22.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 154 / Zusatzpunkt 5

Anke HennigSPD - Entlastung der deutschen Landwirtschaft

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Anwesende! Lieber Herr Özdemir! „ Höfesterben sofort beenden“: Wenn man diesen Titel liest, dann kommen einem zuallererst Gedanken in den Kopf wie: Oh nein, in Deutschland geht alles den Bach runter.

(Frank Rinck [AfD]: Ja, so ist es ja auch! Genau so ist es doch auch!)

Ein kurzer geschichtlicher Abriss hilft, Fakten zu schaffen; denn ich wehre mich gegen Katastropheninszenierungen.

Es geht hier um Strukturwandel, der sich nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrzehnten vollzieht. Schon seit den 50er- und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts ändert sich die Agrarstruktur. Das ist ein fortwährender Prozess

(Wortmeldung aus der AfD)

– ich werde keine Zwischenfrage zulassen –,

(Zuruf des Abg. Bernd Schattner [AfD])

genauso wie sich die Dorfstrukturen und das Einkaufsverhalten verändert haben. Denken wir nur mal an die kleinen Einkaufsläden, die Bäcker, die Fleischer und eben an die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe: All das war in jedem noch so winzigen Dorf zu finden. Dann kamen die Supermärkte. Und hier betone ich einmal das Wort „super“ im Sinne von allumfassend.

Es kamen also neue Möglichkeiten und Verhältnisse hinzu. Auch die Landwirtschaft blieb davon nicht verschont. Die Zahl der Höfe ist im Laufe der Zeit stark gesunken. Großbetriebe dominieren zunehmend das Bild – übrigens auch bedingt durch den technischen Fortschritt, aber auch durch wirtschaftlichen Druck. Kleine Betriebe haben Probleme mit der Hofnachfolge. Die landwirtschaftliche Fläche ist nicht einfach verschwunden, sondern wurde unter immer weniger Betrieben aufgeteilt.

(Karl Bär [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder zugeteilt!)

Die Zeit der kleinteiligen Landwirtschaft ist vorbei. Dieser Strukturwandel ist kein deutsches Phänomen, sondern findet auch in unseren europäischen Nachbarländern statt.

Wir sehen: Strukturen ändern sich. Dagegen kann sich auch die AfD nicht verwehren. Was haben Sie für Lösungen zu bieten? Ich erkenne in Ihrem Antrag vor allem Widersprüche. Erst kürzlich haben Sie ein Sofortprogramm für die Landwirtschaft veröffentlicht. Darin fordern Sie mehr öffentliche Gelder für Landwirtinnen und Landwirte. Höchst interessant! In Ihrem Grundsatzprogramm sprechen Sie sich allerdings deutlich gegen staatliche Unterstützung aus. – Finde den Fehler!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Karsten Hilse [AfD]: Aber nicht in der Landwirtschaft! – Weiterer Zuruf von der AfD: Wäre auch besser, wenn es ohne ginge!)

Übrigens hilft eine rückwärtsgewandte Agrarpolitik nicht dabei, Zukunftsfragen zu begegnen und die Transformation zu begleiten. Das ist eher realitätsfern und gefährlich. Vielmehr sollten wir die Änderungsprozesse begleiten. Der vorliegende Antrag soll uns ja zeigen: Die da oben tun nichts. – Das ist eine Lüge.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben einen 7-Punkte-Plan für eine zukunftsfähige Landwirtschaftspolitik beschlossen.

(Frank Rinck [AfD]: Sie haben sieben Fragen aufgeschrieben und keine Punkte!)

Das dürfte auch Ihnen nicht entgangen sein. Klar ist: Hier müssen wir im Dialog tätig werden. Deshalb gab es gestern eine große Verbändeanhörung mit Mitgliedern der Zukunftskommission Landwirtschaft. Praktische, gut umsetzbare Lösungsvorschläge nehmen wir gerne entgegen und entwickeln sie gemeinsam. Wir ziehen hier an einem Strang!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dabei geht es vor allem um Maßnahmen zur Bürokratieentlastung, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Maßnahmen im Bereich Tierhaltung sowie steuer- und förderrechtliche Fragen. Genau das bewegt die Branche, und das nehmen wir ernst.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Carina Konrad [FDP])

Wir bekennen uns zur Landwirtschaft in Deutschland. Das heißt für uns auch: Bei dem fortwährenden Strukturwandel lassen wir unsere Landwirtinnen und Landwirte nicht allein – im Gegenteil.

Mit dem „Chancenprogramm Höfe“ unterstützen wir Betriebe, die von der Nutztierhaltung auf die Erzeugung und Verarbeitung innovativer Proteine für die Humanernährung umstellen möchten. Hierfür stehen für 2024 erstmalig 30 Millionen Euro zur Verfügung.

Mit dem Kompetenzzentrum „Proteine der Zukunft“ profitiert die Landwirtschaft vom proteinreichen Ernährungstrend.

Mit dem Modellregionenwettbewerb „Ernährungswende in der Region“ unterstützen wir die Transformation des Ernährungssystems. Gleichzeitig stärken wir regionale Wertschöpfungsketten. Und das ist eine große Stütze beim Strukturwandel.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr.-Ing. Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Gemeinschaftsaufgabe zu Agrarstruktur und Küstenschutz ist das wichtigste Förderinstrument für die ländlichen Räume. Trotz der Sparvorgaben und entgegen allen Befürchtungen bleiben die Mittel auf annähernd gleichem Niveau. Ein großer Erfolg!

Statt Ängste zu schüren und Panik zu verbreiten, wie Sie es tun, setzen wir auf einen konstruktiven und zukunftsorientierten Blick auf den Strukturwandel. Das bringt unser Land weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD)

Unsere Landwirtschaft kann und wird sich weiterentwickeln. Dabei können die Landwirtinnen und Landwirte auf uns zählen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Bernd Schattner [AfD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7607434
Wahlperiode 20
Sitzung 154
Tagesordnungspunkt Entlastung der deutschen Landwirtschaft
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