Peggy SchierenbeckSPD - Bürgergutachten des Bürgerrats "Ernährung im Wandel"
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Bürgerrat! Zuerst war ich beim Bürgerrat skeptisch: Noch ein Gremium? Ist das sinnvoll? Was soll das bewirken? Um das herauszufinden, habe ich verschiedene Informationsveranstaltungen besucht. Ich wollte verstehen: Wie werden die Teilnehmenden ausgewählt? Wie wird sichergestellt, dass sie die Vielfalt unserer Gesellschaft möglichst gut abbilden? Und – was mir auch wichtig ist – wie werden die Stimmen sichtbar und hörbar, die sonst in der politischen Diskussion weniger präsent sind?
Ich muss sagen: Das mehrstufige Verfahren per Zufallsauswahl, durch das schließlich 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland ermittelt wurden, hat mich überzeugt; denn so ist eine Art Mini-Deutschland zusammengekommen. Auch die Themenauswahl hat mich überzeugt – es könnte nicht aktueller sein –: „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“. Ernährung betrifft jede und jeden von uns. Ernährung ist eine höchstpersönliche und oft auch eine sehr emotionale Angelegenheit. Jeder ist Experte, und jede Meinung zählt. Genau das ist die Idee hinter dem Bürgerrat.
Nach intensiver Beratung hat er neun zentrale Empfehlungen ausgearbeitet. An erster Stelle steht die Forderung nach einem kostenfreien und gesunden Mittagessen für alle Kinder und Jugendlichen in diesem Land. Die Teilnehmenden haben berichtet, wie sehr sie diskutiert und abgewogen haben. Und ganz bewusst wurde beschlossen: Es soll Platz eins sein, es soll kostenfrei sein – für alle zugänglich, ohne Stigmatisierung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Da schließe ich mich ausdrücklich an. Und es ist eine ursozialdemokratische Forderung.
Natürlich gibt es auch wieder Stimmen – wir haben sie gehört –, die sagen: Kostenfrei? Da bestellt nachher jeder und nimmt das dann nicht wahr. Wir unterstützen damit die Lebensmittelverschwendung, nach dem Motto „Was nichts kostet, ist nichts wert“. – Das wurde hier gesagt. Essen verdient Wertschätzung, auch wenn es kostenfrei ist; keine Frage. Dafür werden wir Lösungen finden, und dafür haben Sie auch schon Lösungen vorgestellt. Das eine tun, ohne das andere zu lassen.
Was mich persönlich antreibt, ist der Aspekt der Gesundheit. Wir wissen, welche Auswirkungen eine falsche Ernährung auf unsere Gesundheit hat. Über 1 Milliarde Menschen sind weltweit von Adipositas betroffen; viel zu viele Kinder sind schon darunter. Das ist alarmierend.
(Beifall des Abg. Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir sind also dringend gefordert, unserer Fürsorgepflicht als Staat überall dort, wo wir wirken können, nachzukommen.
Das Beispiel Schweden geht mir nicht aus dem Kopf. Dort gibt es seit den 1940er-Jahren ein kostenfreies Mittagessen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Kinder, die über die gesamte neunjährige Schulpflichtzeit gratis Essen bekamen, einen Zentimeter größer wurden und einen höheren Bildungsabschluss erzielten. Es ist einfach Wahnsinn, was das für Langzeitauswirkungen hat. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Zukunftsinvestition liegt so sehr auf der Hand.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir also als Staat unserer Fürsorgepflicht nachkommen und Kindern ein Mittagessen anbieten, dann muss es einen Mehrwert für die Gesundheit, für die Entwicklung unserer Kinder haben. Es muss ausgewogen sein, und natürlich muss es lecker sein, sonst wird auch ein kostenfreies Essen nicht wahrgenommen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt!)
Täglich essen 17 Millionen Menschen in der Gemeinschaftsverpflegung – in der Kita, in der Schule, in der Uni, in den Betrieben, im Pflegeheim, im Krankenhaus. Der Bürgerrat denkt ganzheitlich, angefangen beim Zugang zu gesundem Essen über Transparenz und die Sicherheit von Lebensmitteln, weniger Lebensmittelverschwendung, mehr Tierwohl, Kinder- und Jugendschutz bis hin zu finanziellen Anreizen durch eine angepasste Mehrwertsteuer.
Für mich ist das hier noch mal die Gelegenheit, um Ihnen meinen höchsten Respekt auszusprechen und Ihnen für Ihre intensive Arbeit zu danken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt liegt es an uns, verantwortungsvoll mit diesen Empfehlungen umzugehen und sorgfältig zu prüfen, wie sie praktikabel und rechtssicher Realität werden können. Vielen Dank für Ihren Auftrag.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als Nächste hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Christina Stumpp.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608353 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 157 |
Tagesordnungspunkt | Bürgergutachten des Bürgerrats "Ernährung im Wandel" |