Annika KloseSPD - Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Der von der AfD vorgelegte Antrag hat im Kern zwei Forderungen: Zunächst sollen Menschen, die Bürgergeld beziehen, nach ihrer Arbeitsfähigkeit sortiert werden. Anschließend sollen diejenigen, die von der AfD als arbeitsfähig eingeschätzt werden, zu einer Arbeit verpflichtet werden.
(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
All das verkauft uns dann die AfD hier als neues Konzept, was sie sich ganz toll ausgedacht habe und wo sich ja alle anderen – böse, böse – weigern würden, das umzusetzen. Es tut mir sehr leid, Sie darauf hinweisen zu müssen, dass das meiste zumindest von dem, was Sie hier in Ihrem Antrag fordern, bereits geltendes Recht ist und bei dem, was kein geltendes Recht ist, es sehr gute Gründe gibt, warum es kein geltendes Recht ist. Insofern betreiben Sie hier mal wieder ordentlich Schattenboxen. Sie tun so, als gäbe es ein großes Problem, wo in der Realität keines ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Aber schauen wir uns das doch mal der Reihe nach an. Zunächst einmal gab es ausnahmsweise in Ihrem Antrag sogar etwas, worüber ich mich gefreut habe. Es sieht nämlich so aus, als hätte auch die N-AfD es endlich mal geschafft, sich die Daten und Fakten rund um das Bürgergeld anzuschauen.
(Enrico Komning [AfD]: Na, na, na! Was heißt denn hier N-AfD?
Vermutlich waren Sie das zwar nicht selber, sondern irgendein Fraktionsreferent, aber Shout-out an diese Person. Ich hoffe, Sie machen das ab jetzt mal öfter. Bei einem Blick in die Daten und Fakten zum Bürgergeld stellen Sie schließlich endlich fest, dass Ihre alte Leier, die Leute würden ja nicht arbeiten wollen und sich auf den Sozialleistungen ausruhen, schlicht falsch ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sehr viele Menschen, die auf das Bürgergeld angewiesen sind, würden gerne arbeiten, aber können es nicht.
1,5 Millionen Menschen im Bürgergeld sind nämlich nicht erwerbsfähig – meist, weil sie oft noch zur Schule gehen.
Nur 1,7 Millionen der arbeitsfähigen Menschen im Bürgergeld sind tatsächlich arbeitslos. Der Rest pflegt Angehörige, betreut Kinder, nimmt an Maßnahmen teil oder befindet sich in Aus- und Weiterbildung.
800 000 Menschen im Bürgergeldbezug arbeiten bereits und stocken auf, weil ihr Einkommen schlicht nicht zum Leben reicht.
Und ein Drittel der Alleinerziehenden in Deutschland sind auf das Bürgergeld angewiesen. Oder anders gesagt: 550 000 der Bürgergeldempfänger/-innen sind alleinerziehend und können nicht den Unterhalt für sich und ihr Kind stemmen.
Sehr viele Menschen, die auf das Bürgergeld angewiesen sind, würden gerne arbeiten, aber können es gerade nicht oder nicht so viel, wie es nötig wäre. Wie schön, dass auch die AfD das endlich mal begriffen hat.
Nun wollen Sie all jene Leute, die Sie nicht als arbeitslos einschätzen, vom SGB II, also der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ins SGB XII, also die Sozialhilfe, schieben und die Arbeitsvermittlung dann auf die übrigen Leute im SGB II konzentrieren. Ich muss sagen: Das finde ich nicht richtig; denn auch eine Person mit beispielsweise gesundheitlichen Problemen sollte nicht aufs Abstellgleis geschoben werden, sondern Unterstützung dabei erhalten, wieder in Arbeit zu kommen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Sozialhilfe ist für Menschen gedacht, die nicht arbeiten können, also Kinder, Rentner/-innen und Erwerbsgeminderte. Für alle anderen habe ich zumindest den Anspruch, sie wieder in Arbeit zu kriegen, auch wenn es vielleicht nur mit einer Umschulung oder Weiterbildung klappt. Und ich bin dankbar, dass die Jobcenter diese Arbeit machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und nun zum dritten Punkt und damit zu dem, worum es der AfD wohl eigentlich geht: Sie wollen die Leute, die Bürgergeld bekommen, zur Arbeit verpflichten und nennen das Bürgerarbeit. Jetzt tun Sie so, als hätten Sie damit das Rad neu erfunden. Wenn Sie aber das Sozialgesetzbuch II mal aufschlagen würden, würden Sie feststellen, dass all das bereits mit dem § 16d SGB II möglich ist. Auch die Pflicht zur Mitwirkung gibt es im Bürgergeld bereits jetzt.
So weit, so nicht neu – und von daher hat man mit dem Instrument auch schon so einiges an Erfahrung sammeln können. Die Erfahrung zeigt, dass solche Arbeitsgelegenheiten häufig mehr kosten, als sie nutzen, und die Menschen, die dort zugewiesen sind, es teilweise schwerer haben, wieder einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Daher wird es nicht mehr oft genutzt. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat vor zwei Jahren auch schon mal eine sehr gute Ausarbeitung dazu gemacht. Ich empfehle Ihnen diese Lektüre.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Vielen Dank, Frau Kollegin Klose. – Nächster Redner ist der Kollege Kai Whittaker, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608451 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 157 |
Tagesordnungspunkt | Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung |