Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Justiz und Bundesverfassungsgericht
Liebe Frau Präsidentin! Liebes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal! Ich kann Ihre Frage beantworten, lieber Kollege: In meinem Wahlkreis hat es eine große Anzahl von Demonstrationen gegeben, und immer ist ein breites gesellschaftliches Bündnis als Veranstalter aufgetreten, natürlich auch unter Beteiligung von Parteien, aber auch mit den Kirchen, den Gewerkschaften und den Vereinen vor Ort.
(Fabian Jacobi [AfD]: Da sollte man langsam Angst bekommen!)
Man sah auch an den Menschen, die gekommen sind, dass sie sich nicht haben schicken lassen. Viele von ihnen sind in ihre Keller gegangen und haben aus einem alten Umzugskarton ein Plakat gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei fraktionslosen Abgeordneten)
Und man merkte wirklich: Es war allen ein Anliegen, sich für Demokratie, für den Rechtsstaat und gegen Rechtsextremismus einzusetzen und ganz ausdrücklich ein Bekenntnis abzugeben für das gemeinsame Leben in unserem Land, auch mit Menschen, die von woanders hergekommen sind.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Herr Minister, zwei Drittel der Wahlperiode sind um, und es gab schon mal bessere Zahlen, wenn es um das Vertrauen in die Justiz geht. Statista spricht von 63 Prozent. Für die Bundesregierung wäre das ein super Wert. Aber die Justiz ist eigentlich Besseres gewohnt. Bezogen auf den Bereich „Strafrecht und Opferschutz“, besagt etwa der jährliche Report einer bekannten Versicherung, dass 45 Prozent der Menschen die Urteile für zu milde halten. Die Professorinnen Hoven und Rostalski berichten aus ihren Untersuchungen, dass die Menschen, denen sie konkrete Strafrechtsfälle vorgelegt haben, zu anderen Ergebnissen gekommen seien. Sie hielten die Urteile auch für zu milde. Vor allem seien die Auswirkungen auf die Opfer bei Sexualstraftaten zu gering bewertet.
Wir hatten in der letzten Sitzungswoche im Ausschuss eine Anhörung zum Thema Antisemitismus. Ein Antrag der Unionsfraktion diente als Grundlage. Trotz unterschiedlicher Bewertung durch die Sachverständigen im Einzelnen herrschte durchgängig die Auffassung, dass die bisherigen Ermittlungen und Sanktionen in Bezug auf antisemitische Taten nicht ausreichend, nicht angemessen sind. Wir haben einen Antrag vorgelegt, der ganz konkrete gesetzliche Änderungen vorschlägt, um angemessen zu reagieren, gerade auch unter dem Eindruck der Vorkommnisse vom 7. Oktober und der antisemitischen Demonstrationen in unserem Land. Und bei aller Freude, die ich teile, über die weitere Förderung und den Erfolg des Anne-Frank-Zentrums fehlen mir hier konkrete Vorschläge von Ihnen, was wir tun sollen, um darauf angemessen zu reagieren und dieses Verhalten in unserem Land nicht zuzulassen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie stärken weder den Schutz der Opfer noch die Ermittler, im Gegenteil: Sie legen einen Entwurf vor, der den Einsatz von verdeckten Ermittlern und Vertrauensleuten erschweren würde. Diese sind aber unverzichtbar im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Das gilt für Drogen, Waffenhandel, Geldwäsche, Menschenhandel, auch für Wirtschafts- und Umweltkriminalität, bei Staatsschutzdelikten und Terrorismusbekämpfung. Es wurde schon gesagt: Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis werfen Ihnen hier ein mangelndes Praxisverständnis vor und befürchten, dass auf die verdeckten Ermittlungsmethoden nicht mehr zugegriffen werden kann. Das hätte schlimme Folgen für unsere Sicherheit und auch für den Opferschutz.
(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Täterschutz statt Opferschutz!)
Wir haben hier schon mehrfach durchdekliniert, dass Sie die Regelung für die befristete Speicherung und Nutzung von IP-Adressen nicht umsetzen wollen, die der EuGH ausdrücklich für zulässig erklärt hat.
(Dr. Thorsten Lieb [FDP]: Aber nicht für sechs Monate!)
Und weil die IP-Adressen nicht verfügbar sind, laufen Tausende konkrete Hinweise auf Nutzer von Kindesmissbrauchsdarstellungen – das sind Täter – ins Leere. Aber auch unabhängig davon haben wir eine absolute Zunahme der Kriminalität im Netz, etwa bei Cyberangriffen auf Unternehmen, Kliniken und Behörden. Deshalb brauchen wir die entsprechenden IP-Adressen.
Das gilt ebenso für digitale Gewalt im Netz. Sie schreiben in Ihrem Entwurf doch selber, wie wichtig es ist, die Täter zu ermitteln, und dass dafür die IP-Adresse die einzige Möglichkeit ist. Hier geht es darum, Jugendliche vor Mobbing und Frauen davor zu schützen, in Deepfakes diskreditiert zu werden, aber auch Politiker, die ständig Ziel von Angriffen sind. Ich will positiv anmerken, dass HateAid weiter unterstützt wird. Aber wir brauchen eine belastbare Regelung im Gesetzentwurf. Einigen Sie sich doch bitte mit der Innenministerin. Wir brauchen eine sichere Regelung für die Speicherung von IP-Adressen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte noch ganz kurz auf ein anderes Thema, das uns alle interessiert – Herr Hönel sprach es an –, zurückkommen. Wir müssen uns in der Tat Gedanken machen, wie wir die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts stärken können. Ich will das hier wegen mangelnder Zeit nicht weiter ausführen; aber wir bleiben dazu in Kontakt und werden eine gute Lösung finden.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der nächste Redner ist für die SPD-Fraktion Macit Karaahmetoğlu.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
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Electoral Period | 20 |
Session | 151 |
Agenda Item | Justiz und Bundesverfassungsgericht |