18.01.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 147 / Zusatzpunkt 7

Johannes SchrapsSPD - Friedensinitiative für die Ukraine und Russland

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erst mal froh, dass diese Debatte, so zynisch der ihr zugrundeliegende Antrag auch ist, nicht mit den Worten meines Vorredners enden muss.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

„Russische Grenzen enden nirgendwo“. So steht es auf einem Großplakat, das an der russisch-estnischen Grenze am Grenzkontrollpunkt Iwangorod/Narva aufgehängt ist. Ähnliche Transparente finden sich auch in Moskau und anderswo in Russland. Mit diesem Slogan macht Wladimir Putin Wahlkampf für die Scheinpräsidentschaftswahl, die in diesem Jahr in Russland stattfindet.

„Russische Grenzen enden nirgendwo“. Estland, aber auch die beiden anderen baltischen Staaten sind als direkte Nachbarn nachvollziehbarerweise besorgt, dass Russlands militärische Aggression auch sie direkt betreffen könnte, so wie im Fall der Republik Moldau oder Georgiens, die wieder betroffen sind. Kein Wunder bei derart eindeutigen Aussagen.

„Russische Grenzen enden nirgendwo“. Putin macht damit klar, dass für ihn die Maxime gilt, Russland nach Belieben erweitern zu können, und zwar mit brutaler militärischer Gewalt. Gegen die Ukraine wendet er dieses Mittel nun seit fast zwei Jahren an, anderen droht er. In einem Interview vor einigen Tagen sagte der russische Diktator, dass er gar nicht verhandeln möchte bzw. wenn, dann nur über die Kapitulation der Ukraine, und dass er gar nicht daran denkt, irgendwelches erobertes Territorium wieder zurückzugeben.

Deshalb ist es besonders infam – insbesondere in Anwesenheit unserer Außenministerin Annalena Baerbock, die bei den Verhandlungen in Istanbul, die Sie angesprochen haben, dabei war –, wenn Sie in Ihren Wortbeiträgen hier behaupten, der Westen hätte die Verhandlungen in Istanbul abgebrochen. Das ist falsch, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich weiß gar nicht, was es sonst noch alles braucht, damit auch diejenigen, die es bislang nicht verstehen konnten oder wollten, merken, was auf dem Spiel steht. Sie von der AfD haben das ganz offensichtlich immer noch nicht verstanden, da Sie hier einen solchen Antrag einbringen. Es war aber auch nicht anders zu erwarten. Leider haben Ihre Wortbeiträge in dieser Debatte genau das wieder gezeigt. Außenministerin Annalena Baerbock könnte sicherlich aufklären, was in Istanbul tatsächlich besprochen wurde.

Erlauben Sie denn eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, Frau Präsidentin.

Bitte schön.

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schraps. – Herzlichen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, von der FDP, von der SPD und von den Grünen, die deutlich gemacht haben, wie wichtig die Fakten sind. Und danke, dass Sie mich gefragt haben, ob ich einige Worte zu den Behauptungen der AfD-Kollegen zu Istanbul sagen könnte.

(Andreas Bleck [AfD]: Was ist das denn für ein Theater?)

Sie haben ausgeführt, dass es die Amerikaner, die Briten, der Westen und damit auch wir im Deutschen Bundestag, der das ja unterstützt habe, gewesen wären, die dafür gesorgt hätten, dass die Friedensgespräche in Istanbul, auf die Ihr AfD-Kollege hier Bezug genommen hat, nicht zum Erfolg geführt hätten.

(Zurufe von der AfD)

– Das hat er gesagt. Das können Sie, da Sie so laut schreien, im Protokoll noch mal nachlesen. Das war Ihre Behauptung.

(Andreas Bleck [AfD]: Unfassbar! – Matthias Moosdorf [AfD]: Das war Herr Bennett! Das war der israelische Ministerpräsident Bennett, der das gesagt hat, Frau Baerbock!)

Der Westen, haben Sie hier gesagt, hätte diese Friedensgespräche nicht gewollt.

(Andreas Bleck [AfD]: Sie sprechen gerade als Abgeordnete!)

Zu den Fakten. Wenn man die Hälfte an Fakten weglässt, dann wird es auch zur Lüge.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Fakt ist: Herr Selenskyj, der Präsident der Ukraine, hatte eine Delegation nach Istanbul geschickt, um alles dafür zu tun, dass dieser brutale Angriff aufhört. Das war im März 2022, direkt nach den Angriffen im Februar. Er hat alles dafür getan, damit diese Kampfhandlungen aufhören. Es gab also diese Verhandlungen.

