Lars KlingbeilSPD - Aktuelle Stunde: Wehrhafte Demokratie gegen Demokratiefeinde und Vertreibungspläne
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Dienstag bekam ich bei Instagram eine Sprachnachricht. Ein Schüler aus Bad Fallingbostel in meinem Wahlkreis, den ich im letzten Jahr auf einer Veranstaltung in seiner Schule kennenlernte, hat sich bei mir gemeldet. Er hat mir in dieser Sprachnachricht mitgeteilt, dass er nicht versteht, was in diesem Land gerade passiert. Er hat gelesen, dass die AfD bei einem Wahlsieg Menschen wie ihn aus dem Land werfen will. Seine Eltern machen sich große Sorgen. Sie leben seit 32 Jahren in diesem Land. Sie arbeiten und haben sich in Deutschland eine neue Heimat aufgebaut. Sie haben Sorgen und Ängste um ihre Zukunft.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, warum wohl?)
Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle haben in den vergangenen Tagen solche Gespräche geführt. Wir haben die Ängste und Sorgen gehört. Wir haben wahrgenommen, dass an Küchentischen in Deutschland deutsche Staatsbürger über die Frage diskutieren, ob sie aus ihrem eigenen Land fliehen müssen. Ich kann nur ansatzweise versuchen, zu verstehen, was es für viele Menschen in diesem Land bedeutet, wenn sie diese Angst fühlen, wenn sie sich fragen, was in ihrem eigenen Land gerade passiert, wenn diese Menschen wahrnehmen, dass die rechtsextreme AfD sich mit anderen Rechtsextremen aufmacht und Menschen in diesem Land sagt: Du gehörst nicht dazu.
Die AfD will Millionen Menschen aus der Mitte unseres Landes, aus Deutschland, vertreiben –
(Zuruf von der AfD: Unsinn!)
das sind Kolleginnen und Kollegen auf der Arbeit, das sind diejenigen, mit denen wir im Fußballverein spielen, das sind unsere Nachbarn –, weil diese Menschen der AfD nicht weiß genug sind,
(Jörn König [AfD]: Reine Unterstellung! – Enrico Komning [AfD]: Ein Blödsinn ist das! „Nicht weiß genug sind“, also wirklich!)
weil sie nicht ihrem völkischen Weltbild entsprechen,
(Jörn König [AfD]: Keine Fakten!)
weil sie aus ihrer Sicht einen falschen Nachnamen haben. All diesen Menschen, die sich von der AfD und anderen Rechtsextremen bedroht fühlen, sagen wir als demokratische Mitte des Parlamentes heute in aller Deutlichkeit und Klarheit: Wir passen auf euch auf. Ihr seid ein Teil dieses Landes, und wir stehen an eurer Seite.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir werden nicht zulassen, dass diejenigen Menschen, die dieses Land zusammenhalten, die dieses Land starkgemacht haben, vertrieben werden. Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen uns schützend vor unsere Freunde, vor unsere Nachbarn, vor unsere Arbeitskollegen.
Frau Weidel, Sie versuchen, die Deportationspläne Ihrer Partei herunterzuspielen.
(Zuruf von der AfD: Die gibt es nicht! – Dr. Alice Weidel [AfD]: Abschiebung!)
Abgeordnete Ihrer Partei melden sich in diesen Stunden feixend im Internet zu Wort und unterstreichen ganz offen das Ziel, Millionen Menschen aus Deutschland zu vertreiben.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Stimmt!)
Und dann stellen Sie, Frau Weidel, sich hier in Berlin weinerlich vor die Presse und sprechen von einer medialen Schmutzkampagne.
(Enrico Komning [AfD]: So weinerlich war das nicht!)
Verkaufen Sie die Leute nicht für dumm!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Sie sind es, die jeden Tag Schmutzkampagnen in den Medien betreiben. Verdrehen Sie nicht die Realität! Sie sind ein Wolf im Schafspelz. Aber ich sage Ihnen: Ihre Fassade beginnt zu bröckeln.
(Zuruf des Abg. Hannes Gnauck [AfD])
Das wahre Gesicht der AfD kommt für alle sichtbar zum Vorschein, und wir werden deutlich machen, was das für eine Ideologie ist, die Sie verfolgen.
Das, was wir in diesen Tagen in der Presse lesen können, ist wahrscheinlich nur ein kleiner Einblick in Dinge, die Sie besprechen und planen. Da kommt eine exklusive Runde in einer Edelvilla zusammen und plant, Millionen Menschen aus diesem Land zu vertreiben,
(Enrico Komning [AfD]: Privattreffen!)
finanziert von reichen Leuten, die Ihre völkische Energie umgesetzt sehen wollen,
(Enrico Komning [AfD]: Ja, selbstverdientes Geld!)
mit dabei Leute Ihrer Partei, Freunde Ihrer Partei, Mitarbeiter
(Enrico Komning [AfD]: Von der CDU auch!)
und, wie wir seit heute wissen, gewaltbereite Mitarbeiter Ihrer Bundestagsfraktion, die sich damit rühmen, dass sie den politischen Gegner mit Gewalt attackieren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Aber sagen Sie doch mal: Welche Interessen verfolgen Ihre Geldgeber? Legen Sie doch heute in dieser Aktuellen Stunde mal offen auf den Tisch, wer die Hintermänner sind, die Ihre Politik finanzieren und mit Ihnen den Staatsstreich planen!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Stimmt es eigentlich, Herr Chrupalla, dass Sie auch an früheren Treffen dieses Arbeitskreises Deportation teilgenommen haben? Warum nutzen Sie nicht heute hier im Parlament die Möglichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit über das zu sagen, was Sie mit diesem Land vorhaben?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Väter und Mütter des Grundgesetzes wussten genau, dass diese Ideologie bekämpft werden muss. Deswegen haben sie 1949 das Grundgesetz vorgelegt, vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, vier Jahre nach Hitler – ein Grundgesetz, das sich gegen die Feinde der Demokratie zu wehren weiß. Dieses Grundgesetz wird in diesem Jahr 75 Jahre alt, und ich sage hier: Es wird noch sehr lange bestehen. Das Grundgesetz und die Menschen, die es tragen, sind stärker als die Feinde der Demokratie.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es braucht keine Alternativen zum Grundgesetz. Es braucht keine Alternativen zur Demokratie. Es braucht keine Alternativen zur Freiheit. Es braucht keine Alternative zu dem im Grundgesetz verankerten Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Es braucht keine Alternative für Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ich bin dankbar, dass sich in diesen Tagen im Osten, im Westen, im Norden, im Süden, überall in diesem Land Menschen zu einem Aufstand aufmachen,
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
die sagen, dass sie diese völkische Ideologie, diesen Hass nicht mitmachen. Sie setzen ein Zeichen für die Mitbürgerinnen und Mitbürger in diesem Land, die angegriffen werden. Ich bin dankbar dafür, dass das passiert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Kirchen, Unternehmen, Gewerkschaften, sie alle machen sich auf. Ich sage der AfD in aller Deutlichkeit: Das ist die Mehrheit der Menschen in diesem Land. Das ist das moderne Deutschland – ein Deutschland, das in Vielfalt existiert, ein Deutschland, das wir lieben, ein Deutschland, das Sie von der AfD hassen.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Die Mehrheit der Bevölkerung will, dass Sie abtreten! – Beatrix von Storch [AfD]: 17 Prozent!)
Und dieses Deutschland werden wir verteidigen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7605628 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 147 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Wehrhafte Demokratie gegen Demokratiefeinde und Vertreibungspläne |