung und habe erlebt, wie sich die russische Delegation dort aufführt, wie sie die deutsche Delegation als Faschisten bezeichnet hat.
(Renata Alt [FDP]: So ist es!)
„Wir haben euch 1945 besiegt, und wir werden das wieder tun“, hat uns der russische Delegationsleiter auf der letzten Jahrestagung in Wien entgegengeschleudert. Dialogbereitschaft: Null. Friedensbereitschaft: Null.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Auch wenn es die AfD nicht zur Kenntnis nehmen will: Wenn die Ukraine aufhört, zu kämpfen, hört sie auf, zu existieren; wenn Russland aufhört, dann ist dieser Krieg vorbei. Deswegen zögern wir keine Sekunde, die Ukraine weiter zu unterstützen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Sie wollen die Kapitulation der Ukraine und nennen das „Friedensinitiative“. Ich nenne das eine „Kreml-Initiative“.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Das stimmt!)
Sie wollen Europa auseinanderdividieren, damit Russland in der Lage ist, mit jedem Staat alleine fertig zu werden. Und Sie wollen Europa in Einflusssphären von Großmächten aufteilen, in denen kleineren Staaten diktiert wird, wie sie und ihre Menschen zu leben haben. Ein Europa wie zu Kaisers und Hitlers Zeiten – wohin das führt, haben wir gesehen.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Du lieber Gott!)
Unser Weg ist nicht der Rückfall in alte Denkmuster und dunkle Träume davon, die Welt in Einflussräume aufzuteilen. Wir stehen zum Selbstbestimmungsrecht der Völker. Wir wollen, dass die Ukraine besteht – nicht aus fremden Interessen, sondern weil der Sieg der Ukraine auch in unserem ureigenen Interesse liegt. Es ist im Interesse Deutschlands, dass die europäische Friedensarchitektur hält. Wer sie angreift, wird abgewehrt. Deshalb unterstützen wir die Ukraine. Alles andere ist schändlich und feige – und unpatriotisch ist es auch.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der spätere SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher hat 1932 von dieser Stelle im Reichstag aus festgehalten, dass die ganze rechte Politik – ich zitiere – ein einziger „Appell an den inneren Schweinehund im Menschen“ ist. Wäre er heute noch hier unter uns, würde er sicher hinzufügen: Und dieser Antrag ist es auch. Wir sagen dazu nur ein Wort: Ablehnung.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD] und Thomas Seitz [AfD])
Das Wort erhält die fraktionslose Abgeordnete Sevim Dağdelen.
(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7605614 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 147 |
Tagesordnungspunkt | Friedensinitiative für die Ukraine und Russland |