Frau Abgeordnete, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Sie haben selbst gesagt, Herr Selenskyj hätte gesagt, sogar über Neutralität könne man verhandeln. Die Bedingungen dafür waren – das haben Sie hier wissentlich weggelassen und machen es damit zu einer Lüge –: –

Frau Abgeordnete.

– Rückzug der russischen Truppen, Einstellung der Kampfhandlungen. Dazu war der russische Präsident nicht bereit. Zu dieser Zeit fanden dann auch die Taten in Butscha und Irpin statt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen haben wir von den demokratischen Parteien hier im Bundestag gemeinsam die Waffenlieferungen unterstützt. Es ging nicht nur um den Frieden in der Ukraine, –

Frau Abgeordnete, ich bitte Sie, jetzt zum Schluss zu kommen.

– sondern der Frieden in ganz Europa und damit auch der Frieden unseres Landes war gefährdet.

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schraps, und herzlichen Dank allen anderen Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und bei fraktionslosen Abgeordneten)

Bleiben Sie bitte noch stehen.

Ich glaube, es war sehr gut, dass wir einmal von derjenigen, die dabei war, gehört haben, wie diese Verhandlungen abgelaufen sind.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb ist es, glaube ich, wirklich wichtig, noch mal ganz klar festzustellen: Für Kiew ist dieser brutale und ungerechtfertigte Angriffskrieg Russlands eine existenzielle Bedrohung. Für Russland, für Moskau, ist es lediglich die Ausgestaltung der eigenen imperialistischen, militaristischen Großmachtfantasien. Das ist, glaube ich, bei den Verhandlungen in Istanbul sehr deutlich geworden. Vielen Dank, dass Sie das noch einmal dargestellt haben!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Putins Ziel ist die Zerstörung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine. Er will das Land erobern – das hat er klar gesagt –, ein Land, das sich qua Verfassung zu den Grundwerten der Europäischen Union und zu unserer europäischen Familie bekannt hat. Und ein essenzielles Grundrecht unserer europäischen Staatenfamilie ist das Recht eines jeden Staates, souverän und unabhängig über seine eigene Sicherheit zu entscheiden.

Ich wusste ehrlich gesagt nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, als ich ausgerechnet diesen Satz als ersten Satz – Kollege Knut Abraham hat das vorhin schon angesprochen – in Ihrem zynischen Antrag lesen musste,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Knut Abraham [CDU/CSU])

da der gesamte Rest dieses Antrages diesen Satz absolut negiert, mit Füßen tritt und der Ukraine dieses Recht ganz offensichtlich nicht zuerkennt. Die Überschrift hört sich scheinbar gut an – eine Friedensinitiative für die Ukraine und Russland. Aber dieser Antrag ist wieder ein Paradebeispiel dafür, wie die AfD Tatsachen verdreht. Wofür Sie eigentlich stehen, mussten wir in den letzten Tagen in den eindrücklichen Berichten von correktiv.org lesen. Die Pläne aus Ihren Reihen sind entsetzlich, und sie verdienen unsere schärfste Ablehnung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU])

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Moosdorf?

Nein, die AfD hatte genug Redezeit, viel zu viel Redezeit, wenn Sie mich fragen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Abgesehen davon, dass Putin diesen Krieg, den er begonnen hat, sofort beenden könnte – das ist gesagt worden –, liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch. Die sogenannte Friedensformel von Präsident Selenskyj wird hoffentlich dazu führen, dass die Schweizer Regierung auch in Zukunft weitere Friedenskonferenzen umsetzen kann, und ist ein klares Signal, dass Kiew Frieden will. Wie könnte man den auch nicht wollen, bei dem Blutzoll, den die Ukraine im Moment zahlen muss?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kommen Sie bitte zum Schluss!

All den Forderungen, die Präsident Selenskyj darin zugrunde legt, können wir uns voll und ganz anschließen; denn das Land muss souverän und unabhängig über seine eigene Sicherheit entscheiden können. Das kann niemand anderes tun. Genau daran sollten wir auch hier im Haus festhalten, und genau dabei sollten wir die Ukraine weiter unterstützen.

Ich danke Ihnen allen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7605619
Wahlperiode 20
Sitzung 147
Tagesordnungspunkt Friedensinitiative für die Ukraine und Russland
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta