Konstantin KuhleFDP - Aktuelle Stunde: Wehrhafte Demokratie gegen Demokratiefeinde und Vertreibungspläne
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt im Umgang mit Rechtsextremisten und mit Feinden der Demokratie eine Strategie, die bei vielen Menschen in Deutschland sehr beliebt ist und die auch hier im Haus immer mal wieder angewendet wird. Diese besagt, dass man nicht über jedes Stöckchen springen soll, das die AfD einem hinhält. Ich halte das nach wie vor für richtig; denn allzu plumpe Ausfälle von Rechtsextremisten und von Feinden der Demokratie richten sich in der Regel selbst. Viele Menschen in Deutschland sind schließlich auch klug genug, das zu erkennen.
Bei dem Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam handelt es sich allerdings nicht um ein Stöckchen, das uns die AfD hinhält,
(Jörn König [AfD]: Genau, das waren völlig andere Organisatoren! Völlig andere Veranstalter!)
sondern es handelt sich dabei um einen Vorgang, von dem es die AfD gerne gehabt hätte, dass er nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Und die CDU!)
Es ist doch mal interessant, darüber nachzudenken und zu diskutieren, wie die AfD eigentlich spricht, was sie so sagt und was sie plant, wenn sie denkt, dass niemand mithört.
(Manuel Höferlin [FDP]: Genau!)
Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag wird heute Nachmittag das Asylrecht verschärfen. Er wird Abschiebungen erleichtern und damit einen Beitrag dazu leisten, dass die massiv überlasteten Kommunen in Deutschland endlich entlastet werden.
(Beifall bei der FDP)
Es ist unsere Verantwortung als gewählte Politikerinnen und Politiker, dieses Problem der irregulären Migration endlich in den Griff zu kriegen.
(Jörn König [AfD]: Illegal! Die ist illegal!)
Und ich sage auch: Es ist unsere Verantwortung, dass viele Menschen in Deutschland bislang den Eindruck haben, dass wir nicht genügend Ordnung und Kontrolle im Bereich der Migrationspolitik haben.
(Beifall bei der FDP)
Wir müssen uns aber klarmachen, dass die Vertreibungspläne, die in Potsdam geschmiedet wurden, etwas kategorial anderes sind. Sie greifen nämlich – und so ist es hier eben auch am Rednerpult geschehen – neurechte Kampfbegriffe auf, mit denen Rassismus und völkischer Nationalismus in der ganzen Breite der Gesellschaft hoffähig gemacht werden sollen.
Mit Blick auf die nötigen Debatten in der Migrationspolitik ist mir deshalb eines besonders wichtig: Keine Asylrechtsverschärfung und kein Abschiebegesetz wird den Rassisten und völkischen Nationalisten, die sich in Potsdam versammelt haben, jemals genug sein. Es ist deswegen die Verantwortung aller Demokraten in diesem Haus, bei der Migrationsdebatte auf Maß und Mitte zu achten und die politische Debatte in unserem Land nicht von der AfD bestimmen zu lassen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörn König [AfD]: Das sagt die 3-Prozent-Partei!)
Lieber Kollege Frei, es geht hier doch nicht um die Ampel.
(Jörn König [AfD]: Natürlich geht es um die Ampel!)
Es geht doch längst nicht mehr um die Koalition. Es geht doch bei der Frage, ob wir in einer liberalen Demokratie mit einer offenen Gesellschaft leben, nicht darum, ob dieses Land von einer Ampelkoalition regiert wird oder nicht.
(Detlef Seif [CDU/CSU]: Um eine gute Regierung geht es!)
Es geht bei der Frage der Verteidigung unserer Demokratie darum, ob alle relevanten demokratischen Kräfte – einschließlich der konservativen Opposition – die Kraft aufbringen, die Gefahren für unsere Demokratie als solche zu benennen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dabei will ich besonders Hendrik Wüst und Daniel Günther einmal hervorheben, die das in den letzten Tagen sehr bewusst und sehr klug gemacht haben.
(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich finde, das, was der Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl gesagt hat, nämlich dass die Zerstörung der Union das Hauptziel der AfD sei, sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Die zerstört sich selbst!)
Wir als demokratische Parteien sitzen alle in einem Boot, und wir müssen das gemeinsam hinbekommen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, das Treffen in Potsdam zeigt, dass die AfD es ganz gezielt darauf anlegt, mit führenden europäischen Protagonisten der Rechtsextremisten zusammenzuarbeiten und sich als bürgerliche Proxys beispielsweise für die Identitäre Bewegung anzudienen. Man muss sich nur angucken, was irgendwann mit diesen bürgerlichen Proxys passiert, egal ob sie Lucke, Petry oder Meuthen heißen. Am Ende passiert mit ihnen das, was eines Tages auch mit Alice Weidel passieren wird: Sie wird von den tonangebenden Rechtsextremisten in der AfD fallen gelassen werden. Krawatte und Doktortitel sind eben keine ausreichenden Schutzschilder gegen eine rechtsextreme und verfassungsfeindliche Gesinnung.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nach den Vertreibungsplänen der Rechtsextremisten sollen Millionen Menschen Deutschland verlassen müssen: unsere Nachbarn, unsere Partner, unsere Kollegen, unsere Freunde.
(Jörn König [AfD]: Warum redet eigentlich keiner von Bürgergeldbeziehern in dem Zusammenhang?)
Wenn man sich anguckt, was unsere Bekannten mit Migrationshintergrund in den letzten Tagen in den sozialen Medien so posten, dann wird einem heiß und kalt. Es wird einem angst und bange, und man kann die Angst, die bei diesen Menschen umgeht, wirklich spüren. Das Schlimme ist, dass Sie genau diese Angst produzieren wollen.
(Jörn König [AfD]: Demokratische Wahlen wollen wir gewinnen!)
Dass der Geist dieser Vertreibungspläne jetzt einmal aus der Flasche ist, ist ein Aufruf an uns alle in der Gesellschaft, uns dafür einzusetzen, im Miteinander mit den Bürgerinnen und Bürgern diesen Geist zu bekämpfen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will noch ein Wort zum Thema Parteiverbot sagen. Die Tatsache, dass das Grundgesetz ein Parteiverbotsverfahren kennt, zeigt, dass unsere Verfassung ihren Feinden nicht mit Gleichgültigkeit gegenübersteht.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Aber es ist mir doch ein bisschen zu bequem, ein Parteiverbotsverfahren zu fordern, bevor man als Bürger selbst das Mögliche getan hat, um den Rechtsextremisten und Verfassungsfeinden Einhalt zu gebieten.
Man sollte nicht über jedes Stöckchen springen, das uns die AfD hinhält.
Lieber Kollege Kuhle, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.
Aber vielleicht sollten wir im persönlichen Umgang miteinander in der Gesellschaft die eine oder andere Debatte auch mal führen. Es gibt im Deutschen kaum schlimmere Sätze als den Satz: Der Klügere gibt nach.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie sind nicht der Klügere!)
Lassen Sie uns gemeinsam zeigen, dass wir klüger geworden sind!
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die Bundesregierung hat das Wort die Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7605632 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 147 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Wehrhafte Demokratie gegen Demokratiefeinde und Vertreibungspläne |