22.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 154 / Zusatzpunkt 2

Alexander DobrindtCDU/CSU - Gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie haben sich nicht mal die Mühe gemacht, die zentralen Vorwürfe gegenüber Ihrer Wirtschaftspolitik hier zu entkräften. Sie können es wahrscheinlich auch gar nicht. Nicht nur die Wirtschaftsverbände, selbst die IG-Metall-Vorsitzende wirft Ihnen vor, dass Deutschland im Moment eine schleichende Deindustrialisierung erlebt. Das, was Sie hier vorlegen, ist keine Antwort darauf. Das ist auch kein Jahreswirtschaftsbericht, sondern das ist die wirtschaftspolitische Bankrotterklärung dieser Ampelregierung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr blockiert im Bundesrat!)

Sie haben Ihre wirtschaftspolitische Verantwortung für diese Abwärtsspirale offensichtlich überhaupt nicht verstanden. Im letzten Jahr war Deutschland in einer Rezession. Jetzt senken Sie Ihre Wachstumsprognose von 1,3 auf 0,2 Prozent; das ist knapp vor der nächsten Rezession. Deutschland ist das absolute Schlusslicht in Europa, und dafür tragen Sie einen erheblichen Teil der Verantwortung, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wer denn sonst?)

Das letzte Mal, dass Deutschland so eine Wirtschaftsschwäche erlebt hat, war in den Jahren 2002 und 2003. Damals gab es eine Antwort auf diese Wirtschaftsschwäche, und die hieß „Agenda 2010“.

(Zuruf des Abg. Bernd Westphal [SPD])

Wie schaut eigentlich Ihre Antwort heute aus, Herr Minister?

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Weitermachen wie bisher!)

Sie sind diese Antwort schlichtweg schuldig geblieben hier an diesem Rednerpult.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Stattdessen – aber das kennen wir schon –: Vorwürfe an die Opposition,

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja, immer!)

wir würden Ihr Wachstumschancengesetz nicht ausreichend würdigen, es blockieren.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Genau so ist es!)

Nur mal zur Erinnerung an dieser Stelle: Das Wachstumschancengesetz wurde von allen Bundesländern in den Vermittlungsausschuss verwiesen, weil es schlichtweg nicht umsetzbar war. Das ist der Grund dafür.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur die CDU-Bundestagsfraktion wollte es nicht!)

Wir haben in den letzten Wochen daran gearbeitet, es im Vermittlungsausschuss umsetzbar zu machen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen gestern Abend im Vermittlungsausschuss sogar noch einen Kompromiss unterbreitet.

(Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])

Sie wollen mit Ihrem Wachstumschancengesetz 1,4 Milliarden Euro Entlastung. Gleichzeitig wollen Sie die Landwirtschaft mit 500 Millionen Euro an der Refinanzierung dieser Entlastung beteiligen und sie belasten.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eine Ungerechtigkeit, die wir nicht akzeptieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Die auch keinen Sinn macht!)

Sie reden hier über eine neue Dynamik, die Sie entfachen wollen. Ich sage Ihnen: Sie haben nicht die politische Kraft für eine neue Agenda 2010. Sie haben diese Kraft einfach nicht. Der ifo-Präsident Fuest hat vollkommen recht, wenn er sagt: „Die Verunsicherung der Wirtschaft muss sich die Ampel zuschreiben lassen.“ Das ist die Realität in diesem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Dobrindt, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Ja, gerne.

Kollegin, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, lieber Kollege Dobrindt, dass Sie die Frage zulassen. – Ich verstehe natürlich, dass Sie sich hier in Kritik an der Bundesregierung ergehen. Ich persönlich mache mir sehr große Sorgen um die bayerische Wirtschaft und würde hierzu gern einen Kommentar von Ihnen hören.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Die bayerische Wirtschaft!)

Wir haben das Chemiedreieck in Bayern, das seit Jahren versucht, erneuerbare Energien auszubauen, um die Energiesicherheit vor Ort herzustellen. Windkraft haben Sie jahrelang verhindert. Jetzt ist die Möglichkeit da, dank dem Bund. Ein Bürgerentscheid für Windkraft ist leider negativ ausgegangen.

(Zuruf von der AfD: Zum Glück!)

Der bayerische Wirtschaftsminister hat vor Ort nur gesagt: Na ja, man muss halt gucken, was rauskommt. – Er hat sich nicht dezidiert hinter diesen Bürgerentscheid gestellt. Dann hat Wirtschaftsminister Aiwanger noch einen Streit mit Thüringen angefangen – dort soll eine Stromtrasse noch stärker ausgebaut werden –, sodass sich die Stromtrasse nach Bayern weiter verzögert. Mittlerweile sagt der Mittelstandsverband: Aiwanger ist absolut untätig; er ist auf Demos unterwegs

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: „Auf Demos“? Da sind die Grünen ja gar nicht!)

und tut überhaupt nichts für den Mittelstand.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wie peinlich ist das denn?)

Es gibt massive Kritik aus der Wirtschaft. Deswegen meine Frage, Herr Dobrindt: Was tun Sie gegen das Standortrisiko Aiwanger im bayerischen Wirtschaftsministerium?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: So ein Quatsch! Das ist doch absurdes Theater, was Sie hier machen! Peinlich! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Da schämt sich sogar die FDP bei dieser Frage! Das ist ja peinlich! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Super! So Zwischenfragen immer zulassen!)

Liebe Kollegin, vielen Dank für die Frage und den Hinweis auf Demonstrationen. Da sprechen Sie von Dingen, von denen Sie etwas verstehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Mein erster Hinweis dazu. Ich habe mir die neue Statistik der Bundesnetzagentur geholt, um mal nachzuschauen, wie denn der Zubau der erneuerbaren Energien im letzten Jahr, 2023, in den Bundesländern war. Offizielle Statistik der Bundesnetzagentur: Platz eins beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland: der Freistaat Bayern.

(Beifall bei der CDU/CSU – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Eigentor! – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Platz zwei mit einem Drittel weniger Ausbau: Nordrhein-Westfalen. Platz drei mit nur noch der Hälfte an Neuausbau erneuerbarer Energien: das grün regierte Baden-Württemberg.

(Zurufe von der SPD)

Nächster Hinweis – Sie haben ja Bürgerentscheide zur Windenergie angesprochen –: In den letzten Jahren sind sechs Bürgerentscheide für Windparks in Bayern erfolgreich durchgeführt worden: in Ebersberg, in Kronach, in Landsberg, in Schweinfurt, in Regensburg und in Bamberg.

Und jetzt zur Frage.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es steht nicht eine Turbine!)

Wussten Sie eigentlich, liebe Frau Kollegin, wer gegen diesen Windpark, gegen den es einen negativen Bürgerentscheid gegeben hat, am meisten negative Stimmung gemacht hat? Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag hat es als Abzocke bezeichnet, dass ein französischer Konzern sich beteiligt!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und das hat die Stimmung im Land vergiftet. Das lassen Sie sich mal gesagt sein.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Plötzlich Schweigen in der Ampel! Die Zwischenfrage wirkte wie bestellt für den Alexander Dobrindt!)

Sehr geehrter Herr Bundesminister, Sie präsentieren heute einen Jahreswirtschaftsbericht, in dem Sie sich in der Koalition auf fast nichts verständigen konnten; Sie konnten sich auf fast nichts verständigen. Sie sind eigentlich ja schon froh, dass Sie den Termin der Vorstellung überhaupt halten konnten. Das ist das Einzige, auf was Sie sich in Wahrheit geeinigt haben. Der Umgang in der Ampel untereinander, auch in Fragen der Wirtschaftspolitik, bewegt sich zwischen Rauferei und Realitätsverlust. So bekämpft man aber keine Rezession. So schafft man eine Depression im Land. Das ist das, was Sie tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt haben Sie hier versucht, Herr Bundesminister, letztlich alles mit externen Krisen zu erklären. Alles, was in der Wirtschaftspolitik schiefläuft, falsch läuft – die Rezession, das mangelnde Wachstum –, haben Sie auf externe Krisen geschoben. Jetzt muss ich Ihnen aber sagen: Die Rezession ist keine weltweite; sie ist auch keine europäische. Sie ist schlichtweg eine deutsche: Deutschland ist das Schlusslicht in Europa. Alle unsere Nachbarn haben die gleichen Krisen, aber ein größeres Wachstum. Entscheidend ist Ihre Verantwortung und nicht die Weltkrise.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht auch nicht nur um die Frage, wie viele Krisen es um uns herum gibt. Es geht doch vor allem darum, wie der Umgang mit diesen Krisen funktioniert. Da müssen Sie sich mit allen anderen Ländern um uns herum doch einfach mal messen lassen. Blicken wir auf unsere Nachbarländer: Alle Länder bauen die Energieproduktion aus. Sie schalten die Kernkraft in Deutschland ab. Alle entlasten den Mittelstand. Sie schaffen neue Belastungen. Alle unterstützen neue Arbeitsplätze. Sie schaffen mit Ihrem Bürgergeld Arbeitslosigkeit. – Sie sind nicht die Lösung, Sie sind das Problem der Wirtschaftsschwäche, Herr Bundesminister.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wir haben Ihnen in den vergangenen Tagen – Friedrich Merz und ich persönlich – konkrete Vorschläge gemacht für Maßnahmen, um aus dieser Wirtschaftskrise herauszukommen. Sie selber reden immer gerne von der Wirtschaftswende. Wenn Sie eine Wirtschaftswende wollen, dann senken Sie die Unternehmensteuern auf ein wettbewerbsfähiges Niveau, dann senken Sie die Energiepreise, und dann sorgen Sie dafür, dass sich Arbeit endlich wieder lohnt, und zementieren Sie nicht Arbeitslosigkeit. Dann schaffen wir eine Wirtschaftswende.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch ein Hinweis, meine Damen und Herren. Als Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Anfang der 80er-Jahre vor einer strukturellen Wachstumsschwäche stand und die FDP erkannt hat, dass man mit linker Politik kein Wachstum organisieren kann, da hat es das Lambsdorff-Papier, den Scheidungsbrief für die sozialliberale Koalition, gegeben. Ich kann Ihnen nur raten: Es wird Zeit für ein Scheidungspapier, um dieses Ampelchaos endlich zu beenden, liebe Kollegen der FDP.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als Nächste hat das Wort für die SPD-Fraktion Verena Hubertz.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7607227
Wahlperiode 20
Sitzung 154
Tagesordnungspunkt Gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland
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