Bettina HagedornSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Liebe Ministerin Svenja Schulze! Mein lieber Carsten Körber, du hattest gerade eben sechs Minuten Redezeit, aber vom Einzelplan 23 haben wir nicht so richtig viel gehört.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Carsten Körber [CDU/CSU]: Besser zuhören!)
Die Generaldebatte war heute Vormittag.
Aber ich möchte dir und euch Haushältern der CDU/CSU zu dem Gebaren, das ihr hier als Fraktion insgesamt an den Tag legt, ruhig ein paar Dinge sagen. Christian Haase, euer haushaltspolitischer Sprecher,
(Nina Warken [CDU/CSU]: Guter Mann!)
der jetzt nicht da ist, hat am 19. Januar, dem Tag nach unserer Bereinigungssitzung, wörtlich gesagt, das ganze Verfahren ist eine Farce, es ist unseriös und ungeordnet,
(Nina Warken [CDU/CSU]: Recht hat er!)
weshalb ihr euch im Rahmen der Bereinigungssitzung nur auf die Einbringung von Anträgen als Maßgabebeschlüsse beschränkt und keine weiteren Haushaltsanträge gestellt habt. So begründet er eure Arbeitsverweigerung in zwei Bereinigungssitzungen des Haushaltsausschusses
(Kerstin Radomski [CDU/CSU]: Das ist keine Arbeitsverweigerung! Anträge eingebracht heißt Anträge eingebracht! Was soll das denn?)
von insgesamt 25 Stunden mit dem Verfahren.
Nun will ich, weil hier wahrscheinlich viele zuhören, die sich mit Haushaltsverfahren nicht so genau auskennen, mal erklären: Du hast vorhin in deiner Rede zum Etat des Auswärtigen Amtes schon gesagt, dass die Kabinettssitzung zum Beschluss des Haushalts dreimal hätte verschoben werden müssen. Das ist glatt gelogen. Ihr habt hier im Juni einen Antrag eingebracht: Krise im Haushalt, die Regierung muss endlich vorlegen. – Ich habe damals dazu gesprochen – du kannst es im Protokoll nachlesen –, ich habe euch damals gesagt: Am 5. Juli haben wir den Kabinettsbeschluss. Übrigens: In den letzten 20 Jahren lag der Beschluss nahezu immer in der ersten Juliwoche vor. Also Lüge Nummer eins.
Dann hatten wir ab September ganz reguläre Haushaltsberatungen, wie wir sie immer haben, sehr solide. Man hätte sich sehr viele Anträge ausdenken können. Zu dem Zeitpunkt gab es noch kein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das kam dann allerdings, exakt einen Tag vor der Bereinigungssitzung. Das war natürlich gegenüber dem Parlament ein relativ ungünstiger Zeitpunkt.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Es war vor allen Dingen ein ungünstiger Verfassungsbruch!)
Wenn das Urteil im September gekommen wäre, hätten wir mehr Zeit gehabt und hätten damit wesentlich souveräner umgehen können. Wir haben aber das Beste daraus gemacht. Wir haben die Bereinigungssitzung am 16. November mit 16 Stunden fortgeführt.
Und wenn ihr jetzt meint, das war alles vertane Zeit, dann könnt ihr ja mal überprüfen, was aus den Beschlüssen, die wir in dieser Nacht gefasst haben, geworden ist. Sie sind nämlich im Haushalt. Die einzigen Bereiche, die mit Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wirklich etwas zu tun hatten, haben wir von vornherein ausgeklammert. Wir haben die Sitzung unterbrochen und haben sie planmäßig am 18. Januar fortgesetzt und den Haushalt dann in weiteren Stunden zu einem Ende gebracht.
Ihr bekamt die Anträge zu genau dem gleichen Zeitpunkt vorgelegt, wenn die Opposition immer die Anträge vorgelegt bekommt, auch als ihr regiert habt.
(Kerstin Radomski [CDU/CSU]: Als wir zusammen regiert haben!)
Und: Wir haben in diesen zwei Monaten zwischen Mitte November und Mitte Januar drei Anhörungen veranstaltet, drei Anhörungen! Und wir haben das Material aufgearbeitet und daraus unsere Konsequenzen gezogen. Auch von der Regierung wurden die Meinungen der ganzen Verfassungsjuristen und Ökonomen, die da angehört wurden, berücksichtigt.
Zu was hat das bei euch geführt? Zu gar nichts.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Zu nichts!)
Zu nichts. Es kamen wieder keine Anträge von euch.
(Kerstin Radomski [CDU/CSU]: Natürlich: Wir haben Anträge gestellt!)
– Ach, es gab Anträge? Ja, meine liebe Kerstin, darauf will ich noch eingehen. In Anträgen des Haushaltsausschusses – das gilt auch für die Opposition; die Grünen und die FDP waren ja lange in der Opposition, die haben das vorbildlich, seriös gemacht –
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
stehen Zahlen und es gibt eine Gegendeckung. Das, was ihr jetzt eingereicht habt, sind 60 Maßgabebeschlüsse, nur Maßgabebeschlüsse – Beschlüsse ohne Zahlen –, in denen ihr fordert, was die Regierung tun soll.
Einen Maßgabebeschluss, der den Einzelplan 23 betrifft, will ich jetzt kurz vortragen, weil er so schön ist. Ihr wolltet, dass beschlossen wird: Haushaltsmittel aus diesem Titel dürfen ausschließlich für Maßnahmen und Förderprojekte Verwendung finden, bei denen als Kooperationspartner Wirtschaftsunternehmen, Unternehmenskooperationen, Wirtschaftsverbände und/oder andere wirtschaftliche Vereinigungen beteiligt und eingebunden sind. Zweitens. Zu den Kooperationspartnern im Sinne dieses Maßgabebeschlusses zählen keine Gewerkschaften oder gewerkschaftlichen Gruppierungen.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört! Hört! – Carsten Körber [CDU/CSU]: Es heißt: Verbände der Wirtschaft! Gewerkschaften schaffen keinen Job!)
Das war einer von 60 richtig wichtigen Anträgen.
Nun ist es so, dass wir in Deutschland nicht nur eine soziale Marktwirtschaft haben, sondern auch eine solide, verlässliche Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen der Wirtschaft und den Gewerkschaften, die einen erheblichen Beitrag leisten,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
zum Beispiel, wenn es um die Rettung bestimmter Standorte oder dergleichen geht. Deswegen ist es für eine vernünftige Entwicklungszusammenarbeit, in deren Projekte wir Geld stecken,
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Sie kürzen!)
natürlich sinnvoll, dort auch die Gewerkschaften, die es in anderen Ländern teilweise in erheblichem Maße schwer haben, aber einen wichtigen Beitrag zur Demokratie leisten können, in unsere Projekte einzubinden. Und ihr wolltet das killen.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Sie kürzen das! – Carsten Körber [CDU/CSU]: Dann muss man den Titel auch so nennen!)
Das war einer von 60 Maßgabebeschlüssen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was mir wichtig ist: Das, was ihr hier gemacht habt, war Arbeitsverweigerung. Ich war auch mal vier Jahre in der Opposition, von 2009 bis 2013. Da haben wir es genau wie die Grünen und die Linken gemacht: Wir haben Anträge gestellt, die seriös waren, die gegenfinanziert waren.
Aber ich habe eine Vorstellung davon, warum ihr das nicht gemacht habt. Ihr solltet es nur ehrlicherweise sagen! Darum will ich jetzt alle aufklären: Beim Haushalt 2023 hatte die Union Anträge gestellt. Und wisst ihr, wie ihr die alle gegenfinanziert hattet? Mit den 60 Milliarden Euro, gegen die ihr vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt habt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)
Diese Gegenfinanzierung stand euch jetzt nicht mehr zur Verfügung. Darum habt ihr lieber gleich gar keine Anträge gestellt.
