Johannes ArltSPD - Intensivierung der Unterstützung für die Ukraine
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Wehrbeauftragte! Liebe Union, ich verstehe ja den Impuls, als Opposition die Regierung auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik immer mal wieder vor sich herzutreiben. Das haben Sie am Mittwoch probiert mit einer Abstimmung zu Taurus, sind da leider gescheitert.
(Serap Güler [CDU/CSU]: Ihr seid gescheitert! – Henning Otte [CDU/CSU]: Ihr zeigt keine Verantwortung!)
Mit diesem Antrag probieren Sie jetzt, ein bisschen Kompetenz im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu zeigen, in einem Bereich, in dem wir versuchen müssen, nach 16 Jahren Unionsverteidigungsminister
(Serap Güler [CDU/CSU]: Das ist echt ausgelutscht!)
aus einem Scherbenhaufen eine Industrie zu formen, die funktionsfähig und skalierbar ist. Aber in Ihrem Antrag bleibt es bei einem Versuch. Denn Ihr Antrag ist eine Mischung aus richtigen und falschen, aus widersprüchlichen und bereits erledigten Punkten.
Richtig ist, dass die deutsche und europäische Sicherheits- und Verteidigungsindustrie mit langfristigen Lieferverträgen und Exportverlässlichkeit gestärkt werden muss; die Kollegin Nanni und der Kollege Müller sind darauf eingegangen. Falsch aber ist, dass wir die Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr einfach durch Nachbeschaffung schließen können, wie Sie in der Forderung 4 suggerieren.
Die Beschaffung oder die Bestellung ist ja gar nicht das Problem, sondern die Produktion und die Lieferung. Sie müssen deshalb endlich aufhören, den Eindruck zu erwecken, dass Beschaffung wie bei Amazon funktioniert: einmal klick – in den Warenkorb; noch einmal klick – morgen geliefert. So geht es einfach nicht.
(Beifall der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Henning Otte [CDU/CSU]: Nee?)
So ist es auch bei Taurus. Denn Taurus wird derzeit nicht produziert, da wir in den letzten Jahrzehnten eben nur lose bestellt und keine Abnahmegarantien gegeben haben.
Widersprüchlich wird es, wenn Sie in der Forderung 6 meinen, man müsse doch die Beschaffung für die Bundeswehr unverzüglich durchführen, wo Sie doch vorher feststellen, dass es keine Kapazitäten gibt. Bereits erledigt sind Ihre Forderungen 11 und 12.
Aber ich bin Ihnen dankbar für Ihren Antrag, liebe Union. Denn wir sprechen über ein zentrales Thema, das für den Wiederaufbau der Verteidigungsfähigkeit von wichtiger Bedeutung ist. Wie aber können wir denn unsere Sicherheits- und Verteidigungsindustrie resilienter machen und nachhaltig stärken, und zwar, ohne einen Zielkonflikt zu produzieren, sodass wir einerseits die Ausrüstung der Bundeswehr sicherstellen und andererseits langfristig die Ukraine unterstützen? Das können wir in drei Schritten:
Erstens müssen die Voraussetzungen stimmen, und Voraussetzung ist die industriepolitische Steuerung. Meiner Ansicht nach soll diese Steuerung auch dem BMVg übertragen werden, und zwar mit offiziellem Auftrag. Grundlage dafür bildet die Definition des deutschen und europäischen Fähigkeitsanspruchs in den Divisionen Land, Luft und See. Da sind andere Länder besser; die haben eine bessere industriepolitische Koordinierung, als wir das traditionell haben.
So brauchen wir eine langfristige und legislaturperiodenübergreifende Verteidigungsplanung. Strategische Beschaffung muss auf fünf bis zehn Jahre geplant werden, auch wenn das spätere Bundesregierungen binden sollte.
