18.01.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 147 / Tagesordnungspunkt 15

Christoph de VriesCDU/CSU - Rückführungsverbesserungsgesetz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ausmaß der aktuellen Migrationskrise und auch ihre gesellschaftliche Sprengkraft ist ganz erheblich. Die Herausforderungen dieser Migrationskrise zu lösen, ist ohne Zweifel eine gewaltige Aufgabe. Aber eines ist doch völlig klar: Gemessen an diesen Herausforderungen ist dieses Gesetz und seine erwarteten Wirkungen ein einziger Rohrkrepierer. Dieses Gesetz löst die Migrationskrise nicht ansatzweise.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit den jüngsten von den Grünen durchgesetzten Änderungen haben Sie es nun geschafft, ein ohnehin schon wirkungsschwaches Gesetz völlig wirkungslos zu machen. Da muss man wirklich sagen: Herzlichen Glückwunsch, das muss man erst mal schaffen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn das, was Sie heute im Parlament zur Beschlussfassung vorlegen, ist im Ergebnis nichts anderes als ein Rückführungsverschlechterungsgesetz; das muss man leider in aller Deutlichkeit so sagen. Worin bestehen die Verschlechterungen? Ich will Ihnen zwei Punkte nennen:

Erstens. Künftig sollen Ausländer, die das rechtsstaatliche Verfahren vollständig durchlaufen haben, auf Kosten der Steuerzahler einen Pflichtverteidiger spendiert bekommen, wenn sie in Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam genommen werden sollen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das finde ich sehr gut!)

Was ist das bitte für ein fatales Signal für den Rechtsstaat, aber auch für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in diesem Land?

(Beifall bei der CDU/CSU – Helge Limburg BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stärkt den Rechtsstaat!)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kuhle aus der FDP-Fraktion?

Ja, bitte.

Vielen Dank, lieber Kollege de Vries. – Ich hätte mir gewünscht, dass Sie ein bisschen was dazu sagen, dass dieser Gesetzentwurf im Wesentlichen die Erwartungen der Ministerpräsidentenkonferenz umsetzt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Bin ja noch nicht weit gekommen.

Aber vielleicht kommt das ja noch.

Nein.

Ich will aber gerne etwas zur Frage der Pflichtbeiordnung eines Rechtsanwalts sagen und Sie dazu auch konkret etwas fragen. Es wäre ja in der Tat widersinnig, wenn man einen Rechtsanwalt beiordnen würde, der dann dem Abzuschiebenden Bescheid sagt, sodass der sich einfach der Abschiebung entziehen kann; dann könnte man sich das ganze Gesetz sparen.

Haben Sie sich mal die entsprechenden Formulierungen im Aufenthaltsgesetz zum Ausreisegewahrsam, zur Abschiebehaft angeschaut? Da steht heute schon drin, dass das Ganze immer auch ohne Anhörung angeordnet werden kann, wenn zu befürchten ist, dass sich der Abzuschiebende der Abschiebung entzieht. Haben Sie sich angeschaut, dass in dem Gesetz, das die Bundesregierung vorgelegt hat, sogar eine Verschärfung enthalten ist? § 427 Absatz 3 FamFG führen wir jetzt mit dem Gesetz ein. Dieser Absatz legt fest, dass in Zukunft nicht nur bei Gefahr im Verzug, sondern auch wenn zu befürchten ist, dass durch eine Anhörung durch den Richter die Abschiebung vereitelt wird, ohne Anhörung eine Abschiebehaft vollzogen werden kann. Haben Sie sich das angeschaut? Oder sagen Sie einfach, dass das nichts bringt, weil Sie sich gar nicht damit beschäftigt haben?

Was ist jetzt sozusagen Ihr konkreter Vorwurf? Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie haben sich das Ganze nicht angeschaut, weil Sie es schlechtreden wollen, oder Sie haben es sich angeschaut und wollen hier bewusst den Eindruck erwecken, es bringe nichts.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Wir haben es uns angeschaut! Es ist falsch, was Sie sagen!)

Ich verstehe das nicht.