Aber wisst ihr was? Als wir Sozialdemokraten in der Opposition waren – da war unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übrigens unser Fraktionschef –, haben wir auch manchmal darüber gestritten, ob wir den Kurs der Regierung auch mal mittragen sollen oder nicht. Da hatten wir ebenfalls eine große Krise zu bewältigen, die Griechenlandkrise; wer sich erinnert: um 2012. Und wisst ihr, was wir – nach erheblichem Streit – gemacht haben und was auch die Grünen damals gemacht haben? Wir haben die damalige Regierung gestützt. Erst das Land und dann die Partei,
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Verantwortung!)
so sind wir immer vorgegangen,
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
wir drei Fraktionen aus der Ampel.
Das ist etwas, was ihr in eurer langen Regierungszeit offensichtlich vollkommen verlernt habt. Ich wünsche mir sehr, dass ihr in Zukunft wieder, auch in eurem Haushaltsgebaren, auf einen konstruktiven Kurs zurückfinden werdet.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Nina Warken [CDU/CSU]: Duzen wir uns jetzt alle, oder was?)
Weil wir euch nämlich brauchen. Also, wir brauchen euch nicht konkret – die Demokratie, unser Land braucht eine gute, eine konstruktive, eine ernste Opposition. Wir sind hier schließlich nicht im Karneval. Wir haben gestern und heute schon auf nationaler Ebene darüber gesprochen, wie wichtig die Demokratie ist. Die Menschen spüren aktuell, dass die Demokratie in Gefahr ist. Sie sind bereit, für sie auf die Straße zu gehen. Mit diesem Haushalt haben wir auch erhebliche Mittel in die Hand genommen, um die Demokratie zu stärken, um das jüdische Leben in Deutschland zu stärken usw.
Wir sind jetzt beim Einzelplan für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Auch da geht es um Demokratie. Und Demokratie gibt es nicht umsonst. Für den Erhalt der Demokratie müssen wir auch bereit sein, Gelder einzusetzen.
In den letzten Wochen, als die Landwirtschaftsproteste, die du auch angesprochen hast, Thema waren, habe ich von einigen Kollegen von der Union in der ein oder anderen Zeitung gelesen oder – das weiß ich nicht mehr so genau – in einer Talkshow Vergleiche gehört nach dem Motto: Warum bleibt das Geld nicht im eigenen Land? Da müsste doch mal der Rotstift bei der internationalen Zusammenarbeit oder bei der Außenpolitik angesetzt werden! – Ich finde das beschämend.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Mehr als beschämend! Unverantwortlich! – Zuruf: Für wen ist das beschämend?)
Darum will ich euch sagen: Ja, dieser Haushalt entstand unter schwierigen Rahmenbedingungen. Wir als Ampel sind stolz darauf, dass wir das bewältigt haben, dass wir in einem angemessenen Zeitfenster einen soliden Haushalt vorlegen konnten und dass wir nicht nur bei Annalena Baerbock – ihren Haushalt haben wir vorhin diskutiert – und bei Boris Pistorius,
(Nicolas Zippelius [CDU/CSU]: Ist das peinlich!)
sondern auch bei Svenja Schulze im Rahmen des Möglichen wirklich gute Prioritäten gesetzt haben.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Dazu hattet ihr uns aufgefordert – wir haben es gemacht.
(Thomas Rachel [CDU/CSU]: 1 Milliarde haben Sie gekürzt!)
Ich hoffe, dass du, liebe Svenja Schulze, mit diesem Geld international den guten Ruf, –
Liebe Frau Hagedorn.
– den wir haben, erhalten kannst.
Danke.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU]: Peinlich!)
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Dr. Michael Espendiller.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7606534 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |