01.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 151 / Einzelplan 07

Carsten MüllerCDU/CSU - Justiz und Bundesverfassungsgericht

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst kurz etwas zum Kollegen Dr. Lieb sagen. Es hat uns schon sehr verwundert, dass im Regierungsentwurf zum Haushalt im zeitlichen Umfeld des 7. Oktober die Mittel für das Anne-Frank-Zentrum auf null gesetzt worden sind.

(Zuruf von der FDP: Das stimmt doch gar nicht!)

Es war das Verdienst der Unionsfraktion, dass wir darauf hingewiesen und eine öffentliche Diskussion darüber angestoßen haben.

(Esther Dilcher [SPD]: Blödsinn! Das stimmt doch gar nicht!)

Ehrlich gesagt, mir wäre es ein Stückchen zu peinlich, „Blödsinn“ reinzurufen, Frau Kollegin Dilcher,

(Esther Dilcher [SPD]: Mir nicht!)

weil es nämlich so war. Ihnen ist es nicht zu peinlich; das spricht aber für mich und gegen Sie in diesem Fall.

(Beifall bei der CDU/CSU – Esther Dilcher [SPD]: Wir haben es in der letzten Legislaturperiode gemeinsam auf den Weg gebracht!)

Ich freue mich, dass Sie das korrigiert haben, aber das ist ein weiterer Beleg für Ihre eher erratische Rechtspolitik. Ich will Ihnen ein paar Beispiele geben. Ihre Rechtspolitik ist in erster Linie geprägt vom Ankündigen; das klappt. Das Umsetzen klappt nicht, vielmehr führen Ideenlosigkeit und grundsätzliche Uneinigkeit in der Ampelkoalition die Feder. Wir sind als Unionsfraktion übrigens nicht alleine mit dieser Einschätzung. Ich möchte Ihnen mal einige Attribute nennen, die in den zahlreichen Sachverständigenanhörungen – im Übrigen auch von Ihren eigenen Sachverständigen – für Ihre Rechtspolitik und Ihre gesetzgeberischen Vorschläge gefunden werden. Da werden – ich zitiere mit Zustimmung der Präsidentin – die Worte „unzureichend“, „praxisfern“ und „nicht zielführend“ regelmäßig verwendet.

Meine Damen und Herren, ich will gerne einige konkrete Beispiele nennen, etwa das Statement der Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte zu Ihrem Referentenentwurf zur Regelung des Einsatzes von V-Leuten. Ich zitiere auch da mal, um es zu untermauern, einige zentrale Aussagen: In der Stellungnahme heißt es, der Referentenentwurf zeuge „von mangelndem Praxisverständnis“. Eine rechtsstaatliche Balance sei kaum noch zu erkennen. – Das war durchweg das Urteil der Sachverständigen, die wir angehört haben. Meine Damen und Herren, das ist eben Kennzeichen für Ihre Rechtspolitik: Sie ist praxisfern und einseitig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es kam ja auch nicht von ungefähr, dass der erste markante Bruch Ihres Koalitionsvertrages den rechtspolitischen Bereich betraf. Es ging nämlich um die Rücknahme des Paktes für den Rechtsstaat. Der Kollege Dr. Lieb hat eben versucht, sich dafür feiern zu lassen, dass Sie in diesem Jahr 50 Millionen Euro für die Digitalisierung vorsehen. Ich will Ihnen gerne vorhalten, was Vertreter Ihrer heutigen Regierungskoalition noch im Jahr 2019 gefordert haben. Die Kollegin Baerbock – sie betätigt sich ja im Moment auf anderen Feldern – hatte im Jahr 2019 gefordert, es müsse für den Pakt für den Rechtsstaat den Betrag von 400 Millionen Euro geben,

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

und zwar nicht, wie Sie es jetzt für den angeblichen Pakt für den digitalen Rechtsstaat vorgesehen haben, für die gesamte Wahlperiode, sondern pro Jahr. Sie sind bei 12,5 Prozent Ihrer eigenen Forderung angekommen, meine Damen und Herren. Das ist noch weniger, als Ihre Regierungskoalition im Moment Zustimmung bekommt. Ich will die Zahl der Kollegin Hoppermann zitieren, die ich eher für optimistisch halte: Sie sagte, für Ihre konkrete Politik fänden Sie bei 21 Prozent der Bevölkerung Zustimmung.

Meine Damen und Herren, ich will einige andere Punkte aufzählen, den Kampf gegen Kinderpornografie beispielsweise. Wir haben die Diskussionen in der jüngeren Vergangenheit mehrfach geführt; ich sehe den von mir geschätzten Kollegen Fiedler aus den Reihen der SPD-Fraktion.

Ich wünsche mir, dass Sie erstens mit eigenen Vorschlägen kommen und sich nicht in weiterer Arbeitsverweigerung üben und dass Sie zweitens neben den Hinweisen von uns Unionsrechtspolitikern zu diesem Thema auch auf Ihren Kollegen Fiedler hören. Sie kommen hier mit so einer luftigen Forderung nach Quick Freeze.

Wir hören allenthalben, dieses Verfahren sei vollkommen untauglich. Der Kollege Dr. Lieb – ich spreche ihn jetzt zum dritten Mal an – hat dies zwar beim letzten Mal noch angeführt, aber auch das ist eben praxisfern. Sie schützen Täterinnen und Täter. Wir wollen die Kinder schützen. Deswegen ist es wichtig, dass wir IP-Adressen speichern.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP])

Und wenn Sie behaupten, es gehe um Vorratsdatenspeicherung, dann zeigt das: Entweder sind Sie böswillig, oder Sie sind rechtspolitisch komplett unbeschlagen. Das ist etwas völlig anderes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, unzählige offene Baustellen kennzeichnen die Rechtspolitik. Ich will beispielsweise die Einführung der digitalen Dokumentation in strafrechtlichen Hauptverhandlungen nennen. Da lassen Sie die Länder vollkommen allein. Auch dort bekommen Ihre Gesetzentwürfe das Prädikat „praxisfremd“.

Meine Damen und Herren, bei dem einen oder anderen Vortrag wurde etwas halbherzig das Thema Bürokratieabbau genannt. Ich will jetzt auf die Widersprüchlichkeiten in den Vorhaben, beispielsweise beim sogenannten Selbstbestimmungsgesetz oder der Sanktionsdurchsetzung, gar nicht zu sprechen kommen. Auch beim Thema Elementarschäden sind Sie nach über zwei Jahren vollkommen blank.

Aber Sie haben sich eine großartige Sache überlegt: Sie wollen die Kfz-Pflichtversicherung für selbstfahrende Arbeitsmaschinen einführen. Das ist ein an sich etwas abseitiges Thema. Aber was machen Sie? Sie wollen also einen großen Aufwand betreiben für – ich will es Ihnen mal runterbrechen – ein Schadensvolumen von 30 000 Euro, das in den letzten fünf Jahren angefallen ist. Fünf Jahre sind länger als der Zeitraum, an den sich der Bundeskanzler selbst bei größter Anstrengung erinnern kann.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja megakomisch!)

Sie wollen diesen Aufwand abdecken, indem 19 Millionen Bearbeitungsfälle ausgelöst werden, und zwar auf Versicherer- und Versichertenseite. Und dann reden Sie hier von Bürokratieabbau? Das ist ja schlechterdings lachhaft, meine Damen und Herren. Sie ergehen sich im bürokratischen Wahnsinn.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine Hoffnung mit auf den Weg geben. Ich hoffe beispielsweise, dass der Bundesjustizminister jetzt etwas zur katastrophalen Personalausstattung im BMJ sagt. Eine Vielzahl von Stellen ist dort unbesetzt. Das sind Themen, die in einer Haushaltsberatung eine Rolle spielen sollten. Dazu haben beispielsweise die Berichterstatter in der Regierungsfraktion gar nichts gesagt. Das ist Beweis und Ausweis Ihrer schlechten Rechtspolitik.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die Bundesregierung hat nun das Wort der Bundesminister der Justiz, Dr. Marco Buschmann.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7606624
Wahlperiode 20
Sitzung 151
Tagesordnungspunkt Justiz und Bundesverfassungsgericht
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