22.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 154 / Tagesordnungspunkt 17

Thorsten RudolphSPD - Wiederaufbau im Ahrtal

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Lage im Ahrtal ist alles andere als einfach; wir haben das gerade in vielen Reden gehört. Aber ich möchte trotzdem mit einigen guten Zahlen beginnen: Was den privaten Wiederaufbau von Gebäuden angeht, sind inzwischen über 95 Prozent aller Anträge bewilligt, beim Hausrat mehr als 96 Prozent und bei der allgemeinen kommunalen Infrastruktur sogar mehr als 98 Prozent aller Anträge. Und wir reden hier insgesamt von weit über 15 000 Anträgen.

Ich möchte daher die Gelegenheit heute ausdrücklich nutzen und den vielen Kolleginnen und Kollegen in den Verwaltungen der betroffenen Orts- und Verbandsgemeinden, der Kreise, der SGD Nord und der ADD, der ISB und der beteiligten Ministerien danken, die seit Jahren und oft genug mit hohem persönlichem Einsatz den Flutgebieten helfen. Gerade weil sie nicht selten diejenigen sind, die Frust und Kritik abbekommen, muss man einfach mal sagen: Ihr macht einen guten Job, vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Was den vorliegenden Antrag angeht, ist es gut, sich noch einmal den Grundsatz für solche Hilfen ins Gedächtnis zu rufen: Die Aufbauhilfe 2021 hat – genau wie die Aufbauhilfe 2013 nach dem Oderhochwasser – das Ziel, durch das Hochwasser entstandene Schäden finanziell auszugleichen. Die finanzielle Erstattung bemisst sich also nach den tatsächlich entstandenen Schäden.

Es ist trotzdem kein Eins-zu-eins-Wiederaufbau, wie das im Antrag der Union behauptet wird, sondern geht entscheidend darüber hinaus. Natürlich muss niemand sein Haus nach Standards von 1960 wiederaufbauen, sondern bekommt eine finanzielle Erstattung gemäß den heute geltenden technischen und baulichen Normen. Und natürlich wird der Wiederaufbau, zweitens, auch in einer dem Überschwemmungsrisiko angepassten Weise gefördert. Und drittens werden in begründeten Fällen sogar Modernisierungsmaßnahmen über die tatsächlichen Schäden hinaus gefördert, sofern eine Rechtspflicht besteht oder dies aufgrund des Risikos erforderlich ist.

Auch ansonsten gibt es eine Vielzahl von Erleichterungen: hohe Abschlagszahlungen direkt nach Bewilligung der Anträge, der allgemein zugelassene vorzeitige Maßnahmenbeginn, deutlich abgesenkte Anforderungen an die Kostenschätzungen, erhebliche Erleichterungen im Vergaberecht. Das sind alles verwaltungstechnische Regelungen, die aber in der Praxis sehr hilfreich sind.

Die Union schlägt jetzt in ihrem Antrag Änderungen bei einigen dieser verwaltungstechnischen Regelungen vor. Letztlich geht es dabei zumeist darum, wer am Ende die Kosten trägt: Kommune, Land oder doch der Bund und die anderen Bundesländer? Dabei geht es der Union beispielsweise um Zinskosten auf Liquiditätskredite für die Vorfinanzierung, die Zusammenlegung mehrerer gleichartiger Anlagen oder die Übernahme von Kosten für die Aufrüstung auf den aktuellen technischen Stand.

Im Ergebnis sehe ich einen Teil dieser Vorschläge eher kritisch, einen anderen kann ich durchaus nachvollziehen. Daher finde ich den Antrag als Diskussionsbeitrag gar nicht verkehrt.

Ich habe aber ein anderes Problem mit diesem Antrag. Die Union behauptet, dass es die Regelungen der Aufbauhilfe 2021 sind, die den Wiederaufbau verzögern. Obwohl über 95 Prozent aller Anträge bereits bewilligt sind, machen Sie Bund und Land für Frustrationen und gesundheitliche Probleme durch mühsame und zeitintensive Prozesse verantwortlich, die angeblich ursächlich für die Verzögerungen sind.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Nicht wir! Das machen die Betroffenen!)

Herr Seif, Sie haben es eben selber gesagt: Die Verzögerungen und Probleme beim Wiederaufbau sind aktuell vor allem auf Planungsnotwendigkeiten durch Architekten, Straßen- und Verkehrsplaner, auf Baugenehmigungsverfahren und Bauleitplanungen, auf Fachkräftemangel und unzureichende Verfügbarkeit von Baufirmen und Bauprodukten zurückzuführen.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Was ist in anderen Regionen besser? – Josef Oster [CDU/CSU]: Reden Sie mal mit den Betroffenen!)

Eine grundsätzliche Novellierung des Regelwerks der Aufbauhilfe 2021, wie von Ihnen gefordert, hilft da wenig.

Genau an diesem Punkt wird Ihr Antrag leider zum plumpen Versuch, die Katastrophe parteipolitisch zu nutzen. Wir haben das bei Ihnen eben auch gehört: In NRW ist alles super, in Rheinland-Pfalz nicht.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Das ist leider so!)

Es ist wirklich schade, wie Sie die Katastrophe parteipolitisch nutzen wollen. Deshalb mein Appell: Wir sollten alle gemeinsam daran arbeiten, das Ahrtal wiederaufzubauen, aber nicht in dieser Art.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Lars Rohwer [CDU/CSU]: Schämen Sie sich für diese Rede!)

Dr. André Hahn spricht für Die Linke.

(Beifall bei der Linken)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7607561
Wahlperiode 20
Sitzung 154
Tagesordnungspunkt Wiederaufbau im Ahrtal
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