Ann-Veruschka JurischFDP - Aktuelle Stunde - Taurus-Abhörskandal in der Bundeswehr
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Menschen in unserem Land machen sich Sorgen, unbeabsichtigt Kriegspartei in Russlands Krieg gegen die Ukraine zu werden. Ich muss Ihnen leider sagen: Putin führt bereits seit Langem einen hybriden Angriff, und zwar gegen uns – natürlich unterhalb der Schwelle eines offenkundigen kriegerischen Angriffs, natürlich unterhalb der Schwelle eines Bündnisfalls. Aber es ist ein Angriff; oder meinetwegen sind es viele kleine Angriffe: Angriffe gegen unsere liberale, demokratische Gesellschaft, gegen Europa, gegen die NATO-Verbündeten.
Putins Ziel ist es, uns von innen heraus zu schwächen. Durch Desinformation, Subversion und aktive Maßnahmen zur Delegitimierung unseres Staates ist der hybride Angreifer schon jetzt bei uns im Inland. Eine relative Schwäche Deutschlands und der EU bedeutet eine relative Stärkung Russlands, und das ist etwas, das Putin offensichtlich gerade braucht. Putin nutzt gezielt unsere größte Stärke und gleichzeitig auch Schwäche aus: Er wendet unsere freie und offene Gesellschaft, unseren freien Diskurs, unsere demokratische Meinungsbildung gegen uns selbst.
Seine Waffen sind Information und Desinformation. Wir erleben eine Brandbeschleunigung durch Trolle bei Debatten in den sozialen Medien. Wir erleben das Erweitern von gesellschaftlichen Haarrissen durch querulatorische, nicht sachorientierte Debatten. Die AfD hat beispielsweise keine Skrupel, in dieser Debatte hier offenkundig falsche Informationen zu verbreiten und eins zu eins russische Propaganda wiederzugeben. Schämen Sie sich, Herr Moosdorf!
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch gezielte Information kann eine Waffe sein – Stichwort „Hack and Leak“. Russland hat das abgehörte Gespräch von Bundeswehroffizieren ganz gezielt veröffentlicht. Hier werden bewusst Informationen in unsere Gesellschaft gestreut, um die Debatte zu vergiften, Misstrauen zu säen und zu delegitimieren. Hier geht es nicht um Aufklärung, sondern um Spaltung, mit dem Ziel, uns abzulenken und uns zu schwächen. Wir dürfen nicht über dieses Stöckchen springen, das Putin uns da hinhält. Auf gar keinen Fall!
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das World Economic Forum 2024 in Davos – in diesem Jahr – hat in seinem Risikobericht die Desinformation als das größte Risiko aufgeführt. Dabei wird vor allem auch der Zusammenhang zwischen Desinformation und zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung hervorgehoben. Seien wir uns auch sehr bewusst, dass bei allem, was unsere Aufmerksamkeit stark beansprucht, die große Gefahr herrscht, dass wir kollektiv in die falsche Richtung schauen und so etwas viel Wichtigeres übersehen! Wenn ich jetzt also meine Hand hier hochhalte, dann schauen Sie alle nach oben, und wahrscheinlich, vielleicht passiert hier unten etwas viel Wichtigeres. So hat das auch die Kollegin Brugger dargestellt. – Auch das ist ein großes Risiko von Information und Desinformation als Waffe.
Was können und müssen wir also tun? Natürlich müssen wir dringend eine höhere gesellschaftliche Resilienz gegen Desinformation aufbauen; da sind wir alle gefragt. Aber wir müssen uns auch strukturell besser auf eine hybride Bedrohungslage einstellen.
Ich bin Obfrau und Mitglied im Untersuchungsausschuss Afghanistan. Es geht dort im Kern um die Frage, warum der damalige Fall von Kabul nicht rechtzeitig vorhergesehen wurde und wie dieses Chaos damals entstehen konnte. Für mich verdichtet sich in jeder Sitzung des Untersuchungsausschusses mehr und mehr das Bild, dass wir bei uns noch kein geeignetes Frühwarnsystem haben. Gerade auch bei hybriden Bedrohungen geht es darum, breit zu beobachten, verschiedene Lagebilder zusammenzuführen, Querverbindungen herzustellen, außen nicht von innen zu trennen, Maßnahmen vorzuschlagen und zu einen. Das können einzelne Ressorts und Stellen einfach nicht leisten.
Deswegen ist für mich völlig klar: Wenn wir schlagkräftig und effektiv auf hybride Bedrohungslagen reagieren wollen, brauchen wir einen Nationalen Sicherheitsrat.
(Beifall bei der FDP)
Der aktuelle russische Informationsangriff führt uns das jetzt wieder eklatant vor Augen. Es ist jetzt an der Zeit, diese Debatte schnellstmöglich zu führen; denn ohne Sicherheit ist alles nichts. Wir sollten noch in dieser Legislaturperiode über die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates und dessen parlamentarische Flankierung beraten und entscheiden.
(Beifall bei der FDP)
Es geht um unsere Sicherheit, es geht um unsere Demokratie, es geht um unsere Freiheit. Wir brauchen einen Nationalen Sicherheitsrat.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Und der nächste Redner ist Andrej Hunko für die Gruppe BSW.
(Beifall beim BSW)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608223 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 156 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Taurus-Abhörskandal in der Bundeswehr |