Claudia RaffelhüschenFDP - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir hier vor einigen Monaten zum ersten Mal über den Bundeshaushalt 2024 berieten, sagte ich, dass wir in der Entwicklungszusammenarbeit lernen müssen, „mehr Brände zu löschen, ohne auf Kosten nachfolgender Generationen … die Wassermenge zu erhöhen“. Beides hat sich in der Zwischenzeit in aller Deutlichkeit bestätigt: Das Karlsruher Urteil verbietet uns völlig zu Recht, die „Wassermenge“ zu erhöhen.
Mit dem Hamasterror und der israelischen Reaktion darauf ist seit dem 7. Oktober 2023 ein weiterer Brand im entwicklungspolitischen Geschehen hinzugekommen.
Umso dankbarer bin ich, dass unsere Ministerin Svenja Schulze von Anfang an einen ausgewogenen und soliden Regierungsentwurf vorgelegt hat, an dem wir im parlamentarischen Verfahren nicht viel zu verbessern hatten.
(Beifall bei der FDP und der SPD)
Auch als dem BMZ im Dezember nochmals eine ganz erhebliche Sparvorgabe, von 400 Millionen Euro, gemacht wurde, haben die Ministerin und ihr Team wieder „geliefert“, es wurden schnell und pragmatisch Vorschläge für die nötigen Kürzungen vorgelegt, und die Haushälter wurden zügig und gut informiert. Dafür an dieser Stelle mein ausdrücklicher Dank und mein Respekt an das Haus!
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sinnvollerweise werden die Kürzungen im Einzelplan 23 nicht „mit dem Rasenmäher“ umgesetzt, sondern es wurde vor allem darauf geachtet, keine laufenden Projekte zu stoppen und keine festen Zusagen zurückzunehmen. Bisher erreichte Erfolge wurden damit gesichert und Kollateralschäden vermieden. In der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit, bei den UN-Organisationen, wurde der Status quo mindestens gehalten. Von daher ist die öffentliche Kritik an dieser zweiten Bereinigungsrunde zum großen Teil sachlich falsch. Eine etwas geringere Erhöhung ist nicht dasselbe wie eine Kürzung.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deutschland gefährdet übrigens auch keinesfalls seinen guten Ruf in der internationalen Zusammenarbeit – wir sind weiterhin zweitgrößter Geber in absoluten Zahlen und liegen mit unserer ODA-Quote deutlich über den USA, Frankreich und Großbritannien; um nur einige zu nennen. Auch unsere Expertise in der technischen Zusammenarbeit ist weiterhin weltweit gefragt.
Wie schwierig sich das Terrain der Außen- und Entwicklungspolitik gestaltet, zeigt uns seit dem 7. Oktober vor allem der Krieg der Hamas und damit verbunden die Frage, wie wir jeglichen Missbrauch von deutschen Entwicklungsgeldern ausschließen können. Ich bin daher sehr dankbar für die klare Haltung der Ministerin hierzu und für alle Informationen, die uns das BMZ wirklich schnell zur Verfügung gestellt hat.
(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht!)
Und es war ein gutes – wenn auch aus meiner Sicht schon damals zu schwaches – Signal, dass nun auch im Haushaltsgesetz verankert wurde, dass alle Ressorts mit allen zur Verfügung stehenden Prüfmitteln dafür zu sorgen haben, dass keine deutschen Steuergelder an Organisationen gehen, die terroristische Zwecke direkt oder indirekt unterstützen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nach den neuesten Vorwürfen gegen einige UNRWA-Mitarbeiter, die aktiv – aktiv! – am Hamasmassaker des 7. Oktober beteiligt gewesen sein sollen, bezweifle ich allerdings mehr denn je, dass solche „Signale“ im Kampf gegen den Terror der Hamas ausreichen.
(Beifall des Abg. Thomas Rachel [CDU/CSU])
Und ich glaube nicht, dass es sich bei den Beschuldigten um „tragische Einzelfälle“ handelt. Ganz im Gegenteil: Es handelt sich um die Spitze eines Eisbergs.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Markus Frohnmaier [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Die Kritik an strukturellem Antisemitismus bei UNRWA-Mitarbeitern ist schließlich nicht neu, wurde aber bisher zu leicht weggewischt, weil „nicht sein kann, was nicht sein darf“.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Kerstin Radomski [CDU/CSU])
Offensichtlich waren die Untersuchungen der Bundesregierung nach dem 7. Oktober jedoch nicht ausreichend oder nicht effektiv genug.
Liebe Frau Raffelhüschen, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der AfD?
Nein. – Hier erwarte ich insbesondere vom Auswärtigen Amt eine deutliche Verbesserung und übrigens auch ein Überdenken der eigenen Haltung zu manchen UN-Positionen und -Resolutionen. Es genügt definitiv nicht, über die Berichte des israelischen Geheimdienstes „zutiefst besorgt“ zu sein und zukünftige Zahlungen auszusetzen. Und auch die Reaktion von UNRWA-Generalkommissar Lazzarini ist nicht ausreichend.
(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Er muss zurücktreten!)
Beides muss sich ändern, und ich vertraue darauf – ich vertraue wirklich darauf –, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ihrer Verantwortung in diesem wichtigen Punkt schnell gerecht wird.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU] und Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Für die Unionsfraktion hat das Wort Hermann Gröhe.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7606537 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |