01.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 151 / Einzelplan 07

Esther DilcherSPD - Justiz und Bundesverfassungsgericht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Buschmann! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Manchmal hat es auch Vorteile, wenn man zu den Kleinsten gehört. Das Urteil aus Karlsruhe vom 15. November 2023 hatte kaum Auswirkungen auf unseren Einzelplan 07. Eng gestrickt und personallastig war beim Justizhaushalt kaum Einsparpotenzial vorhanden, um den Bundeshaushalt zu entlasten und Geld umzuschichten. Geplant war der Haushalt des BMJ – wie wir gehört haben – mit Ausgaben von über 1 Milliarde Euro, und wir haben ihn im zweiten Teil der Bereinigungssitzung um 3,9 Millionen Euro aufstocken können.

Im Zuge der parlamentarischen Beratungen wurden die ursprünglichen Kürzungen im Regierungsentwurf, zum Beispiel für HateAid, zurückgenommen. Die Förderung von 600 000 Euro wurde zwischen uns Berichterstattern der Ampel – Thorsten Lieb hat es gerade gesagt – übereinstimmend wieder in den Haushalt eingestellt.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um einen Dank an meine Mitberichterstatter Thorsten Lieb und Bruno Hönel auszusprechen, und vor allen Dingen denke ich an unsere Mitarbeitenden, die uns bei diesen langen Haushaltsverhandlungen tatkräftig unterstützt und viele Absprachen getroffen haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Auch für den Anne-Frank-Tag – die Kollegin Hoppermann hat es gesagt – am 12. Juni haben wir uns ohne Einschränkungen gemeinsam auf eine Förderung in Höhe von 345 000 Euro geeinigt. Die Grund dafür, dass wir das erst in der Bereinigungssitzung gemacht haben, war, dass wir noch Gespräche vereinbart hatten und diese gerne erst zu Ende bringen wollten. Wir hatten aber dem Projekt zugesagt, dass wir das in der Bereinigungssitzung auf dem Zettel haben. Circa 650 Schulen hatten sich zuletzt mit Aktionen gegen Antisemitismus und Rassismus beteiligt. Mit weiteren 280 000 Euro wird die Antisemitismusforschung des Anne-Frank-Zentrums in Justizvollzugsanstalten bezuschusst. Ich denke, wenn Ihnen das so wichtig war, ist es jetzt eine gute Gelegenheit, dem Justizhaushalt zuzustimmen; denn es steht ja jetzt drin.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Franziska Hoppermann [CDU/CSU]: Wenn wir titelgenau abstimmen, stimme ich dem Titel zu!)

In den Vorjahren wurde Israel beim Bau von Wohnungen für Holocaustüberlebende unterstützt. Israel hat uns signalisiert, dass Wohnungen für Holocaustopfer derzeit keiner Bezuschussung bedürfen, sondern dass Schutzanlagen benötigt werden. Wir werden dieses Geld dafür auch zur Verfügung stellen.

Die Digitalisierung im Justizbereich wird in Zusammenarbeit mit den Ländern vorangetrieben. Wir erwarten im Haushaltsausschuss demnächst die nächsten Projektvorlagen. 200 Millionen Euro insgesamt könnten in der Justiz das voranbringen, was auch in der deutschen Verwaltung dringend erforderlich ist: einheitliche, kompatible Systeme, die in Abstimmung zwischen Kommunen, Ländern und dem Bund gemeinsam entwickelt und dann auch genutzt werden können. Hier können der Justizhaushalt und das Justizministerium Vorreiter sein für das, was dann auch in anderen Bereichen in der Bundesregierung umgesetzt werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Thema beschäftigt uns auch im Einzelplan 07 seit mehreren Jahren, und zwar sehr kontrovers: unsere Stiftung Forum Recht. Sie erhält in diesem Haushalt wieder denselben Betrag wie im Jahr 2022, nämlich 3,5 Millionen Euro. Ich denke, wir sind uns einig, dass diese Mittel langfristig auch aufwachsen werden. Zurzeit gibt es dort aber einige Personalprobleme. Das ist in einer Anlaufphase auch nicht unbedingt verwunderlich; das kann schon mal passieren. Die müssen sich neu sortieren. Deswegen haben wir gesagt: Da reichen jetzt auch die 3,5 Millionen Euro, und die werden damit auskommen.

Zuversichtlich stimmt mich, dass die Baupläne für Leipzig und Karlsruhe voranschreiten; das sind nämlich auch Investitionen in unseren Rechtsstaat, in einen Staat, in dem man sich auf die Gesetze und deren Einhaltung verlassen kann. Die Stiftung will der Bevölkerung, Schülerinnen und Schülern, Studenten – also, wir sagen ja Studierenden –

(Zuruf von der AfD)

und vielen anderen Menschen nahebringen, was dieser Rechtsstaat tatsächlich für eine Bedeutung hat. Ich denke, das darf man nicht kleinreden, sondern man muss es jeden Tag immer wieder allen Menschen vor Augen führen, sie in diesen Prozess mit einbinden, Menschen ausbilden, die das dann auch weitertragen können, also Multiplikatoren schaffen, und das alles durch Kommunikation, Dokumentation und Information.

Der Rechtsstaat ist Grundvoraussetzung für eine lebendige Demokratie. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie – das hören wir hier von allen Parteien – gibt es nicht kostenlos, und sie ist uns offenbar allen sehr, sehr wichtig.

Gestern in der Gedenkstunde haben mich die Worte von Eva Szepesi und Marcel Reif tief ergriffen. Eine Holocaustüberlebende erklärt uns hier im Haus, dass sie nicht hassen kann, weil sie als Kind so viel Liebe erfahren hat. Ein Opfer ist uns Vorbild, wie wir miteinander und mit den Gegnern des Rechtsstaats umgehen: einmischen, hinsehen und auf keinen Fall schweigen! Das hat sie uns mit auf den Weg gegeben. Marcel Reif gab uns mit: „Sei ein Mensch!“ Ich habe bei vielen Abgeordneten die tiefe Ergriffenheit gespürt und auch einige Tränen gesehen. Ich wünsche uns, dass auch wir uns im Umgang miteinander diesen Respekt gewähren,

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und bei fraktionslosen Abgeordneten)

aber gleichwohl die Missstände bei Gefahr für unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie anprangern. Wir alle lieben unser Land; deshalb lasse ich mir auch von einer Frau Weidel nicht sagen, wie gestern geschehen, dass die Regierung – dass überhaupt eine Regierung in Deutschland – Deutschland hasst. Ich finde das unwahrscheinlich anmaßend.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Fabian Jacobi [AfD]: Sie wissen schon, wie ein Spiegel funktioniert, oder? Schauen Sie mal rein!)

Demokratie ist uns Sozialdemokraten sehr viel wert. In diesem Zusammenhang und in dieser Zeit, wo über 1 Millionen Menschen auf die Straße gehen, um für unsere Demokratie zu streiten und für deren Erhalt zu kämpfen, ist es mir wichtig, an den 23. März 1933 zu erinnern, als die Abgeordneten der SPD-Fraktion gegen die Ermächtigungsgesetze gestimmt haben, unter dem Eindruck massivster Bedrohung. Ich weiß nicht, ob ich dazu in der Lage gewesen wäre, wenn ich solche Angst um mein Leben gehabt hätte. Ich finde das sehr mutig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Am Dienstag hat Bundestagspräsidentin Bärbel Bas mit Zeitzeugen die Ausstellung zur Erinnerung an die Kindertransporte vor 85 Jahren nach England eröffnet: „I said, ‚Auf Wiedersehenʼ“.. Einen kleinen Koffer und 10 Reichsmark, mehr durften die jüdischen Kinder nicht auf ihre Reise nach Großbritannien mitnehmen aus einem Land, in dem der Rechtsstaat abgeschafft war – eine Reise, die ihnen das Überleben sicherte vor der Verfolgung der Nazis und die sie zum großen Teil für immer von ihren Eltern trennte. Welche Ängste und Gefühle begleiten Kinder und Eltern in dieser Zeit? Ich kann und will mir das eigentlich gar nicht vorstellen.

Ich habe mal in Kürschners Volkshandbuch geschaut und festgestellt, dass in unseren Abgeordnetenreihen circa 45 Abgeordnete durchaus nicht Meier, Müller, Schmidt heißen, sondern – durch alle Parteien hinweg – allein aufgrund ihres Namens mit irgendeinem Migrationshintergrund in Verbindung gebracht werden könnten. Und diese Menschen müssen mittlerweile Angst haben, als Deutsche in diesem Land nicht mehr in Frieden leben zu können,

(Enrico Komning [AfD]: Schwachsinn!)

nach diesen Konferenzen, die es in der Nähe von Potsdam gegeben hat. Anfeindungen sind da.

(Enrico Komning [AfD]: Das ist doch Blödsinn! Das wissen Sie doch!)

– Ja, ich weiß: Dann fragen Sie mal unseren Kollegen Karamba Diaby, wie oft ihm schon in seinem Wahlkreisbüro die Scheiben eingeworfen worden sind.

(Enrico Komning [AfD]: War der dabei, oder was?)

– Es geht darum, dass diese Menschen Angst haben. Und ich finde, Angst kann man nicht einfach wegreden, sondern man muss diese Menschen ernst nehmen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Enrico Komning [AfD]: Sie machen die Angst!)

Die Gedanken sind frei. Unser Grundgesetz schützt Meinungs- und Pressefreiheit. Aber dies alles endet dort, wo die Rechte anderer Menschen verletzt werden. Unser Rechtsstaat wird die Rechte aller Menschen in unserem Land schützen. Das wird der Haushalt des BMJ zeigen, auch wenn er klein ist. Er wird seinen Teil dazu beitragen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Bruno Hönel für Bündnis 90/Die Grünen ist der nächste Redner.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7606622
Wahlperiode 20
Sitzung 151
Tagesordnungspunkt Justiz und Bundesverfassungsgericht
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