21.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 153 / Zusatzpunkt 1

Fabian FunkeSPD - Aktuelle Stunde - Folgen aus dem Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Seit Tag eins seiner politischen Arbeit war Alexej Nawalny Zielscheibe des autoritären Repressionsapparats des russischen Staates: Bedrohung, öffentliche Diffamierung, Inhaftierung, politische Verfolgung, Berufsverbot, Unterdrückung der Versammlungsfreiheit, die Nichtzulassung zu Wahlen, Mordanschläge, Vergiftungen, Straflager, Folter, Tod – und selbst im Tod die Verwehrung von Würde und Frieden.

Was Alexej Nawalny dem jedoch immer mit aller Kraft entgegensetzte, war sein Mut. Er blickte seinem Schicksal in vollem Bewusstsein für die Konsequenzen seines Handelns ins Auge. Er forderte das russische Regime immer wieder heraus. Er schaffte mit seinem eigenen Leben maximale Sichtbarkeit für das Unrecht, unter dem Millionen seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger lebten. Spätestens nachdem er sich im Jahr 2021 dazu entschied, aus Berlin nach Russland zurückzukehren, im vollen Wissen, dass ihn in letzter Konsequenz der Verlust seines eigenen Lebens erwarten würde, erlangte sein Mut eine Größe, der Worte nicht im Ansatz gerecht werden können. Es ist genau dieser furchtlose Mut, für den wir Alexej Nawalny hier und heute würdigen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Auch im Tod bleibt Alexej Nawalny ein Mensch geprägt von Widersprüchen und Grautönen – manche heller, manche dunkler. Alexej Nawalny bezeichnete sich selbst als russischen Nationalisten. Er vertrat Ansichten, die ich persönlich und meine Partei uns nie zu eigen machen werden. Gleichzeitig war er jedoch ein entschiedener Antiimperialist, der eine Vision eines zukünftigen Russlands zeichnete, von dem nie wieder Krieg, Aggression und Herrschaftssucht über seine Nachbarn ausgehen dürfen.

(Martin Sichert [AfD]: Wie bei der AfD!)

Er sah die Krim als russisch, verurteilte aber mit allem Nachdruck ihre militärische Annexion und die anschließende Inszenierung von unfreien Referenden, die diese völkerrechtswidrige Grenzüberschreitung nachhaltig rechtfertigen sollten. Und er war ab der ersten Sekunde trotz seiner Inhaftierung einer der lautesten und schärfsten Gegner des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Seine Aufrufe an seine Mitbürger, auf die Straße zu gehen und sich den imperialen Wahnvorstellungen des russischen Regimes entgegenzustellen, konnten von keinen Gefängnismauern dieser Welt zurückgehalten werden.

Das Vermächtnis und der Tod Alexej Nawalnys sind eine Mahnung an uns alle. Zum einen sind sie eine Mahnung, dass wir im Umgang mit dem russischen Regime, für das ein Menschenleben nichts wert ist, nicht blauäugig sein dürfen, wie wir es vielleicht in der Vergangenheit das ein oder andere Mal gewesen sind, wenn es darum geht, welche Ziele es verfolgt – mit dem Zutrauen, diese tatsächlich zu erreichen –, und dass es aus mehr besteht als der Person Wladimir Putin. Noch im September 2022 richtete sich Alexej Nawalny mit dieser Mahnung direkt an uns. Ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren:

„… die wahre Partei des Krieges ist die gesamte Elite, das Machtsystem, das den imperialen russischen Autoritarismus erst hervorbringt. Einen Autoritarismus, der sich ständig selbst reproduziert. … Dieser selbst geschaffene imperialistische Autoritarismus ist der wirkliche Fluch, der auf Russland lastet, die Ursache all seiner Übel.“

Alexej Nawalny selbst wird den Kampf gegen dieses Übel nun nicht mehr fortsetzen können. Sein Erbe ist es, Millionen von Menschen in Russland und der ganzen Welt das hässliche Antlitz dieses Machtsystems immer und immer wieder entblößt zu haben.

Zum anderen müssen das Werk und der Tod Alexej Nawalnys uns eine Mahnung für den Umgang mit unserer eigenen Demokratie sein,

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, da haben Sie recht!)

eine Mahnung, dass die Stärke eines Staates in den Rechten seiner Bürgerinnen und Bürger gemessen werden muss, nicht in der Stärke seiner Schlagstöcke,

(Stephan Brandner [AfD]: Sagen Sie das Frau Faeser! Frau Faeser hört zu!)

dass eine Demokratie nicht nur aus Institutionen besteht, sondern insbesondere aus Bürgerinnen und Bürgern, die genau hinsehen, wenn diejenigen, die Macht ausüben, sich an dieser bereichern und berauschen,

(Zuruf von der AfD: Sehr gut!)

dass die Demokratie nur überleben kann, wenn sie nicht nur mutig spricht, sondern auch mutig handelt. Ich finde, gerade in den letzten Wochen sind die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus

(Stephan Brandner [AfD]: … völlig aus dem Ruder gelaufen!)

und faschistische Ideologie ein großartiges Beispiel für genau diese Tatsache.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Münzenmaier [AfD]: Wie die Regierung gegen die Opposition demonstriert! – Stephan Brandner [AfD]: Die Regierung gegen die Opposition auf der Straße, wie in Russland! – Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Mögen wir die Kraft in uns finden, den gleichen furchtlosen Mut für die Demokratie aufzubringen wie Alexej Nawalny!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die Unionsfraktion hat das Wort Knut Abraham.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Lechte [FDP])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7607123
Wahlperiode 20
Sitzung 153
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Folgen aus dem Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny
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