Gero Clemens HockerFDP - Entlastung der deutschen Landwirtschaft
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landwirte, die in den vergangenen Wochen diskutiert haben, demonstriert haben, haben sehr großen Wert darauf gelegt, dass sie eben nicht politisch vereinnahmt werden
(Frank Rinck [AfD]: Von Ihnen, ja! – Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Von der FDP!)
von radikalen Kräften.
(Lachen des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Und das ist den Landwirten gelungen. Dass Sie das jetzt hier versuchen, ist nur folgerichtig, weil es auf der Straße nicht gelungen ist. Ich sage Ihnen: Landwirte haben einen viel zu guten Kompass
(Zuruf von der AfD: … um nicht die FDP zu wählen! Das ist richtig!)
und viel zu sehr ein Gespür dafür, wer es ernst mit ihnen meint und wer nur auf einer Welle des Populismus reiten möchte. Das ist Ihnen auf der Straße nicht gelungen,
(Bernd Schattner [AfD]: Doch!)
und das wird Ihnen auch hier im Parlament nicht gelingen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Bernd Schattner [AfD])
Ich habe mir die Mühe gemacht, das Grundsatzprogramm der AfD zum Thema Landwirtschaft zu lesen.
(Beifall des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])
Und weil ich immer gerne mit offenem Visier kämpfe und Argumente austausche, mache ich das jetzt auch hier von diesem Pult aus. Richtig ist erst einmal per se, dass die Landwirtschaft enttäuscht ist von der Agrarpolitik der vergangenen Jahre: zu wenig unternehmerische Freiheit, zu viel Bürokratie, zu wenig fairer Wettbewerb innerhalb Europas und international, zu viel Ideologie, zu wenig wissenschaftliche Grundlage bei politischen Entscheidungen.
Und jetzt kommt die AfD, Stichwort „wissenschaftliche Grundlagen“. Ihr Grundsatzprogramm sagt wörtlich – ich darf das zitieren –:
„Die AfD spricht sich … ausdrücklich gegen den Einsatz des … als wahrscheinlich krebserzeugend eingestuften Glyphosat beim Pflanzenschutz aus.“
(Stephan Protschka [AfD]: Ganz vorlesen! Ganz vorlesen! – Carina Konrad [FDP]: Unglaublich! – Sylvia Lehmann [SPD]: Ach, guck an!)
Was war das für ein Befreiungsschlag für Landwirte, als wir es hinbekommen haben, dass auch über den 31. Dezember 2023 hinaus dieses Pflanzenschutzmittel angewendet werden kann, und auch über den 30. Juni 2024 hinaus! Sie wollen das ganz offenbar anders machen. – Wie gut, dass wir das anders machen, als Sie sich das wünschen!
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Sylvia Lehmann [SPD] und Dr.-Ing. Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Stephan Protschka [AfD]: Aber der Wähler weiß, dass Sie lügen!)
Zu viel Ideologie bei Flächenstilllegungen? Grundsatzprogramm der AfD – ich darf das zitieren –:
„Es muss … im Meer genau wie zu Lande … Gebiete geben, in denen die Natur völlig sich selbst überlassen bleibt.“
Sogenannte Nullnutzungszonen „sichern das Überleben von vielen seltenen Pflanzen- und Tierarten.“ Ihre Käseglockenvorstellung, ein dynamisches System wie die Natur könnte man im Status quo behalten und bewahren, ist ungefähr 50, 60 Jahre alt, wenn nicht noch älter. Moderne Landwirtschaft in Deutschland kann beides: Sie kann effizient sein, sie kann wirtschaftlich sinnvoll sein, und sie kann gleichzeitig für Biodiversität und Artenschutz einen Beitrag leisten – auf derselben Fläche. – Wie gut, dass wir das anders machen, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Warum demonstrieren die dann?)
Ach so, und dann wieder Grundsatzprogramm der AfD: Wir setzen uns dafür ein, „die Vorrangeinspeisung des Stroms aus Biogasanlagen … zu beenden“.
