Macit KaraahmetoğluSPD - Justiz und Bundesverfassungsgericht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal festhalten, dass es mir gut gefällt, wenn Herr Espendiller als AfD-Abgeordneter in seiner Rede die AfD kritisiert mit dem Hinweis, dass es einem Land wie Argentinien jahrzehntelang gutging, bis man die falsche Partei gewählt hat. Das ist wirklich gut.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Fabian Jacobi [AfD]: Das war jetzt Selbstkritik, oder?)
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich könnte an dieser Stelle die üblichen Fun Facts zum Einzelplan 07 präsentieren, zum Beispiel dass er der kleinste Etat im Bundeshaushalt ist. Vieles davon hätten Sie heute bereits von anderen Rednern und in vorigen Haushaltsdebatten vernommen. Deshalb möchte ich das öffentliche Wort an dieser Stelle anders nutzen und aus aktuellem Anlass unterstreichen, weshalb dieser kleine Etat von so großer Bedeutung ist. Mit jedem Cent, den wir hier veranschlagen, stärken wir unseren Rechtsstaat. Ob Bundesgerichtshof, Generalbundesanwalt oder Bundesverfassungsgericht, der Einzelplan umfasst die wichtigsten Institutionen unseres Rechtsstaats.
Dass unser Rechtsstaat zunehmend unter Beschuss steht, haben mittlerweile nicht nur alle demokratischen Fraktionen in diesem Haus erkannt, sondern auch immer mehr Menschen in Deutschland. Man muss sich in der europäischen Nachbarschaft nicht sonderlich weit umsehen, um zu erkennen, was passiert, wenn rechtspopulistische Regierungen am Fundament der Rechtsstaatlichkeit rumwerkeln, um ihre eigene Macht zu zementieren; darauf hat Justizminister Buschmann schon hingewiesen. Das muss für manche in diesem Haus wie ein Wunschtraum klingen. Für eine weltoffene, freie Gesellschaft wäre es ein Albtraum, vor allem für viele Millionen Menschen, die in ihr leben, aber von den Regierenden nicht mehr gewollt wären.
Viele in diesem Hause – auch meine Person – gehören zu denjenigen, die Rechtsextreme gerne aus ihrem Land werfen würden. Ich persönlich nehme das recht gelassen hin, und zwar vor allem aus zwei Gründen:
Erstens weiß ich, dass es eben nicht ihr Land ist. Das wird ganz deutlich, wenn ich sehe, dass in den letzten Tagen über 1 Million Menschen in ganz Deutschland auf die Straße gegangen sind und dass das immer mehr Menschen tun, um gegen diesen rechten Sumpf zu demonstrieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und bei fraktionslosen Abgeordneten)
Die Menschen tun das, um laut und stark zum Ausdruck zu bringen: Das wird nie, nie, nie ihr Land sein, wie rechte Kreise es gern hätten. Die rechtsradikalen Demokratiefeinde werden nie mehr die Geschicke unseres Landes bestimmen, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und bei fraktionslosen Abgeordneten)
Zweitens. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es gemeinsam schaffen werden, als Anständige, als Menschenfreunde, als Demokraten so sehr für die Werte unserer offenen Gesellschaft und das Geschenk unseres Rechtsstaates einzutreten, dass immer weniger Menschen diesen unseligen Rattenfängern anheimfallen.
(Lachen des Abg. Fabian Jacobi [AfD] – Fabian Jacobi [AfD]: Sie können es einfach nicht lassen mit den Tiervergleichen!)
Aber ich gebe zu: Nicht jeder ist derzeit so kämpferisch und optimistisch gestimmt, wie ich das bin. Für viele Menschen ist durch die bekanntgewordenen Deportationsfantasien rechter Kreise die Bedrohungslage unerträglich geworden. Ich hatte im Herbst letzten Jahres eine Gruppe faszinierender junger Menschen bei mir im Bundestag zu Gast, allesamt aufstrebende, talentierte Berufseinsteiger, junge, erfolgreiche Menschen mit Wurzeln in allen Teilen unserer Welt, die von der Deutschlandstiftung Integration ein Stipendium erhalten haben. Viele von ihnen haben mich schon damals gefragt, wie ich den erkennbaren Rechtsruck in unserem Land einordne. Sie äußerten große Sorgen, und einige schmiedeten sogar einen Plan B, nach dem sie für den Fall, dass sie hier nicht mehr sicher wären, Deutschland verlassen würden.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich glaube, fast jeder der hier Anwesenden kennt Menschen, die sich genau mit diesen Ängsten herumschlagen müssen.
(Fabian Jacobi [AfD]: Ängste, die Sie und Ihre Regierung Tag und Nacht befeuern!)
Ganz ehrlich: Das zerreißt mir wirklich das Herz. Ich frage mich: Wie kaltblütig und wie verroht muss man sein, um an solchen konspirativen Treffen teilzunehmen oder seine Mitarbeiter dorthin zu schicken! Wer über die Zwangsvertreibung von Millionen Menschen fabuliert und daran nichts Schlimmes erkennen mag, dem ist wirklich alles verloren gegangen, was den Menschen zum Menschen macht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ich habe schon damals den Frauen und Männern von der Deutschlandstiftung gesagt: Wollt ihr Deutschland, ein Land, in dem ihr mehrheitlich geboren seid, ein Land, von dem ihr zu Recht sagen könnt, dass es euer Land ist, wollt ihr dieses Land im Stich lassen? Und wollt ihr die Mehrheit in der Mitte der Gesellschaft, die Menschen jeder Herkunft zugewandt ist, wollt ihr diese Menschen alleine lassen im Kampf gegen die Feinde unserer Demokratie? Das darf und das kann keine Option sein.
Es gibt mir persönlich viel Kraft, wenn ich jeden Tag in Deutschland höre: Wir lassen die von den Rechtsradikalen bedrohten Menschen mit ausländischen Wurzeln in unserem Land nicht alleine. – Ich erwidere als ein Bürger dieses Landes mit ausländischen Wurzeln: Wir lassen die Demokraten, die anständigen Menschen in unserem Land nicht alleine mit der rechten Bedrohung, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und bei fraktionslosen Abgeordneten)
Ich jedenfalls habe keinen Plan B. Ich bleibe hier und kämpfe für eine wehrhafte Demokratie und einen funktionierenden Rechtsstaat.
(Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])
Schon die Chance, das hier in der Debatte öffentlich zum Ausdruck zu bringen, macht den Einzelplan 07 so wertvoll.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Tobias Matthias Peterka hat für die AfD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7606635 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 151 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Bundesverfassungsgericht |