19.01.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 148 / Tagesordnungspunkt 32

Stephan ThomaeFDP - Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts

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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich will schon mal eines klarstellen: Nach bisherigem, jetzigem Recht ist es so, dass eigentlich jeder Ausländer, jede Ausländerin nach acht Jahren einen Einbürgerungsanspruch erwerben kann,

(Gülistan Yüksel [SPD]: Genau!)

also wenn er oder sie acht Jahre unauffällig, ohne groß anzuecken, hier in Deutschland gelebt hat.

Bislang ist es zwar theoretisch so, dass man seine alte Staatsangehörigkeit abgeben muss, aber das ist nur in 30 Prozent der Fälle tatsächlich der Fall. In 70 Prozent der Fälle führt eine Einbürgerung nach bereits jetzt geltendem Recht zu einer Mehrstaatigkeit. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Maximilian Mordhorst [FDP]: Aha! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU] gewandt: So ist es, Frau Lindholz!)

Künftig wird es so sein, dass man einen Einbürgerungsanspruch nach fünf Jahren erwerben kann und die alte Staatsbürgerschaft nicht abgeben muss.

Warum ist es sinnvoll, das so zu regeln? Ich will eines sagen: Deutschland ist ein Land, das Arbeitskräfte braucht, auch aus dem Ausland. Bei dem Bemühen, Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen, haben wir strukturelle Nachteile. Es gibt sprachliche Hürden, weil unsere deutsche Sprache nirgendwo in der Welt als zweite Verkehrssprache üblich ist. Unser Land gilt auch nicht als klassisches Einwanderungsland. Deswegen tun wir uns sehr schwer, Arbeitskräfte für unseren Arbeitsmarkt zu gewinnen, die wir brauchen, um auch unsere Sozialsysteme zu sichern.

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Künftig soll es so sein, dass wir sagen: Wer zu uns kommen will, um hier zu arbeiten, der kann nach fünf Jahren Deutscher werden, wenn er sprachlich, rechtlich und wirtschaftlich gut integriert ist, wenn er also unsere Sprache beherrscht, wenn er mit unseren Gesetzen nicht über Kreuz kommt und wenn er vor allem den Lebensunterhalt für sich und seine Familie sichern kann – ein ganz wichtiger Punkt. Dann kann er Deutscher werden und muss auch nicht die alte Staatsbürgerschaft abgeben, wofür es gute Gründe geben kann: erbrechtliche Gründe, Grundbesitz in der alten Heimat, familiäre Bindungen. Deswegen ist es für ein Land, das Arbeitskräfte braucht, eine sinnvolle Sache, so vorzugehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein zweiter ganz wichtiger Punkt kommt hinzu. Wir schaffen weitere Voraussetzungen und Ausschlussgründe, nämlich die rechtliche Integration. Wer Deutscher werden will, muss sich ausdrücklich, dezidiert und explizit zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Martin Hess [AfD]: Also, das sehen wir ja! Wie realitätsfern kann man noch sein! – Weitere Zurufe von der AfD)

auch eine Sache, die zurzeit nicht der Fall ist und die wir genau prüfen werden. Menschen, die antisemitische, rassistische, menschenfeindliche Straftaten begangen haben, können eben nicht Deutsche werden.

Meine Damen und Herren, jetzt kann jeder einfach so nach acht Jahren Deutscher werden.

Herr Kollege.

Künftig werden wir uns die Leute genauer anschauen. Deswegen ist das ein Gesetz, das sehr ausgewogen ist: Es schafft Erleichterung auf der einen Seite; es schafft auch neue, strenge Anforderungen und Voraussetzungen auf der anderen Seite. Deswegen ist das eine sinnvolle, ausgewogene Gesetzgebung.

Herr Kollege Thomae, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage aus der CDU/CSU-Fraktion?

Eine Abschlussfrage erlaube ich.

Noch ist es eine Zwischenfrage. Das verlängert die Redezeit, Kollege Thomae. Ich halte dann die Uhr an.

Gut, dann lasse ich die Frage zu, Herr Kollege Hoffmann.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU] gewandt: Herr Hoffmann, Sie reden doch gleich schon!)

Auf vielfachen Wunsch der Ampel.

(Heiterkeit der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Danke, Kollege Thomae, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich hatte schon damit gerechnet, dass auch Sie in Ihrer Rede – wie schon der Minister bei der ersten Lesung – den Eindruck erwecken: Wir verstehen die ganze Diskussion nicht. Wir erhöhen ja eher die Anforderungen.

(Beifall des Abg. Muhanad Al-Halak [FDP])

Die Botschaft, die Sie transportieren, ist: Regt euch alle nicht auf! Es wird zukünftig weniger Einbürgerungen geben. – Das suggerieren Sie.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist zumindest die Deutung Ihrerseits! – Konstantin Kuhle [FDP]: Die Frage ist: Welche Einbürgerungen? – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der FDP: Nein!)

– Jetzt höre ich hier schon: Nein! – Jetzt komme ich zu zwei Fakten.

Erstens. Der amtierende Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, Professor Castellucci, meinte nämlich in der Sitzung, dass es ja zu wenig Einbürgerungen gäbe und deswegen stünde es im Interesse der Ampel, mit diesem Gesetzentwurf die Anzahl der Einbürgerungen zu erhöhen.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Klar!)

Der zweite Aspekt. In der Folgenabschätzung steht, dass das 2,5 bis 5 Millionen Menschen betreffen könnte. Das spricht Bände! Das heißt, das wird zu einem deutlichen Anstieg der Einbürgerungen führen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie haben sich von den Grünen einseifen und über den Tisch ziehen lassen und haben es nicht gemerkt, oder Sie stehen tatsächlich hier und machen der Bevölkerung und den Menschen im Land ein X für ein U vor.

(Beifall bei der CDU/CSU – Gülistan Yüksel [SPD]: Wo ist das Problem, wie viele Leute das sind? – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Macht euch doch mal geschmeidig! Was ist denn los?)

Herr Kollege Hoffmann, vielen Dank für die Bemerkung, die mir die Chance gibt, noch ein paar Sekunden zu sprechen. – Sie stellen auf die Quantität, die Zahl, ab. Wie viele Menschen am Ende eingebürgert werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab: einmal von der Leistungsfähigkeit der Einbürgerungsbehörden, aber eben auch von diesem Prüfungsergebnis.

(Manuel Höferlin [FDP]: So ist es nämlich!)

Uns kommt es nicht so sehr auf die Zahl, die Quantität, an,

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Der Ampel schon!)

sondern auf die inhaltliche Prüfung.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Diese Rede ist der Abgesang der FDP!)

Wenn am Ende mehr Menschen eingebürgert werden, weil wir feststellen: „Es gibt eben sehr viele Menschen, die diese Voraussetzungen – sprachlich, kulturell, rechtlich, wirtschaftlich gut integriert zu sein – erfüllen, die einen Beitrag zum Gelingen dieser Gesellschaft leisten“, dann wollen wir diesen Menschen sogar den roten Teppich ausrollen, weil wir sie in unserem Land brauchen, weil sie einen Beitrag leisten, sich anstrengen, sich bemühen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn das aber nicht der Fall ist, dann werden sie eben nicht eingebürgert, weil künftig die Voraussetzungen höher sind. Deswegen kann ich nur sagen, Herr Kollege Hoffmann: Uns interessiert nicht, woher jemand kommt; uns interessiert, wohin jemand will.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist der Kollege Dirk Wiese, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7605858
Wahlperiode 20
Sitzung 148
Tagesordnungspunkt Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts
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