(Sylvia Lehmann [SPD]: Ach!)
Strom aus Biogasanlagen ist grundlastfähig, ist transportfähig, ist nachhaltig, und er ist eine Existenzgrundlage für Tausende Betriebe in ganz Deutschland. Und genau deswegen haben wir dafür gestritten, dass es eben keinen Deckel für die Einspeisung von Strom aus Biogasanlagen gibt. Sie wollen das anders? – Wie gut, dass wir das anders machen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Hocker, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hilse?
Selbstverständlich.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Sehr gut! – Zurufe von der SPD: Oh nein!)
– Lassen Sie uns diskutieren! Alles gut. Ich habe die besseren Argumente.
Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben ja wortwörtlich die Vorrangeinspeisung zitiert. Nun möchte ich Sie fragen, ob Sie wissen, worum es bei der Vorrangeinspeisung von sogenannten Erneuerbaren geht, also Windstrom, Solarstrom und eben auch Strom aus Biogasanlagen. Da geht es darum: Sobald es anliegt, müssen alle anderen Marktteilnehmer – Erzeuger von Strom – quasi runtergefahren werden, und es muss laut EEG quasi zwingend dieser Strom ins Netz eingespeist werden. Es geht nicht darum, Biogasanlagen oder die Verstromung zu verbieten usw. usf.
(Isabel Mackensen-Geis [SPD]: Um was geht es denn dann?)
Es geht nur darum, dass alle Marktteilnehmer – und da müsste ich eigentlich bei Ihnen als Freiem Demokraten auf offene Ohren stoßen – die gleichen Chancen auf dem Markt haben. Nur darum geht es, um nicht mehr. Das wollte ich Ihnen nur zur Kenntnis geben. Aber ich gehe mal davon aus, dass Sie es selber wissen.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Anke Hennig [SPD]: Das war keine Frage!)
Nein, das war keine Frage; aber darüber sehen wir einfach mal hinweg. – Ich will Ihnen mal eins sagen: Sie scheinen das Grundsatzprogramm Ihrer eigenen Partei nicht zu kennen. Denn da steht wörtlich drin: Sie wollen die Einspeisung des Stroms aus Biogasanlagen beenden. Ad eins.
Ad zwei. Sie sind es höchstpersönlich, der von diesem Pult aus immer wieder kritisiert, dass es Flatterstrom in den Netzen gibt, weil Wind- und Sonnenenergie eben weniger kalkulierbar und nicht grundlastfähig sind, nicht so leicht transportiert werden können und erst Umwandlungsprozesse stattfinden müssen.
(Karsten Hilse [AfD]: Sie haben einfach gelogen!)
Das ist beim Biogas eben anders.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Bei der Kernenergie auch!)
Mit Verlaub: Es ist schön, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen; aber es wäre gut, wenn wir zumindest halbwegs auf derselben fachlichen, wissenschaftlichen Ebene diskutieren würden.
(Karsten Hilse [AfD]: Sie haben gerade gelogen!)
Sie haben sich damit vollkommen diskreditiert und haben keine Ahnung von landwirtschaftlicher Praxis.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sie sitzen mit den Grünen in einem Boot! Nicht wir!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD, Sie lehnen neue Technologien wie innovative Züchtungsmethoden ab. Lesen Sie das Programm! Das steht drin.
(Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])
Sie stemmen sich gegen die Digitalisierung. Sie wollen verschieden hohe Steuern innerhalb der Europäischen Union und sprechen an anderer Stelle von gleichen Produktionsstandards innerhalb Europas. Wie soll das eigentlich funktionieren?
Sie wollen die EU-Außengrenzen schließen, sind gegen die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union und verkennen oder vergessen oder wollen nicht wahrhaben, dass dann natürlich Saisonarbeitskräfte, die wir im Obstanbau und Gemüseanbau massiv brauchen, eben nicht mehr für Betriebe in Deutschland verfügbar wären. All das, was Sie fordern, hilft der Landwirtschaft in Deutschland überhaupt nicht weiter. – Wie gut, dass wir das anders machen, verehrte Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr.-Ing. Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Harald Weyel [AfD]: Nur dass die Bauern das anders sehen als Sie! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Warum demonstrieren denn die Bauern, wenn Sie so gut regieren?)
Ich bin ja dankbar, dass Sie sich an der Diskussion beteiligt haben. Das vermisse ich viel zu häufig. Ich sage es hier noch mal ausdrücklich: Ich kämpfe gerne mit offenem Visier. Ich tausche auch gerne Argumente aus, weil ich der festen Überzeugung bin, bessere fachliche, landwirtschaftliche und in diesem Fall auch energiepolitische Argumente zu haben als Sie. Und deswegen sage ich Ihnen – – Hier ist eine Wortmeldung, Frau Präsidentin.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Herr Schattner, bitte schön.
Vielen Dank für den Hinweis. Lassen Sie die Zwischenfrage zu?
Sehr gerne.
(Dr. Anne Monika Spallek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gero!)
– Ja, lass sie kommen.
Vielen Dank, Herr Hocker. – Sie hatten ja das Thema Glysophat angesprochen.
(Dr.-Ing. Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Glyphosat! Wenigstens den Namen kennen!)
Ich wollte noch mal darauf eingehen. Wenn man das Programm von uns komplett liest, sieht man, dass da drinsteht: Die AfD spricht sich dafür aus, so lange darauf zu verzichten, bis wissenschaftlich fundiert nachgewiesen ist, dass es eine Unschädlichkeit gibt. – Sie wissen ja sicherlich als Mitglied des Arbeitskreises Landwirtschaft, dass wir mittlerweile Anträge gestellt haben, das unbefristet in Europa wieder zuzulassen. Von daher haben Sie hier schlicht und ergreifend falsch zitiert. Und die Unschädlichkeit ist ja mittlerweile belegt.
Verehrter Herr Kollege Schattner! Erstens. Wenn ich falsch zitiert habe, als ich aus Ihrem Grundsatzprogramm zitiert habe, müssen Sie sich die Frage stellen, ob da die richtigen Dinge drinstehen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Wenn Sie Fachlichkeit in der politischen Diskussion einfordern, darf ich Ihnen sagen, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung seit Jahren feststellt, dass das, was Sie formulieren, falsch ist, dass es vielmehr unbedenklich ist, wenn dieser Wirkstoff auch in Zukunft zur Anwendung kommt. Da kann ich Ihnen nur freundlich empfehlen, sich ein bisschen mehr mit wissenschaftlichen Fakten auseinanderzusetzen, bevor Sie Dinge in Ihr Programm reinschreiben, von denen Sie ganz offenbar selber keine fachliche Ahnung haben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD und der Abg. Dr.-Ing. Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, ich freue mich über diese beiden Zwischenfragen und sage ausdrücklich, dass ich mich freuen würde, wenn wir noch viel häufiger in diesen Diskurs eintreten würden,
(Dr. Anne Monika Spallek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Hör auf!)
weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass Demokraten bessere Argumente haben, und auch zutiefst davon überzeugt bin, dass die fachliche Versiertheit bei den allermeisten aus dem Agrarausschuss dieses Hauses weiter verbreitet ist als bei Ihnen von der AfD. Sie halten hier abgelesene Reden, Herr Schattner, die Sie bei Youtube gerne verbreiten möchten. Der innere Kompass von Landwirten ist einer, der ihnen sehr wohl das Gefühl gibt, dass Sie da draußen mit Floskeln agieren,
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wunschdenken!)
aber für die landwirtschaftliche unternehmerische Realität in Deutschland keinen Beitrag leisten. Deswegen gehen Ihnen die Landwirte nicht auf den Leim.
Vielen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Und deswegen wählen sie AfD!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7607428 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 154 |
Tagesordnungspunkt | Entlastung der deutschen Landwirtschaft |