Lars RohwerCDU/CSU - Dänisches Modell für Stadt- und Wohnungsbaupolitik
Glück auf, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der AfD ist an rechtsextremen Positionen in meinen Augen kaum zu überbieten.
(Zurufe von der AfD)
Die Zwangsumsiedlung von bestimmten Bevölkerungsgruppen, die hier vorgeschlagen wird, ist einfach menschenverachtend.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Caren Lay [Die Linke])
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?
Wenn der Kollege das möchte.
(Brian Nickholz [SPD]: Er hat doch schon geredet!)
Sehr geehrter Herr Kollege, zunächst danke ich Ihnen, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade gesagt, unser Antrag sei an rechtsextremen Positionen nicht zu überbieten. Dazu hätte ich eine kurze Frage.
Friedrich Merz ist Ihr Fraktionschef; meines Wissens ist er das ja noch. Er sagt, er will die Asylpolitik auf dänische Art. JU-Chef Johannes Winkel – auch CDU-Mann – sagt:
„Deutschland braucht die Dänen-Wende! Ausgerechnet das sozialdemokratisch regierte Dänemark fährt einen Migrations- und Integrationskurs, der Vorbild für Deutschland werden kann.“
CSU-Landesgruppenchef Dobrindt – auch in Ihrer Fraktion – sagt: „Wir sind uns einig, dass wir deutlich mehr vom erfolgreichen dänischen Modell übernehmen wollen“. Zitat Ende.
(Beifall bei der AfD)
Jetzt stellt sich mir die Frage: Sind etwa die Hälfte in Ihrer CDU/CSU-Fraktion und alle genannten Führungskräfte Rechtsextremisten, oder war das einfach nur plumpe Propaganda, die Sie gerade von sich gegeben haben?
Danke schön.
Vielen Dank für Ihre Frage. – Es war in keiner Weise plumpe Propaganda, vielmehr betreiben Sie hier die plumpe Propaganda.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP und der Abg. Anja Liebert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Denn wir reden hier ganz klar über die Stadtentwicklungspolitik, während das, was Sie gerade zitiert haben, die Zuwanderungs- und Integrationspolitik betrifft. Ich glaube, das ist eine andere Veranstaltung, und die haben Sie heute nicht beantragt. Ich habe das gelesen, was in Ihrem Antrag steht. Ich werde Ihnen im Weiteren vortragen, was nach unserem Grundgesetz nicht möglich ist, aber in Ihrem Antrag steht. Hören Sie aufmerksam zu!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Anja Liebert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Jörn König [AfD]: Sind die Dänen alle rechtsextrem?)
Aber trotzdem noch mal die Frage an Sie: Ab wann gehört man denn Ihrer Meinung nach zu den 70 Prozent westlicher Herkunft? Wollen Sie den Greis mit knapp 90 Jahren umsiedeln,
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Das ist doch dänische Sozialdemokratie!)
weil er in Afghanistan geboren ist, oder lieber den voll integrierten Studenten aus dem Libanon, kurz vor seinem Medizinabschluss,
(Zuruf des Abg. René Bochmann [AfD])
oder den Bauingenieur aus Syrien? Ab wann ist man denn westlicher Herkunft? Nach fünf Jahren? Nach zehn Jahren? Oder erst in der fünften Generation? Ich sehe keine Antwort bei Ihnen.
(Jörn König [AfD]: Machen Sie mal eine Reise nach Dänemark, und fragen Sie da nach!)
Mit der Umsiedlung von Menschen werden individuelle und gesellschaftliche Probleme eben nicht gelöst. Menschen mit Migrationsbiografie, die sich integrieren wollen, haben deshalb noch keinen Arbeitsplatz und sprechen deshalb noch nicht fließend Deutsch. Hier müssen wir ansetzen; das Thema müssen wir angehen. Ein statistisches Ausdünnen, ohne zu wissen, welchen Effekt die Auflösung sogenannter Ghettos
(Zuruf des Abg. Mike Moncsek [AfD])
für die betroffenen Menschen und die Gesellschaft hat, ist noch keine Lösung. Es ist wie immer in Anträgen der AfD: Sie legen in einem Punkt den Finger in die Wunde und haben keine praktikable Lösung. Schämen Sie sich!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der AfD)
Aus meiner Sicht gibt es Stadtteile und dörfliche Kommunen, die an ihre Belastungsgrenzen gekommen sind. Auch ich habe mit Gorbitz – 35 000 Einwohner – so ein Gebiet in meinem Wahlkreis. Es macht daher Sinn, Stadtteile nach messbaren Faktoren wie niedrigem Durchschnittseinkommen, geringem Bildungsabschluss, hoher Arbeitslosigkeit und viel Kriminalität zu betrachten,
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Also doch nicht so rechtextrem, sondern vernünftig!)
um Entwicklungen hin zu sozial schwachen Stadtteilen entgegenzuwirken.
Willkürlich finde ich es jedoch, Stadtteile nach bloßer Herkunft der Bevölkerung zu bewerten.
(Jörn König [AfD]: Das hat doch gar keiner gesagt! Reine Fake News, Herr Rohwer!)
Die bloße Herkunft darf nicht zum unüberwindbaren Nachteil werden. Niemand kann etwas für seine Herkunft. Nein, mit Ihrem Vorschlag fühlen sich die Menschen stigmatisiert, und sie fühlen sich fremd. Das erschwert eher die Integration, als sie zu befördern.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Das ist einfach falsch!)
Sie fordern in Ihrem Antrag ein breit angelegtes Forschungsprojekt, das die Anwendbarkeit der Maßnahmen aus Dänemark in Deutschland untersucht. Dieses Projekt können wir uns sparen; denn ich kann Ihnen sagen, was dabei herauskommt: Es ist nicht übertragbar.
Allein die Einführung eines unterschiedlichen Strafmaßes von Straftaten kommt der Einführung von doppelten Standards staatlicher Rechtsprechung gleich. Dies widerspricht deutlich Artikel 3 Satz 1 unseres Grundgesetzes: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“. Es ist also klar verfassungswidrig und reiner Populismus, was Sie hier vortragen. In der Bevölkerung wollen Sie die hohen Einwanderungszahlen nur nutzen, um die Stimmung weiter anzuheizen. Die Probleme lösen Sie damit keine Sekunde.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Daniel Föst [FDP] – Sebastian Münzenmaier [AfD]: Das ist notwendig! – Jörn König [AfD]: Eben war die Einwanderung noch an der Belastungsgrenze, und jetzt ist es gar nicht so schlimm!)
Wir müssen aber die Probleme in unserem Land lösen – endlich. Die lösen wir nicht, indem wir Menschen nach Herkunft ansiedeln. Jetzt schauen wir uns noch mal das an, was Ihr Kollege gerade im Nebensatz angesprochen hat. Er hat davon gesprochen, dass man einzelne Wohnungen abreißen muss.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Wo habe ich das denn gesagt? Das ist doch Quatsch!)
Überlegen Sie sich mal eine Sekunde, was das bedeutet! Wohnungen, die bewohnbar und vermietbar sind, wollen Sie abreißen. Sie wären die Ersten, die mit uns darüber diskutieren würden, dass das Enteignung ist. Sie schlagen hier Dinge vor, die überhaupt nicht funktionieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Jörn König [AfD]: Das ist ja sehr weit hergeholt alles, oder? Das ist ja wild konstruiert! – Weitere Zurufe von der AfD)
Leider sind bei der Problemlösung – das ist auch Teil der Wahrheit – weder die populistischen Parolen der AfD noch das Nichtstun der Ampelregierung irgendwie hilfreich.
(Jörn König [AfD]: Sechs Jahre Nichtstun der CDU/CSU!)
Die Ampel im Deutschen Bundestag zeigt immer wieder gern mit dem Finger auf andere und merkt nicht, dass die anderen drei Finger auf sie selbst zeigen.
(Mike Moncsek [AfD]: Sie regieren in Sachsen mit den Roten aus der Ampel!)
Wir müssen die Bundesregierung endlich zum Handeln bringen. Es muss Deutschland gelingen, in den ersten drei Monaten jedem Migranten einen Sprachkurs zu ermöglichen. Nur dann kann man es erreichen, dass die Menschen sich integrieren. Wir brauchen diese Sprachkurse ab dem ersten Tag.
Eine kontrollierte Einwanderung, umfassende Integrationsleistungen mit einem Deutschkurs von Anfang an, eine gezielte Unterstützung in sozialen Brennpunkten und die nachhaltige Planung von gemischten Stadtteilen sind für die Vermeidung von Parallelgesellschaften wesentlich sinnvoller als das bloße Umsiedeln von Menschen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Friedhelm Boginski [FDP] – Zuruf von der AfD: Das hat keiner behauptet!)
Damit stigmatisieren Sie Menschen nur, statt Integration zu fördern.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Münzenmaier [AfD]: Schwache Leistung!)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Liebert, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7607209 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 153 |
Tagesordnungspunkt | Dänisches Modell für Stadt- und Wohnungsbaupolitik |