18.01.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 147 / Tagesordnungspunkt 17

Reinhard BrandlCDU/CSU - Umsetzung des Digital Services Act

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute erleben wir eine historische Premiere in der Ampelzeit: Das erste Gesetz von Digitalminister Wissing ist in den Bundestag eingebracht worden. Ich hätte ihm gern selber dazu gratuliert, aber bezeichnenderweise ist er nicht da. Frau Kluckert, richten Sie ihm bitte schöne Grüße von hier aus: Wir würden ihn gern öfter sehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, dabei ist es ein wichtiges Gesetz. Mit dem DSA wird endlich ein einheitlicher europäischer Rechtsrahmen geschaffen, der Bürgerinnen und Bürger in der EU vor illegalen Inhalten, vor Gewalt, vor Hetze im Internet mit schützt. Das ist gut, und das ist auch dringend notwendig.

Wir haben es zuletzt beim schrecklichen Angriff der Hamas auf Israel gesehen. Es war von Anfang an Teil der Strategie der Hamas, nach dem Angriff das Internet zu fluten: zuerst mit den Bildern des Massakers und anschließend mit furchtbarer Antiisraelpropaganda, um Massen auf der ganzen Welt zu mobilisieren. Wir mussten feststellen: Diese Strategie hat funktioniert, auch hier in Berlin und an vielen anderen Orten der Welt. Und dieser Social-Media-Terrorismus wird wieder funktionieren. Gerade deshalb brauchen wir einen handlungsfähigen Staat im Netz.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Armand Zorn [SPD])

Aber ob der Staat durch Ihr Gesetz wirklich handlungsfähig wird, wird sich erst noch zeigen. Die Aufgabe wird nicht dadurch besser erledigt, dass sie jetzt der Bund übernimmt. Nehmen Sie zum Beispiel den Jugendmedienschutz: Da sind unsere Bundesländer in Europa führend. Der Kampf gegen die großen Pornoplattformen in Zypern wird nicht von der Medienaufsicht in Zypern geführt, sondern von der Landesmedienanstalt in NRW. Wenn wir die jetzt aus dem Spiel nehmen würden, dann würden bei Pornhub und Co die Sektkorken knallen. Das können wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Armand Zorn [SPD]: Das machen wir doch gar nicht! – Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Wo steht das denn im Gesetz?)

Deswegen ist es gut, dass die Landesmedienanstalten – zumindest auf dem Papier – jetzt mit dabei sind; das waren sie im ersten Entwurf des Gesetzes noch nicht.

(Catarina dos Santos-Wintz [CDU/CSU]: So ist es! – Zuruf der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Jetzt sind sie dabei: gemeinsam mit der Bundesnetzagentur, dem Bundeskriminalamt, der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Ich fasse zusammen: drei Behörden – zufälligerweise eine unter SPD-Führung, eine unter Grünenführung und eine unter FDP-Führung – plus der unabhängige Datenschutzbeauftragte. Da kann ja ehrlicherweise nichts mehr schiefgehen.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die müssen alle unabhängig gestellt werden!)

Das ist das Traumquartett der deutschen Politik; die verstehen sich blind.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber Spaß beiseite. Ich zitiere mal aus Ihrem Gesetz ein paar Punkte, die mich schon nachdenklich machen. Das BKA gibt an – so heißt es im Gesetz –, dass es heute jährlich 6 000 Verdachtsfälle von illegalen Internetinhalten bearbeitet; es rechnet mit einer Stunde Bearbeitung pro Fall. Mit dem neuen Gesetz erwartet es 720 000 Fälle im Jahr. Das ist Faktor zwölf. Das BKA will statt heute 44 Stellen in Zukunft 450 Stellen.

Meine Damen und Herren, das zeigt die Dimension, von der das BKA ausgeht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es diesen Massenanfall an Fällen in der Aufstellung, die Sie jetzt wählen, überhaupt bearbeiten will. Ich traue es dem BKA noch am ehesten zu. Aber ganz ehrlich: Alle anderen Behörden, die ich jetzt genannt habe, haben nullkommanull Erfahrung in dieser Materie. Was der Aufwand für die Länder bedeutet, die das ja dann mit ihren Justiz- und Polizeibehörden nachverfolgen müssen, darauf gehen Sie im Gesetzentwurf mit keinem Wort ein.

Sie haben ein Jahr lang getrödelt, bis Sie uns dieses Gesetz vorgelegt haben. Wir haben jetzt nur wenige Wochen Zeit, um es zu bearbeiten und zu beraten, weil sonst Strafzahlungen fällig werden, da Sie aufgrund Ihrer Verzögerung die Frist der Europäischen Union reißen werden. Ich kann Ihnen gleich sagen: Die ganzen Fragen, die damit verbunden sind, werden wir in dieser Zeit nicht beantworten können.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich finde das Vorhaben an sich gut und richtig und notwendig. Aber dieses Gesetz ist der schriftliche Beweis dafür, dass die Ampel selbst gute Dinge schlecht machen kann.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wüsste ja mal gerne, wie die CDU das machen würde! Da bin ich auf den Änderungsantrag gespannt! Oder auf den eigenen Gesetzentwurf am besten!)

Das Wort hat Armand Zorn für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7605702
Wahlperiode 20
Sitzung 147
Tagesordnungspunkt Umsetzung des Digital Services Act
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta