22.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 154 / Zusatzpunkt 2

Lena WernerSPD - Gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer/-innen! Für was ist unser Land aus wirtschaftlicher Perspektive bekannt? Das habe ich einfach mal ChatGPT gefragt,

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Siehst du mal!)

und die Antworten bestehen aus mehreren Schlüsselaspekten: eine starke industrielle Basis, eine führende Rolle in Forschung und Entwicklung, unser duales Ausbildungssystem, weltweiter Handel sowie Qualität und Zuverlässigkeit à la „made in Germany“.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: … keine schlechte Regierung!)

Wofür wir aber auch bekannt sind, ist Folgendes: Guckt man sich aktuelle Tiktok-Trends an, in denen ironisch deutsche Stereotypen vorkommen, zieht man daraus den Schluss, dass wir wenig positiv sind, viel nörgeln, übertrieben regelkonform sind und dementsprechend eher weniger risikoaffin sind. Diese Mentalität ist gerade in der aktuellen Lage, glaube ich, eine treffende Beschreibung für uns – ganz unironisch.

Wir haben in den vielen Reden vor mir schon gehört, dass wir wirtschaftlich in keiner günstigen Lage sind.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was denn jetzt?)

Da sind wir uns ja auch mehr oder weniger fraktionsübergreifend einig.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ich dachte, ChatGPT sagt was anderes!)

Schaut man sich genau an, was in den letzten zwei, drei Jahren passiert ist, erkennt man, dass das wenig überraschend ist: Wir kämpfen immer noch mit einer Energiekrise, auch weil wir jahrelang auf günstige Energie aus Russland gesetzt haben. Geopolitische Konflikte belasten zunehmend unsere Wirtschaft. Der Welthandel ist historisch niedrig. Und wie nicht nur ChatGPT richtigerweise festgestellt hat, sind wir für unseren weltweiten Handel bekannt, ergo trifft uns das sehr stark.

Dazu kommt die Tatsache, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Haushaltsplanung über den Haufen geworfen hat und damit viele wichtige und nötige Investitionen nicht oder nicht wie geplant getätigt werden können. Man könnte also meinen, dass es uns richtig schlecht geht und die Wirtschaft vor dem Abgrund steht. Dieses Bild vermittelt die Opposition gerne genau so – ganz unironisch, im Gegensatz zu den Tiktoks.

Aber warum steigern wir uns eigentlich in diese düsteren Szenarien rein? Warum fokussieren wir uns nicht einmal auf unsere Stärken und darauf, was trotz dieser vielen Krisen und Herausforderungen wirtschaftlich gut läuft in unserem Land? Warum reden wir nicht mehr darüber, dass mit Investitionen in Mikroelektronik in Deutschland eine Zukunftsindustrie gestärkt wird und damit entscheidend zur europäischen technologischen Souveränität beigetragen wird? Diese Investitionen im Rahmen des European Chips Act stärken unsere wirtschaftliche Resilienz und verringern strategische Abhängigkeiten in einer der Schlüsseltechnologien für die Digitalisierung und den Treiber von Innovation und Fortschritt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir sind – nicht nur laut ChatGPT – bekannt für unsere führende Rolle in Forschung und Entwicklung. Auch in diesem Bereich gibt es hohe Investitionen von Unternehmen, ganz konkret im Bereich der Biotechnologie und der industriellen Gesundheitswirtschaft, die mich als Rheinland-Pfälzerin – wir haben es heute schon öfter gehört – ganz besonders freuen. BioNTech investiert 40 Millionen Euro in Marburg, Boehringer Ingelheim investiert 350 Millionen Euro in Biberach und 75 Millionen Euro in Ingelheim. Daiichi Sankyo investiert 1 Milliarde Euro in Pfaffenhofen und Eli Lilly 2,3 Milliarden Euro in Alzey. Das sind noch nicht einmal alle Investitionen, die gerade laufen.

Uns bietet sich in der Forschung und Entwicklung auch eine große Chance im Bereich der KI, künstliche Intelligenz, die Technologie der Zukunft. Die kann uns nämlich nicht nur verraten, wofür Deutschland bekannt ist. Nein, die kann noch viel mehr: KI kann uns neue Technologien, Investitionen und einen enormen Produktivitätsschub geben und wird bereits jetzt in einigen großen Unternehmen genau dafür eingesetzt. Aber auch der Mittelstand hat hier enormes Potenzial. Mit der KI-Verordnung der Europäischen Union schaffen wir zudem Rechtssicherheit und eine ausgewogene Regulierung von KI, also die Grundlage für „KI made in Europe“.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich persönlich bin definitiv mehr Optimistin als Pessimistin. Ich glaube daran, dass unsere Wirtschaft auch weiterhin stark ist und wachsen kann. Dazu brauchen wir aber natürlich neben den vielen Investitionen auch die richtigen politischen Akzente. Und die setzen wir: mit dem Wachstumschancengesetz, das hoffentlich bald final auch im Bundesrat mehrheitlich Zustimmung finden wird, dem Bürokratieentlastungsgesetz, das wir zeitnah verabschieden werden, und dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Mit Blick auf die eben genannten Investitionen in Zukunftstechnologien ist Deutschland definitiv auch weiterhin ein attraktiver wirtschaftlicher Standort. Nur ein kleines weiteres Beispiel, das gestern im „Handelsblatt“ stand: Das Start-up Neura Robotics, ein deutsches Robotik-Start-up, kommt aus China zurück nach Deutschland – und das laut eigener Aussage trotz der höheren Energiepreise und anderer Herausforderungen, um gerade das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. „ Made in Germany“ ist laut deren Aussage ein weltweites Gütesiegel. Wir wissen es alle: Es ist unser USP, also unser Unique Selling Point.

Ich appelliere deswegen an uns alle, sich in der Debatte nicht immer nur auf die Negativeinschätzungen zu fokussieren, sondern auch das enorme Potenzial zu sehen, das sich hier entwickeln kann. Vielleicht steht dann demnächst bei ChatGPT: Deutschland ist auch bekannt für eine gelungene Transformation, seine Offenheit für Fachkräfte und Arbeitskräfte aus dem Ausland und eine starke Zukunftsindustrie.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7607283
Wahlperiode 20
Sitzung 154
Tagesordnungspunkt Gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland
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