Eines ist klar: Dieses Gesetz wird zu einer Verbesserung bei Rückführungen führen, und es setzt die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz um. Mich würde schon interessieren, warum Sie das Gesetz nicht mal gelesen haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege; ich bin dankbar für die Frage. Ich wäre auch gleich auf den Punkt eingegangen. – Wir haben uns das sehr genau angeschaut, im Übrigen auch die Gesetzesbegründung. Da steht ausdrücklich drin, dass künftig vor der einstweiligen Anordnung der Abschiebehaft der Pflichtverteidiger bestellt wird. Genau zu dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene angehört wird, erhält er Akteneinsicht. Deswegen wird natürlich der Betroffene Kenntnis von einer bevorstehenden Inhaftierung erlangen und wird untertauchen und sich der Abschiebung entziehen können. Das ist leider die Wahrheit, lieber Herr Kollege.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das sehe nicht nur ich so, sondern wir haben inzwischen Hinweise aus den Ländern bekommen.

Im Übrigen hat am gestrigen Tag ein Schreiben der baden-württembergischen Migrationsministerin Marion Gentges die Bundesinnenministerin erreicht. In diesem Schreiben warnt sie auch ausdrücklich vor dieser Änderung und hebt ausdrücklich hervor, dass die sowieso schon dürftige Zahl von Rückführungen künftig durch Ihre Maßnahmen noch weiter sinken wird. Das ist leider die Wahrheit. Ihr Kollege Thomae war ja auch entsprechend irritiert, als wir ihn gestern im Innenausschuss dazu befragt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Thomae [FDP]: Ja, weil die Frage unsinnig ist!)

Was Sie damit machen: Sie konterkarieren die Zielsetzung des Gesetzes, nämlich mehr und schnellere Abschiebungen. Das ist am Ende des Tages doch absurd.

Ich will Ihnen einen weiteren Punkt nennen, warum es eine Verschlechterung ist: Minderjährige und Familien sollen künftig grundsätzlich nicht mehr in Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam genommen werden können. Das war bisher unter Berücksichtigung des Kindeswohls möglich. Auch das ist eine Verschlechterung und keine Verbesserung gegenüber dem Status quo, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Kuhle, auch wenn Sie hier einen anderen Anschein erwecken wollen: Offensichtlich haben Sie weder die Kraft noch den politischen Willen, sich gegen die grünen Migrationsträumereien durchzusetzen; das muss man doch an dieser Stelle ganz klar sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie lassen auch den Kanzler im Regen stehen, der noch im Oktober Abschiebungen „im großen Stil“ angekündigt hat.

Zu den Wirkungen selber. Frau Ministerin, Sie rechnen mit 600 zusätzlichen Abschiebungen jährlich, und das bei durchschnittlich 700 Asylanträgen täglich im letzten Jahr und rund 242 000 ausreisepflichtigen Personen. Da muss man doch leider sagen: Das ist doch nicht mehr als Ergebniskosmetik. Dieses Gesetz verdient seinen Namen nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir als Union sind der Überzeugung: Wir brauchen eine Asylwende. Dazu gehört auch die konsequente Durchsetzung von Ausreisepflichten. Ich will in der Kürze der Zeit nur drei Punkte nennen:

Erstens. Wir brauchen mehr Befugnisse der Bundespolizei für Rückführungen bei Aufgriffen in eigener Zuständigkeit.

Zweitens. Wir wollen, dass Rechtsverstöße und Identitätstäuschungen im Asylverfahren nicht mehr folgenlos bleiben. Jede vorsätzliche Täuschung eines Asylbewerbers über die eigene Identität muss die Ablehnung des Asylantrags zur Folge haben.

Drittens. Wer mit Gewalt und Widerstand gegen Polizeibeamte seine Abschiebung verhindert, der darf am Ende nicht noch mit der Entlassung aus der Abschiebehaft belohnt werden. Deswegen wollen wir in diesen Fällen eine automatische Verlängerung der Abschiebehaft um 48 Stunden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Also: Wenn Sie die Migrationskrise wirklich beenden wollen, –

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

– wenn Sie wirklich mehr, schneller und effektiver abschieben wollen, dann bitte ich Sie um Unterstützung unseres Antrags.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege de Vries. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Helge Limburg, CDU – – Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7605672
Wahlperiode 20
Sitzung 147
Tagesordnungspunkt Rückführungsverbesserungsgesetz
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