(Beifall bei der SPD)
Diese Pläne sollten auch von einer breiten parlamentarischen Mehrheit gebilligt werden. Dies versetzt dann die Industrie in die Lage, mit Abnahmegarantien Produktionsstraßen über einen langen Zeitraum hinweg aufrechtzuerhalten, Personal einzustellen. Ja, vielleicht wäre es an der Zeit, hier im Hause auch mal über ein Bundeswehrplanungsgesetz zu sprechen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Schließlich braucht es Planungssicherheit. Mit dem Sondervermögen, vor allen Dingen aber mit dem Beschluss, dauerhaft mindestens 2 Prozent für Verteidigung aufzubringen, schaffen wir die benötigte finanzielle Planungssicherheit für die Industrie.
Zweitens brauchen wir aber auch Verlässlichkeit und Koordinierung. Für unsere europäischen Wertepartner müssen wir bei Gemeinschaftsprojekten ein berechenbarer und verlässlicher Partner sein.
(Henning Otte [CDU/CSU]: Einfach mal machen!)
Das heißt auch: administrativ schnellere Bearbeitung von Exportanträgen. Und da sind wir besser geworden in den letzten Monaten.
Zudem ist Koordinierung elementar; auch die Union hat es ja angesprochen. Deutschland sollte sich für europäische Koproduktionen im Common Design starkmachen und auch die Beschaffung über den EDF verstärken. In viel, viel mehr Projekten müssen wir als Deutschland die Führungsrolle übernehmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Henning Otte [CDU/CSU]: Na dann mal los!)
– Gerne.
Aber auch pragmatische Kooperationen wie ESSI sind ein Erfolgsfaktor für hohe Interoperabilität und schnelle Beschaffung. Kooperationen führen zu sinkenden Kosten. Und wir sollten auch im Landsystembereich über die Bildung von Arbeitsgemeinschaften zur Produktion von Plattformen nachdenken und die Versionenanzahl nachhaltig reduzieren. Denn – Sie wissen es alle – Südkorea drängt mit Plattformen auf den Markt, macht europäischen Herstellern Konkurrenz. Dagegen müssen wir uns wappnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Philip Krämer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Alexander Müller [FDP])
Drittens bedarf es mehr Forschung. Unseren Technologievorsprung, insbesondere bei unseren nationalen Schlüsseltechnologien, können wir nur durch mehr Forschung halten. Auch hier können wir bestehende EU-Programme wie den EDF noch besser nutzen.
Jetzt vielleicht noch ein Wort zu Herrn Wadephul. Er hat heute Morgen im Deutschlandfunk den Minister dafür gelobt, dass er Dinge so klar anspricht, hat aber andererseits dem Minister vorgeworfen, er wäre gescheitert – nach einem Jahr im Amt! –, und zwar damit, die Beschaffung zu beschleunigen. Also, ich kann nur sagen: 52 25-Millionen-Vorlagen in diesem Jahr in der Beschaffung, das hatten wir im Verteidigungsausschuss, glaube ich, lange nicht mehr. Im nächsten Jahr sind 119 Vorlagen geplant. Was wünschen Sie sich denn, Herr Otte, Herr Wadephul, was wir da noch verbessern?
(Henning Otte [CDU/CSU]: Dass Sie mal eine ordentliche Regierungspolitik machen, das wünschen wir uns!)
Wir sind für Vorschläge offen. Also, nach einem Jahr zu sagen, ein so beliebter Minister, der so tatkräftig ans Werk geht, wäre gescheitert, das ist einfach nur lächerlich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Reine Propaganda ist das!)
Mit dem anspruchsvollen und kohärenten Programm, das ich gerade vorgestellt habe – bessere Planung, Verlässlichkeit und Setzen auf Forschung –, können wir die Industrie nachhaltig stärken und auch die Ukraine damit nachhaltig unterstützen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Philip Krämer.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7605879 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 148 |
Tagesordnungspunkt | Intensivierung der Unterstützung für die Ukraine |