Gyde JensenFDP - Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir wie heute über Prostitution sprechen, dann haben wir natürlich Bilder im Kopf. Frau Bär, ich glaube, dieses Parlament teilt Ihre Beurteilung der Lage, die mit Ausbeutung, mit Zwangsprostitution, mit Rotlichtmilieu, mit Organisierter Kriminalität zu tun hat. Das ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa ein riesiges Problem.
Deswegen muss der Rechtsstaat genau darauf konsequent reagieren; wir sprechen hier von länderübergreifender Arbeit, auch im Sinne der Länder Europas, in den Bereichen Polizei, Zoll, Gewerbe, Gesundheitsämter, Arbeit. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass diese zukünftig noch besser funktioniert.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist das Bild von Prostitution. Es gibt die zwei gesetzlichen Rahmen, um die es geht; über die haben Sie, Frau Bär, heute sehr wenig gesprochen. An der Ausarbeitung dieses Rahmens waren Sie als Unionsfraktion auch beteiligt. Ich spreche vom Prostitutionsgesetz von 2002 und dem Prostituiertenschutzgesetz von 2016, das sich gerade in der Evaluierung befindet. Gerade bei diesem Gesetz haben Sie damals auf gesundheitlichen und persönlichen Schutz Wert gelegt. Dieses Gesetz wird gerade früher als vorgesehen evaluiert; das war dieser Bundesregierung wichtig.
Ja, es gibt auch Sexarbeit. Natürlich ist das nicht ein Job wie jeder andere; niemand hier in diesem Parlament behauptet das. Nun muss man aber auch sagen, dass unsere beiden persönlichen Bewertungen von Sexarbeit, Frau Bär, in dieser politischen Debatte und angesichts der rechtlichen und politischen Möglichkeiten, die wir haben, überhaupt nichts zur Sache tun; denn nicht jede Frau, die Sexarbeit anbietet, möchte pauschal zum Opfer erklärt werden. Ich glaube, so sollten wir diese Debatte hier auch nicht führen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Realität – wir diskutieren ja heute einen von Ihnen vorgelegten Antrag, auf den Sie in Ihrer Rede kaum eingegangen sind – blendet Ihr Antrag vollkommen aus. Die Erfahrungen des Nordischen Modells sind nicht durchweg positiv – ganz im Gegenteil. Auch wenn es im Stadtbild von Stockholm und Göteborg keinen offensichtlichen Straßenstrich und keine Bordelle mit Leuchtreklame gibt, ist die Nachfrage nach dieser Dienstleistung, der käuflichen Liebe, ja nicht zurückgegangen,
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Doch! Das stimmt nicht!)
sondern sie geht in das absolute Dunkelfeld – meine Kolleginnen haben schon darauf hingewiesen –, was man anhand der Zahlen auch feststellen kann.
Fakt ist, dass im Jahr 2022 in Schweden 715 Sexkäufer erwischt und verurteilt wurden, doppelt so viele wie in den Jahren davor. Fakt ist, dass in Frankreich aufgrund von gesetzlichen Verschärfungen Opferschutz und Möglichkeiten für Beratungsangebote systematisch und offiziell nicht mehr als notwendig erachtet und auch nicht mehr finanziell und politisch unterstützt werden, weil ja ein Sexkaufverbot besteht.
Ich wünsche mir – wir alle waren in der Kurfürstenstraße; wir alle haben mit den Beratungsstellen gesprochen –, dass Sie sich auch mit den Beratungsstellen auseinandersetzen. Sie machen eine Arbeit, von der ich gerade versucht habe ein Bild zu zeichnen und sie ein bisschen einzuordnen. Kapitulieren Sie nicht vor Ihrer eigenen kleinen Vorstellung, was richtig und was falsch ist!
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Es geht doch nicht um richtig oder falsch! Ist das bitter!)
Schauen wir, was wir politisch möglich machen können! Das sehen wir in Ihrem Antrag nicht. Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Zwangsprostitution zu bekämpfen, aber selbstbestimmte Sexarbeit gleichzeitig zu ermöglichen. Darüber können wir eine politische Debatte führen.
Ein letzter Punkt. Wenn Ihnen das Thema wirklich so wichtig gewesen wäre, dann hätten wir dazu etwas in Ihrem Grundsatzprogramm gefunden. Nichts dergleichen steht da drin.
(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Warten Sie doch einmal ab!)
Das ist der Maßstab, an dem Sie sich in der politischen Debatte messen lassen müssen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Käufliche Liebe gibt es überhaupt gar nicht! Wie kann man von käuflicher Liebe sprechen! Das ist absurd!)
Für die Unionsfraktion hat das Wort Elisabeth Winkelmeier-Becker.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7607746 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 155 |
Tagesordnungspunkt | Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution |