22.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 154 / Tagesordnungspunkt 8

Johann WadephulCDU/CSU - Zehn Jahre russischer Krieg gegen die Ukraine

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter! Ich denke, im Zentrum dieser und auch der vorangegangenen Debatte sollte doch insgesamt stehen, dass das Volk der Ukraine und Ihre Regierung, Herr Botschafter, sich vollständig darauf verlassen kann, dass die breite Mitte dieses Hauses und damit die breite Mitte der Bundesrepublik Deutschland hinter Ihnen steht in diesem Kampf um die Freiheit Ihres Volkes, in diesem Kampf gegen den russischen Aggressor.

Ich denke, wir sollten Ihnen hier heute versichern, dass wir uns alle – zwei Jahre nach dem Überfall, zwei Jahre nach der wichtigen Rede des Bundeskanzlers zur Zeitenwende – bewusst sind: Wir haben noch eine ganze Menge Aufgaben vor uns. Sie können sich auf Deutschland verlassen! Wir stehen an Ihrer Seite!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich glaube, wir sollten uns diese Dimension, vor der wir insgesamt stehen – auch Bundesminister Pistorius hat das gerade eben unterstrichen –, noch einmal bewusst machen. Kollege Faber hat darauf hingewiesen: Eine Tankfüllung von hier entfernt findet ein schrecklicher Krieg statt, in dem jeden Tag Hunderte, oftmals über Tausend junge Männer fallen. Das findet nach wie vor statt.

Diesen Krieg führt Russland mit der Unterstützung der schrecklichsten und barbarischsten Regime, die diese Welt kennt: Das Mullah-Regime des Iran und Nordkorea stehen an seiner Seite und liefern die jetzt notwendigen Waffensysteme, insbesondere Drohnensysteme. Mittlerweile gibt es auch Berichte – das muss überprüft werden; das müssen wir in Peking nachfragen –, wonach sich auch chinesische Technologie in Drohnensystemen wiederfindet.

Deswegen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Das ist ein Kampf, den die Ukraine für uns alle führt – gegen Revanchismus, gegen Regime, die Menschenrechte verachten, die jede regelbasierte Ordnung ablehnen. Und, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, an der Stelle sollten wir zusammenstehen und das Gemeinsame sehen. Wir sollten gemeinsam sehen, an wessen Seite wir stehen müssen, nämlich an der Seite der Ukraine. Das ist wichtig. Das ist zentral.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Deswegen würde ich jetzt ungerne auf unterschiedliche kleinere und größere Abweichungen eingehen. Keiner der beiden Anträge ist perfekt, unserer wahrscheinlich auch nicht – es hat ein paar Anmerkungen zur Afrika-Politik usw. gegeben –; das hat ja nie jemand behauptet. Die Ansicht, dass wir Konflikte auf dieser Welt nur durch Waffen lösen, vertritt ja in der politischen Debatte niemand ernsthaft. Und wenn Ihnen dies eine hinreichende Rechtfertigung dafür ist, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen wollen: Geschenkt! Das ist nicht der Punkt.

Die Frage ist, ob wir insgesamt, ob diese Bundesregierung die Zeitenwende verstanden hat, sie lebt und wirklich mit aller Energie versucht durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daran haben wir erhebliche Zweifel; denn dieser Krieg wird durch Willen und durch Logistik entschieden. Da kann Deutschland mehr tun, als es jetzt tut.

Und das relative Desinteresse der Bundesregierung zeigt sich schon daran, dass der einzige Minister, der an der ganzen letzten Debatte und an dieser Debatte teilgenommen hat, Herr Bundesminister Pistorius ist, wofür ich ihm ausdrücklich danke. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, was muss hier eigentlich im Deutschen Bundestag in der Kernzeit auf die Tagesordnung, dass Bundeskanzler Scholz hinreichend Zeit und Gelegenheit findet, an den Debatten des Deutschen Bundestages teilzunehmen?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was muss eigentlich geschehen, damit er das versteht?

(Marianne Schieder [SPD]: Jetzt hören Sie auf! Das ist doch billiger Populismus!)

– Also, wenn Sie jetzt die Aufforderung, dass der Regierungschef an einer Parlamentsdebatte teilnimmt, als Populismus zeihen, liebe Frau Kollegin, dann muss ich einmal fragen: Wie weit ist es mit Ihrem Parlamentsverständnis eigentlich gekommen?

(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Beyer [CDU/CSU]: Was ist das für ein Demokratieverständnis?)

Ich will Ihnen auch einen Sachgrund sagen – er soll ja nicht nur hier sitzen und den Stuhl besetzen –: Ich würde von Bundeskanzler Scholz in dieser Situation gern wissen, was denn nun das ganz große Problem mit der Lieferung der Taurus-Raketen ist. Niemand weiß es.

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Wenn Sie das nicht verstanden haben, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen!)

Nein, wir haben dazu keine rationale Erklärung bekommen.

(Matthias Moosdorf [AfD]: Einfach mal nachdenken! – Weitere Zurufe von der AfD)

Es gibt auch Möglichkeiten, geheim zu tagen. Es gibt Möglichkeiten, das hier zu erläutern. Aber wenn es so wichtig ist, die Lieferung von Taurus aus dem Antrag herauszunehmen, dann zeigt doch gerade diese Herausnahme, dass dem Bundeskanzler die Nichtlieferung wichtig ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Öffentlichkeit, die Ukraine und der Deutsche Bundestag haben doch einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum das nicht geschieht, wo doch die ganz große Mehrheit des Hauses im Grunde der Meinung ist, es müsste geschehen. Diese Antwort vom Bundeskanzler erwarten wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders dramatisch ist natürlich, dass sogar der Bundesverteidigungsminister, der die Waffensysteme dann ja zur Verfügung stellt, hier gerade eingeräumt hat: Er weiß eigentlich auch nicht, warum der Bundeskanzler diese nicht genehmigt.

(Beifall des Abg. Thomas Rachel [CDU/CSU] – Marianne Schieder [SPD]: Das hat er nie gesagt!)

– Das hat er gerade eben in der Debatte gesagt; Sie sollten vielleicht zuhören.

(Marianne Schieder [SPD]: Nein! Das hat er nicht!)

Im Übrigen kommen jetzt Redner der SPD und können uns ihr Wissen kundtun. Wir wissen bis jetzt nicht, warum die Lieferung dieses Waffensystem verweigert wird. Deutschland weiß es nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD – Matthias Moosdorf [AfD]: Ich erkläre es gleich!)

– Es ist so. Bitte, es steht Ihnen gleich frei, das zu beantworten.

In diesem Zusammenhang muss ich sagen: Herr Minister Pistorius, natürlich können nicht alle Fehler der Vergangenheit geheilt werden. Und diejenigen der Vergangenheit sind ja unser beider Fehler, weil wir gemeinsam mit den Sozialdemokraten regiert haben. Aber man muss in dieser historischen Situation schon das Richtige tun. Und da gibt es mindestens zwei Punkte, die nicht geklärt sind. Der erste Punkt betrifft die Taurus-Lieferung und der zweite die mangelhafte Ausstattung der Bundeswehr mit hinreichenden finanziellen Möglichkeiten.

Wir haben Sie zu hundert Prozent bei der Forderung unterstützt, 10 Milliarden mehr für die Bundeswehr bereitzustellen. Die hat Ihnen nicht nur der Bundeskanzler verweigert, sondern, liebe FDP, auch Finanzminister Lindner, der gerne Wehrübungen macht, der sich gerne zur Bundeswehr bekennt. Aber wenn es darauf ankommt, dann steht die Bundeswehr bei Ihnen im Regen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und das gehört auch zur Zeitenwende; das muss sich in Zukunft ändern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7607345
Wahlperiode 20
Sitzung 154
Tagesordnungspunkt Zehn Jahre russischer Krieg gegen die Ukraine
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