01.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 151 / Einzelplan 09

Christian Leyefraktionslos - Wirtschaft und Klimaschutz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was für ein Chaos in der Wirtschaftspolitik! Wie viele Brandbriefe hat die Bundesregierung jetzt eigentlich bekommen? Von der Stahlallianz der Länder, von den Gewerkschaften, von der Industrie! Und alle machen sich Sorgen um den Erhalt der Industrie und um den Erhalt der Arbeitsplätze. Das ist ja auch kein Wunder bei den Energiepreisen. Erst einen Wirtschaftskrieg mit dem wichtigsten Gaslieferanten führen, dann zu wenig staatliche Hilfen anbieten und dann diese Hilfen im aktuellen Haushalt noch mal reduzieren, was die Energiepreise nach oben treibt!

(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Wir führen einen Wirtschaftskrieg?)

Dass wir diese Debatte hier führen, hat doch einen Grund. Die Überschrift lautet: Es ist zu wenig Geld im Haushalt.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, weil die Wirtschaft nicht wächst!)

Die Ampel fährt lieber das Land gegen die Wand,

(Bernd Westphal [SPD]: Das kann ja wohl nicht wahr sein!)

anstatt die Milliardäre zu besteuern oder von der Schuldenbremse abzulassen.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Jeder sieht doch: Sie kriegen nicht einmal die Instandhaltung der bestehenden Infrastruktur finanziert. Es fehlen 47 Milliarden Euro für die deutschen Schulen. Es fehlen bis 2030 372 Milliarden Euro für die kommunalen Verkehrsnetze. Jede zweite Brücke ist in keinem guten Zustand. Und dann wollen Sie die rund 500 Milliarden Euro, die der ökologische Umbau mindestens kostet, aus der Portokasse bezahlen oder durch eine andere Prioritätensetzung finanzieren?

Entschuldigung, Herr Leye. Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Kollegen Banaszak?

Kollege Banaszak.

Herr Banaszak, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Leye, Sie sprechen jetzt ja für eine Partei, die am Wochenende ein Wahlprogramm beschlossen hat, in dem die Verantwortung dafür, dass in der Ukraine Menschen sterben, gar nicht eindeutig beim russischen Aggressor gesehen wird. Sie sprechen hier für eine Gruppe, die es bis heute nicht schafft, das zu verurteilen, ohne in irgendeiner Form zu relativieren.

(Amira Mohamed Ali [fraktionslos]: Einfach nicht wahr!)

Und Sie haben gerade gesagt: Diese Bundesregierung führt einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. – Ich empfinde das als eine solche Infamie!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist so dermaßen infam, in einer Situation, in der noch immer Menschen sterben, diese Täter-Opfer-Umkehr immer weiter zu betreiben. Es ist nicht Deutschland, das einen Wirtschaftskrieg gegen Russland führt. Es ist Russland, das einen brutalen, völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine führt und das einen Wirtschaftskrieg mit Deutschland, mit der Europäischen Union und mit dem Rest der Welt führt – mit Energie, mit Hungersnöten usw. Ich fordere Sie auf, diese Aussage zurechtzurücken und Täter und Opfer richtig zu benennen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Banaszak, das möchte ich sehr gerne zurechtrücken. Denn es kann nicht sein, dass Sie jedes Mal – und das gilt ja nicht nur für Sie, sondern für ganze Teile der Ampel – so an die Decke gehen, wenn jemand „Wirtschaftskrieg“ sagt.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Positionieren Sie sich mal dazu!)

Ich zitiere Robert Habeck aus dem Frühjahr des vorletzten Jahres im ZDF

(Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer führt den Krieg?)

– bitte nicht unterbrechen! –:

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Positionieren Sie sich mal!)

Wir sind „Wirtschaftskriegspartei“. – Ihr Wirtschaftsminister sagte das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Da sind Sie ja auch nicht an die Decke gegangen. Und ich bitte Sie, das im Sinne einer sachlichen Diskussion ab jetzt auch zu unterlassen. – Punkt eins.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist jetzt mit Russland und dem Angriffskrieg?)

– Lassen Sie mich ausreden!

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, kommen Sie zum Punkt!)

Punkt zwei. Niemand relativiert, wer in die Ukraine einmarschiert ist.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Es war Russland, das in die Ukraine einmarschiert ist. Aber wo wir nicht mitmachen,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das „Aber“?)

ist, die Geschichte zu vertreten, dass dieser Krieg der erste Krieg in der Geschichte der Menschheit ist, der ohne Vorgeschichte ausgebrochen ist.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Erst war Frieden, und dann war Krieg. Sie erklären diesen Krieg wie in einem „Batman“-Film: Gut gegen Böse. So kommt man aus dieser Situation nicht raus.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten – Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer führt den Krieg?)

Ehrlichkeit heißt, darauf zu antworten: Was war die Geschichte? Wie sind wir dahingekommen? Und das relativiert daran nichts.

(Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer führt den Krieg?)

Ich habe null Sympathien für die russische Regierung. Würde ich das, was ich hier tue, in Russland tun, wäre ich dort im Knast; das weiß ich. Deshalb habe ich null Sympathien für die russische Regierung, und trotzdem stehe ich hier und sage, was ist, und das ist die Aufgabe einer Opposition.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten – Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer führt den Krieg? Das war meine Frage! Wer führt den Krieg? Das können Sie nicht beantworten!)

– Ja, das können wir doch gleich noch mal in Ruhe besprechen. Das dürfte jetzt aber sehr deutlich geworden sein.

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Gar nicht! – Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht!)

Ich komme zurück zur Rede. Sie wollen also rund 500 Milliarden Euro on top aus der Portokasse oder durch eine andere Prioritätensetzung finanzieren. Jedes Unternehmen würde in so einer Situation einen Kredit aufnehmen. Aber beim Staat soll genau das Gegenteil vernünftig sein.

Das ist jetzt ein etwas peinliches Thema; aber ich denke, Herr Lindner steckt in einer toxischen Beziehung mit der Schuldenbremse, und er kann da nicht loslassen. Ich finde, jemand müsste mal ein Bierchen mit ihm trinken gehen und mit ihm darüber reden, dass es ihm nicht guttut und seinem Umfeld auch nicht.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Und weil er der Finanzminister ist, ist sein Umfeld das Land. Wir leiden alle darunter.

Danke schön.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Bernd Westphal.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7606586
Wahlperiode 20
Sitzung 151
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Klimaschutz
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