Alexander HoffmannCDU/CSU - Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich dachte, gestern waren wir uns alle einig: Die Pflicht von Demokraten in diesen Tagen muss sein, sich der AfD entgegenzustellen.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber ein komisches Zeichen!)
Dafür ist unerlässlich, dass wir gemeinsam eine Politik machen, die die Probleme in diesem Land löst, die bestehende Probleme nicht verschärft und keine neuen erzeugt.
(Zuruf des Abg. Steffen Janich [AfD])
Es muss darum gehen, der AfD die identitätsstiftenden Themen wegzunehmen, ja, sie zu bewältigen.
(Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Als hätte es die gestrige Aktuelle Stunde und Debatte nicht gegeben, wollen Sie heute Ihr Turboeinbürgerungsgesetz durchsetzen –
(Widerspruch der Abg. Sebastian Hartmann [SPD] und Gabriele Katzmarek [SPD])
mit einem Gesetzentwurf, der den Geist grüner Migrationspolitik atmet, einem Gesetzentwurf, der die Politik der offenen Türen ins Schaufenster stellt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Hoffmann, sprechen Sie doch mal mit Herrn Laschet!)
Weil Sie immer so tun, als wäre es Zeit dafür und als wäre es notwendig: Es ist zunächst einmal so, dass, allein was die Zahlen angeht, das, was Sie tun, nicht erforderlich ist.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird niemandem was weggenommen! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wovor haben Sie eigentlich Angst?)
Wir hatten 2022 Einbürgerungen auf Rekordniveau.
(Sebastian Hartmann [SPD]: Danke, Merkel!)
Und dann suggerieren Sie – die FDP hat das ganz stark gemacht –: Wir müssen jetzt ans Einbürgerungsrecht, weil das ja für das Thema der Fachkräftegewinnung unerlässlich ist.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es auch! Fragen Sie mal die Wirtschaft! Haben Sie keine Ahnung von der Wirtschaft? Fragen Sie jeden!)
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kaddor?
Ja, sehr gerne.
Ich hatte es befürchtet.
Vielen Dank, Herr Kollege, für das Zulassen der Frage; das schätze ich sehr. – Meine Frage bezieht sich auf den gerade genannten Kritikpunkt wegen des verweigerten Handschlags. Es gibt die irrige Vorstellung, dass nur orthodoxe Rabbiner bzw. nur männliche Muslime den Handschlag verweigern würden. Tatsache ist, dass auch religiös praktizierende Musliminnen, religiös praktizierende Jüdinnen diesen Handschlag verweigern.
(Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
Es ist also nicht so, dass nur Männer –
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Schön, dass Sie sich damit so gut auskennen!)
– lassen Sie mich doch aussprechen; ganz ruhig atmen! – den Handschlag verweigern. Deshalb frage ich Sie: Was machen wir denn mit orthodox gläubigen Jüdinnen und Juden, die den Handschlag ebenfalls ungern geben oder verweigern? Sollen wir denen auch die Staatsbürgerschaft verweigern?
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das sind keine deutschen Staatsbürger! Ganz einfach! – Dr. Gottfried Curio [AfD]: Ermessen und Anspruch! Meine Güte! – Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
Frau Kollegin, danke für Ihre Zwischenfrage. – Sie bemühen jetzt lauter Fälle, die den Eindruck erwecken:
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind ganz normale Fälle!)
Ist ja nicht so schlimm.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie doch in die Fragestunde! Da finden Sie die Antwort!)
Aber es ist doch umgekehrt: Sie machen jetzt ein Türchen auf für denjenigen, der aus Gründen der Diskriminierung einer Frau nicht die Hand geben will, weil er die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht anerkennt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Gottfried Curio [AfD] und Robert Farle [fraktionslos] – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat doch gar nichts damit zu tun!)
Ich will das Beispiel mal vertiefen. Da ist also jemand, der eingebürgert werden will. Aus religiösen Gründen – Sie haben es gerade sehr blumig dargestellt – will er einer Frau nicht die Hand geben.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kenne mich aus, Herr Hoffmann!)
Er darf nicht eingebürgert werden, und das wollen Sie verhindern. Jetzt sage ich Ihnen mal ganz ehrlich: Wer anerkennt, dass ich aus religiösen Gründen einer Frau nicht die Hand gebe, der erkennt die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht an.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD und des Abg. Matthias Helferich [fraktionslos] – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ganz genau so ist es! Der hat in Deutschland nichts zu suchen!)
Wir müssen, Frau Kollegin, zwei Dinge unterscheiden. Wissen Sie, ich bin ja noch bei Ihnen, wenn ich sage: Den weisen wir jetzt nicht gleich aus.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verantwortungsvoll! – Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])
Aber dass Sie so weit gehen, ihm auch die deutsche Staatsbürgerschaft zu geben, das ist der eigentliche Skandal.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Antwort! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Völliger Unsinn, was die machen! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Früher waren Sie mal für Frauen!)
Ich war an dem Punkt, dass Sie immer wieder den Eindruck erwecken: Für Fachkräfte brauchen wir jetzt ein liberales Staatsangehörigkeitsrecht.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das auch! Genau so ist das! Sie haben überhaupt keine Ahnung von der Wirtschaft!)
Das ist völlig falsch. Es gibt eine Studie der OECD und der Bertelsmann-Stiftung, die besagt, dass die Hürden für Fachkräftegewinnung andere sind, nämlich Qualität der beruflichen Chancen, Einkommen und Steuern oder zum Beispiel auch die Hürden bei der Visumserteilung.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fehlende Willkommenskultur haben Sie vergessen! Fehlende Willkommenskultur, die Sie erzeugen!)
Das wollten wir im Rahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes angehen. Sie zeichnen seit über 30 Jahren im auswärtigen Ressort verantwortlich, und Sie haben dies verweigert. Aber nach dieser Studie ist es eben keine Frage der Einbürgerung.
Das Fazit ist: Sie gaukeln den Menschen etwas vor.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ist es!)
Das ist deshalb so problematisch, weil die Mehrheit der Bevölkerung – wir haben es gehört: 70 Prozent – gegen Ihre Turboeinbürgerung ist. Ich sage Ihnen: Eine Politik gegen den Willen der Bevölkerung zu machen, das ist gefährlich.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen eine Politik gegen die deutsche Wirtschaft! Gegen die Bevölkerung in diesem Land! Das ist die Politik der CDU!)
Aber dazu noch zu versuchen, die Menschen zu manipulieren, das macht unsere Demokratie kaputt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Robert Farle [fraktionslos] – Zurufe der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Sebastian Hartmann [SPD] und Gülistan Yüksel [SPD])
Wir wissen, dass auf den Fluchtrouten alles kommuniziert wird, was wir hier entscheiden. Wenn Sie das heute beschließen, dann wird neben Ihrem Spurwechsel, neben Ihrem Zweckwechsel, neben dem Sonderaufnahmeprogramm, neben dem Chancen-Aufenthalt, neben Ihrem gestrigen Abschiebeverhinderungsgesetz –
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
– zukünftig auch noch die Turboeinbürgerung ein Verkaufsschlager für alle Schlepper und Schleuser sein.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Robert Farle [fraktionslos] und Matthias Helferich [fraktionslos] – Dunja Kreiser [SPD]: Haben Sie das Gesetz überhaupt gelesen?)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7605866 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 148 |
Tagesordnungspunkt | Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts |