13.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 156 / Tagesordnungspunkt 3

Holger MannSPD - Wissenschaftskommunikation

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gute Kommunikation über Wissenschaft wird immer wichtiger. Das Wissen der Welt verdoppelt sich in immer kürzeren Abständen – es braucht nur noch etwa zehn Jahre dafür –, und die Wissensproduktion beschleunigt weiter. Diese und andere Fakten zeugen vom exponentiellen Wachstum der Wissenschaft in den letzten 100 Jahren. Noch hält die Entwicklung von Datenspeichern diesem Wachstum stand; aber wir in unseren biologischen Grenzen können es nicht. Es braucht also gute Kommunikation: Erklärung, Einordnung, Überblick, Debatte, ja, und auch Kritik.

Dafür ein prominentes Beispiel aus der Wissenschaftsgeschichte: Viele Menschen glauben bis heute, dass Spinat wegen seines hohen Eisengehaltes besonders gesund sei.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Fehler!)

Der Grund liegt darin, dass in den 1930er-Jahren bei der Bestimmung des Eisenanteils ein Fehler passiert ist:

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Ein Komma versetzt!)

Es wurde ein Komma falsch gesetzt. Die Folge: Man hatte den Eisenanteil auf einmal verzehnfacht.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Deswegen mussten wir Spinat essen! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ungesund ist Spinat trotzdem nicht!)

– Nein, er hat einen hohen Vitamin-A-Anteil; da haben Sie recht.

Aber der Punkt ist: Es hat 50 Jahre gedauert – zum Leidwesen vieler Kinder –,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

bis dieser Irrtum in einem englischen Wissenschaftsmagazin aufgeklärt wurde. Bis heute hält sich der Mythos aber im wahrsten Sinne des Wortes eisern in vielen Publikationen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Alexander Föhr [CDU/CSU])

Sie sehen, meine Damen und Herren: Gute Wissenschaftskommunikation und unabhängiger Wissenschaftsjournalismus sind unverzichtbar, auch um Falschmeldungen und Fake News einzudämmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Aber noch viel mehr brauchen wir sie zum Bestehen der großen Herausforderungen. Wir haben in der Coronapandemie gesehen, was gute Wissenschaft und gute Kommunikation in globalen Krisen zu leisten vermögen. Nicht minder brauchen wir sie bei technologischen Revolutionen und sozialem Wandel im Zuge der Großen Transformation.

Die Wissenschaftskommunikation steht dennoch selten im Fokus. Im Haushalt des BMBF steht dafür nur jeder tausendste Euro zur Verfügung. Dabei ist Fortschritt und Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Ergebnisse auf Publizität angewiesen.

Wir würdigen deshalb als Koalitionsfraktionen mit unserem Antrag die Leistungen vieler Wissenschaftskommunikatorinnen und -kommunikatoren und machen zugleich konkrete Vorschläge, wie man sie unterstützen und das junge Feld systematisch stärken kann.

Frau Staffler, ich bin ja mit Blick auf die letzte Legislatur milder geworden. Aber 17 konkrete Forderungen zeigen schon: Es ist noch nicht alles Gold, was Sie da polieren wollten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Katrin Staffler [CDU/CSU])

Wir wollen zum Beispiel die Wissenschaftskommunikation systematisch in Karrierewegen und als festen Bestandteil der Förderstrukturen etablieren. Noch spielt es in Deutschland viel zu selten eine Rolle, ob man wissenschaftliche Erkenntnisse gut vermitteln kann. Das muss sich ändern.

Wir wollen die Sichtbarkeit erhöhen. Wir haben tolle Vermittler wie Wissenschaft im Dialog, das Science Media Center oder „dritte Orte“ wie die Forschungsmuseen. Aber wir wollen darüber hinaus Sichtbarkeit erzeugen, das Wissenschaftsbarometer zu einer echten, repräsentativen nationalen Erhebung ausbauen und auch einen gut dotierten Wissenschaftspreis ausloben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Stephan Seiter [FDP])

Wir wollen Partizipation und Verständnis erhöhen – durch die Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern in Citizen-Science-Projekte und auch durch den Ausbau des Publizierens in Open-Access- und Open-Science-Formaten und deren digitaler Infrastruktur.

Und wir schlagen in diesem Antrag, dem Koalitionsvertrag folgend, eine Stiftung vor, die unabhängigen Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten als staatsferne Struktur fördert. Denn Wissenschaftsjournalismus ist selten finanziell profitabel; er reicht meist nicht zum Auskommen der Journalistinnen und Journalisten. Deswegen kämpfen wir hier auch um den Erhalt von Journalismus als unabhängige, als kritische Instanz, die uns wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Spiegel vorhält, Verdrängen oder einseitige ökonomische Abhängigkeiten verhindert und als Korrektiv dringend gesellschaftlich gebraucht wird.

Es ist Zeit, nach zwei Jahren bei diesem Projekt voranzukommen; denn aktuelle Entwicklungen zeigen – der Kollege Seiter hat es schon angedeutet –: Es braucht diese Stärkung der Kommunikation aus und über die Wissenschaft dringender denn je. Es braucht sie jetzt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank. – Ich glaube ja, dass Rahmspinat das Leid der Kinder etwas gemindert hat, wenn auch nicht zugunsten der Gesundheit, nehme ich fast an.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Nächster Redner ist jetzt Dr. Marc Jongen für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7608254
Wahlperiode 20
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt Wissenschaftskommunikation
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