Sebastian HartmannSPD - Rückführungsverbesserungsgesetz
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun denn, lieber Herr Amthor, wenn Sie so auf Sprache Wert legen und Euphemismen kritisieren, dann sage ich Ihnen mal: Ein Euphemismus ist der Begriff „Werte Union“.
Und was Sie hier gerade zum Thema „Asylrecht und Rückführung“ gemacht haben, ist eine Frechheit, Herr Kollege.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn nichts von dem, was Sie hier ausgeführt haben, findet sich so in dem Gesetzentwurf. Sie streuen den Menschen Sand in die Augen.
Ich sage Ihnen mal was: Als wir als Ampelkoalition in die Regierungsverantwortung gekommen sind, haben wir 305 000 Menschen vorgefunden, die am Ende der Regierungszeit Merkel in diesem Land einfach vollziehbar ausreisepflichtig waren. Das ist Ihre Verantwortung.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das ist Ihre Verantwortung! Sie haben mitregiert!)
Das haben Sie nicht auf die Kette bekommen.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: In den Ländern haben Sie nicht abgeschoben! Das ist die Realität!)
– Es sind auch die Länder, die das Aufenthaltsrecht nicht durchgesetzt haben, die mehrheitlich CDU-geführt und -regiert sind.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Hören Sie auf, hier solche Märchen zu erzählen!)
Sie beschimpfen sich selbst hier im Plenum.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und wenn wir schon beim Thema Statistik sind und Sie mit den 600 Personen anfangen, dann bleibt festzuhalten: Im vorletzten Jahr der CDU-geführten Bundesregierung waren es 10 800 Abschiebungen, im letzten Jahr der CDU-geführten Bundesregierung 11 982 Abschiebungen.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das war Corona, ja!)
Das ist Ihre Verantwortung.
Und der Haupt-, der überwiegende Teil der Ausländerinnen und Ausländer reist freiwillig aus. Das ist das Maß der Dinge.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Haben Sie sich die Einwanderungszahlen mal angeguckt? – Christoph de Vries [CDU/CSU]: Das ist doch Betrug, was Sie hier machen!)
Herr Kollege Hartmann, erlauben Sie eine Zwischenfrage –
Selbstverständlich.
– des immer noch demnächst zu Wort kommenden Kollegen Alexander Hoffmann?
Danke, Herr Präsident. – Lieber Kollege Hartmann, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich glaube, es lohnt sich, zurückzuschauen
(Widerspruch der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und auch mal zu gucken, was in der Vergangenheit hätte besser gemacht werden können. Wir waren alle etwas amüsiert, dass Sie so tun, als hätte es an der Union gelegen. Es ist nämlich so, dass wir in Ihrem Entwurf eigentlich Selbstverständlichkeiten vorfinden, bei denen niemand im Land es für möglich gehalten hätte, dass man das noch regeln muss,
(Stephan Thomae [FDP]: Aber wir müssen das regeln!)
wie zum Beispiel, dass Abschiebungen nicht angekündigt werden dürfen; wie zum Beispiel, dass dann, wenn es zu einer Abschiebung kommt, Beamte Nebenräume betreten dürfen, um zu gucken, ob sich darin jemand befindet, der sich der Abschiebung entzieht.
(Stephan Thomae [FDP]: Ja! Wir müssen das erst mal regeln!)
Das alles sind Forderungen der Union gewesen, vor allem von Bundesinnenminister Horst Seehofer, und gescheitert ist es an unserem damaligen Koalitionspartner. Ich überlege mal kurz, wer das war. – Kollege Hartmann, es war, glaube ich, die SPD.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)
Vielleicht sagen Sie dazu mal ein paar Sätze.
(Stephan Thomae [FDP]: Er macht es doch gerade!)
Sehr verehrter Herr Kollege, lieber Alexander Hoffmann, herzlichen Dank für diese Nachfrage!
Ich glaube, wenn Sie in die Vergangenheit schauen, versuchen Sie auf der einen Seite immer, die Merkel-Zeit vergessen zu machen; Sie rechnen ja auch regelmäßig mit Ihrer ehemaligen Kanzlerin ab.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Zur Sache!)
Jetzt verstecken Sie sich hilflos dahinter, dass Horst Seehofer so manches nicht hinbekommen hat.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Haben Sie verhindert!)
– Hören Sie doch zu! – Da kann man doch fragen, was geschieht, wenn die SPD regiert und Verantwortung trägt und es versucht und es am Ende auch schafft – im Gegensatz zu Ihnen; bei Ihnen gab es ja nur den Versuch –,
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: An wem ist es denn gescheitert?)
tatsächlich gesellschaftliche Mehrheiten herzustellen. So lese ich Ihnen mal vor, was wir wirklich geschafft haben: Durchsuchung von Wohnungen nach Datenträgern und Unterlagen, um die Identität einer Person festzustellen; Auslesen und Auswerten von Datenträgern, haben wir auch geändert; Erleichterung der Ausweisung von Schleusern;
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Deshalb Abschiebungen! – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Mit meiner Frage hat das nichts zu tun!)
Ausweisungstatbestand für die OK haben wir geregelt, war nie ein Vorschlag der Union; dass Behörden zum Zweck der Ergreifung auch andere Räumlichkeiten betreten dürfen – von Ihnen angesprochen –, haben wir jetzt geregelt;
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ja! Wollten wir damals aber schon!)
Modifizierung der Nachtzeitregelung – von Ihnen nicht vorgeschlagen –, haben wir jetzt geregelt; die Regelung des Rechtsweges für die Anordnung von Durchsuchungen gehen wir jetzt an, das haben wir hier gemeinsam gemacht; Abschiebungen müssen nicht mehr mit einmonatiger Frist vorher angekündigt werden, das haben wir jetzt geregelt, das ist auch mit Ihnen nicht gelaufen.
(Lachen bei der CDU/CSU)
Dann gab es nachher noch die Fragen – –
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Wahnsinn!)
– Nein, Sie haben das doch nicht auf die Kette bekommen, –
Herr Kollege Hartmann, jetzt geht Ihre normale Redezeit weiter.
– das ist Ihr Problem.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist eine Büttenrede! Es ist Karneval!)
– Das ist keine Büttenrede, das ist die Wahrheit. Sie haben das Asylrecht eben pervertiert in dieser Frage.
Herr Kollege Hartmann und Herr Kollege Hoffmann, einen ganz kleinen Moment! Sie können Ihr Beziehungsproblem gerne draußen weiter erörtern.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das werden wir machen!)
– Ja, machen Sie das bitte. – Die normale Redezeit läuft weiter, Herr Kollege Hartmann.
Danke, Herr Präsident! – Ich will ja nicht alles aus der Großen Koalition schlechtreden; immerhin hat an der Großen Koalition auch die SPD mitgewirkt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der AfD)
Und nun kommen wir zum vorgelegten Gesetz. Merken Sie eigentlich nicht, dass Sie mit Ihrer Rhetorik, mit der Art und Weise, wie Sie mit diesem Thema umgehen, angesichts der hohen Verantwortung, die Sie getragen haben in 16 Jahren und die Sie in den Ländern, die für den Vollzug des Aufenthaltsrechtes verantwortlich sind, jetzt tragen, ausschließlich Wasser auf die Mühlen der AfD gießen, meine Damen und Herren?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und was wir schaffen, ist, nachher auch Rechtsfrieden wieder herzustellen. Denn es geht auch darum, dass in rechtsstaatlichen Verfahren klar unterschieden wird – und das muss man auch sprachlich klarmachen – Menschen, die einen Fluchtgrund haben, die einen Aufenthaltsgrund haben, werden in Deutschland bleiben können. Und Menschen, die, liebe Union, dem christlichen Gebot der Nächstenliebe Folge leisten und dafür sorgen, dass Menschen aus Seenot gerettet werden, werden nicht kriminalisiert. Auch wenn ich mit dem Kollegen Limburg da nicht mitgehe: Es war auch vorher schon klar – § 34 StGB kennen wir ja beide –, das war geklärt. Wir stellen es noch mal ausdrücklich klar. Denn das sind Humanität und Ordnung, und darum geht es dieser Fortschrittskoalition, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz wichtig!)
Und ich sage Ihnen: Wir nutzen die Rechtsmöglichkeiten aus. Natürlich gehen wir von 10 auf 28 Tage hoch. Das war kein Vorschlag der Union, wir tun das jetzt in der Verantwortung.
Aber ich habe, weil wir hier die Beschlüsse der MPK umsetzen, auch einen Appell: Die Länder sind für den Vollzug des Aufenthaltsrechts verantwortlich; sie tragen die Verantwortung für die freiwillige Rückkehr, die im Regelfall der häufigere Fall ist. Zwei zu drei, das ist die Wahrscheinlichkeit freiwilliger Rückkehr.
(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Wenn es dann zur Abschiebung kommt, dann müssen die Länder auch dafür sorgen, dass wir die Verfahren beschleunigen. Und die Rechtsanwälte als Organ der Rechtspflege tragen dazu bei, dass die Qualität steigt.
(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Wir müssen davon wegkommen, dass solche Verfahren mehr als drei Jahre dauern,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
wir brauchen schnelle Klärung der Bleibeperspektive, und dem kommen wir nach; das ist keine Verzögerung.
(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das Thema Haft war immer eine sensible Frage. Dass wir den Minderjährigenschutz nach vorne stellen und ihn da, wo die Familie als Einheit besteht, auf sie erstrecken, das steht einem demokratischen Rechtsstaat sehr, sehr gut zu Gesicht; denn wir wollen ja die Richtigen erreichen.
(Beifall der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben deswegen auch die Intensivstraftäter genau in den Blick genommen und gesagt: Das sind auch Gründe für eine Ausweisung.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir schaffen; denn es gibt eine hohe Akzeptanz für ein Asylrecht, das tatsächlich funktioniert. Und ein Asylrecht, das funktioniert, unterscheidet zwischen Menschen, die schutzberechtigt sind, und Menschen, die nicht schutzberechtigt sind. Und die, die nicht schutzberechtigt sind, sind keine Flüchtlinge, sondern das sind Ausländer, die dann dieses Land verlassen müssen.
Abschließend, liebe Union: Es kann auch nicht sein, dass die einzigen Flüchtlinge, die Sie schützen wollen, nur noch Steuerflüchtlinge sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP] – Zuruf von der CDU/CSU: Was für ein Niveau!)
Vielen Dank, Herr Kollege Hartmann. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Clara Bünger, fraktionslos.
(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7605677 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 147 |
Tagesordnungspunkt | Rückführungsverbesserungsgesetz |