Ingo BodtkeFDP - Bürgergutachten des Bürgerrats "Ernährung im Wandel"
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Dieser Spruch kam mir bei der Lektüre der Empfehlungen des Bürgerrats „Ernährung im Wandel“ immer wieder in den Sinn, und ich habe mich gefragt: Wozu braucht man in einer parlamentarischen Demokratie derartige Gremien auf Bundesebene? Nach meinem parlamentarischen Verständnis bilden wir Bundestagsabgeordnete als die vom Volk frei gewählten Repräsentanten den Bürgerrat.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir brauchen keine Parallelstrukturen, die den hochkomplexen Sachfragen nicht Rechnung tragen können.
Bei dem Gutachten habe ich mich gefragt: Welche Handlungsempfehlungen können im parlamentarischen Verfahren überhaupt umgesetzt werden? Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Es geht hier nicht darum, die engagierte Arbeit der Beteiligten kleinzureden. Die Frage, die ich mir aber stelle, ist: Macht es Sinn, ein solch unverbindliches Gutachten zu erarbeiten, wenn sich der Bundestag letztendlich nicht an die Empfehlungen bindet? Und deshalb stellt sich auch die Frage: Was ist das Gegenteil von gut? – Nicht: schlecht, sondern: gut gemeint. Seit vielen Jahren werden diese Themen bereits in den parlamentarischen Gremien beraten und intensiv diskutiert; aber alle wissenschaftlichen Erkenntnisse scheitern zu oft an der praktischen Umsetzung.
(Zuruf von der SPD: Nein, das stimmt nicht!)
Ich sage: Wenn es einfache Lösungen gäbe, wären alle diese Probleme schon längst vom Tisch. Machen wir es mal an einem Beispiel fest: Gut gemeint ist sicherlich auch die Empfehlung des Bürgerrates für ein kostenfreies und gesundes Mittagessen. Eine ausgewogene Ernährung für alle Kinder und das gemeinsame Mittagessen werden als Schlüssel für gleiche Bildungschancen und Gesundheit angesehen.
(Amira Mohamed Ali [BSW]: Ja, das stimmt! Ist ja auch so!)
Klingt gut. Aber wie sieht denn die Realität schon heute in den Kitas und Schulen aus? In Gesprächen mit Caterern für Schulessen wird mir immer wieder gespiegelt, dass Eltern das kostenlose Mittagessen für ihre Kinder nicht ausreichend wertschätzen. Was nichts kostet, wird auch nicht genügend wertgeschätzt. Da wird das Essen direkt vom Teller in die Abfalltonne befördert. Da werden Kinder nicht vom Mittagessen abgemeldet, weil es eben nichts kostet und man sich die Mühe spart, das Essen beim Versorger abzumelden.
Was viele gar nicht wissen: Der Anbieter von Schulverpflegung muss das nicht verzehrte Essen auf eigene Kosten entsorgen. Hier werden gut gemeinte Vorschläge auf dem Rücken der mittelständischen Essensversorger ausgetragen. Jüngstes Beispiel: Das Land Berlin leistet sich seit 2019 die Kostenfreiheit für das Schulessen mit jährlichen Kosten von 180 Millionen Euro. Das traurige Ergebnis ist, dass seitdem jedes vierte Berliner Schulessen mittags direkt in der Tonne landet. Die Tafel bekommt nichts, die Schweine kriegen nichts – alles wird kostenpflichtig entsorgt. Das kann nicht die Lösung sein!
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: So ist es!)
Wenn es also subventioniertes Essen geben sollte, befürworte ich einen Unkostenbeitrag, der deutlich unterhalb des Deckungsbeitrags liegen sollte.
Meine Damen und Herren, wir müssen Deutschland entbürokratisieren; da sind wir uns, glaube ich, einig. Zusätzliche Gremien mit reinem Empfehlungscharakter schaffen jedoch wieder einen Zuwachs an Zeit, Personal- und Dokumentationskosten. Das kann nicht unser Ziel sein.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Als Nächste hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Zoe Mayer.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608348 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 157 |
Tagesordnungspunkt | Bürgergutachten des Bürgerrats "Ernährung im Wandel" |