14.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 157 / Tagesordnungspunkt 8

Jens TeutrineFDP - Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung

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Der Kollege Rosemann von der SPD-Fraktion und der Kollege Kai Whittaker von der CDU haben noch einmal versucht, zu rekapitulieren: Wie kam es eigentlich zum Bürgergeld? Ich fand das noch etwas unvollständig. Deswegen möchte ich einen Beitrag zur Information leisten und das noch ergänzen.

Am 10. November 2023, als wir hier über das Bürgergeld abgestimmt haben, war es nämlich so, dass die Union vorgeschlagen hat: Lasst uns nur die Sozialleistungen erhöhen! Lasst uns nicht um die Qualifizierungsmaßnahmen kümmern! Lasst uns nicht die Zuverdienstgrenzen für Azubis verbessern, die bei einem Verdienst von 800 Euro bei Hartz IV nur 240 Euro bekommen sollten! Sie haben damals gesagt, das Bürgergeld habe zu wenig Sanktionen, es würde zu hohe Schonvermögen geben und deswegen solle man jetzt nur die Sozialleistungen erhöhen.

Sie haben auch die getrennte Abstimmung gefordert und dann der Erhöhung der Sozialleistungen zugestimmt und das Gesamtpaket abgelehnt. Dann ging es in den Vermittlungsausschuss. Dort haben wir über Sanktionen, über Vermögen gesprochen. Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses kam erneut in den Deutschen Bundestag. Als es erneut in den Deutschen Bundestag kam, haben Sie dem kompletten Bürgergeld zugestimmt,

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Aha!)

allem zugestimmt: den Sanktionen, den Vermögenswerten, den Qualifizierungsmaßnahmen, den verbesserten Hinzuverdienstgrenzen und der Erhöhung.

Ich zitiere aus Ihren Pressemitteilungen:

„Die Unionsfraktion ist zufrieden mit dem Kompromiss zum sogenannten Bürgergeld, …“.

Es konnte also zum 1. Januar. starten. Und weiter:

„Fraktionschef Friedrich Merz sagte, der Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen sei abgewendet. Die Leistungen für Langzeitarbeitslose seien nach wie vor an die klare Mitwirkung der Empfänger geknüpft.“

(Pascal Kober [FDP], an die CDU/CSU gewandt: Jetzt guckt doch nicht so traurig!)

Ein weiteres Zitat:

„‚Der von der Ampel gewünschte Systemwechsel findet nicht stattʼ, betonte Herman Gröhe. Die Balance zwischen Fördern und Fordern stimme. ‚ Wir setzen die notwendigen Anreizeʼ, damit Menschen möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können …“

Das waren Ihre Pressemitteilungen, die man heute auf der Website noch nachlesen kann. Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen Ihrer Verantwortung und Courage und der Tatsache, wie Sie abgestimmt haben und wie Sie sich in der Öffentlichkeit verhalten. Ich würde mir etwas weniger Hasenfüßigkeit vor der eigenen Verantwortung wünschen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und das Spiel ging weiter. Sie haben sich dann beschwert, dass die Sozialleistungen nach dem Regelsatz ein zweites Mal erhöht werden und haben aber im Bundesrat mit allen Bundesländern zugestimmt. Carsten Linnemann setzt sich in jede Talkshow und betont: Leistung muss sich mehr lohnen. – Ich teile das, was Carsten Linnemann sagt. Aber Sie sind nicht der Hüter von Erwerbsanreizen und Leistungsgerechtigkeit,

(Zuruf des Abg. Stephan Stracke [CDU/CSU])

wenn Sie im Bundesrat am Ende zustimmen. Auch das ist eine Hasenfüßigkeit vor der eigenen Verantwortung.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, zu einer Opposition gehört es, Kritik zu üben. Das ist auch legitim. Aber ich würde mir etwas mehr Ehrlichkeit in der Debatte wünschen. Vielleicht kann das ein Anlass sein.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde aber auch, die Koalition muss besser sein als der oppositionelle Besserwisser. Wir sind diejenigen, die Verantwortung tragen. Das heißt für uns, wir müssen es besser machen. Ich sage für meine Fraktion: Ich bin noch nicht mit dem Sozialstaat zufrieden. Ja, wir haben einige gute Sachen auf den Weg gebracht. Ich sehe aber erheblichen Reformbedarf. Für uns bedeutet Gerechtigkeit im Sozialstaat, dass er nicht nur gerecht gegenüber denjenigen sein muss, die hilfsbedürftig sind, sondern auch denjenigen gegenüber, die Steuern zahlen. Es ist nicht das Geld des Staates, sondern das Geld der Steuerzahler.

(Beifall bei der FDP)

Diese Gerechtigkeit müssen wir auch ausgiebig ausbalancieren. Deswegen ist es richtig, wenn wir anmerken: In Zeiten von schrumpfender Wirtschaft müssen wir auch über die Reform des Sozialstaates sprechen.

Ich sehe die skeptischen Blicke bei Rot und Grün zu diesem Punkt, der uns aber besonders am Herzen liegt und bei dem wir vielleicht einen Unterschied haben; denn wir glauben nicht, dass das Geld der Steuerzahler einfach nur eine Verteilmasse von Politikern ist, sondern man muss sich auch rechtfertigen. Aber ich glaube, es gibt auch viele Gemeinsamkeiten bei der Frage, wo wir Reformen des Sozialstaates für sinnvoll halten. Es ist eigentlich eine Absurdität, dass es für eine Familie in München keinen Unterschied macht, ob sie 3 000 oder 5 000 Euro brutto verdient. Wenn sie 2 000 Euro mehr verdienen würde, hat sie gerade einmal 32 Euro mehr in der Tasche. Das war schon bei Hartz IV so. Das war schon beim Wohngeld so und beim Kinderzuschlag.

(Zuruf des Abg. Stephan Stracke [CDU/CSU] – Gegenruf der Abg. Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben daran gar nichts geändert!)

Wir sollten die Hinzuverdienstgrenzen leistungsgerecht ausgestalten.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eine Absurdität, dass wir immer noch Weiterbildungsmaßnahmen haben, zu denen die Menschen nicht gerne hingehen und in denen sie nicht gut qualifiziert werden. Wir können nicht zufrieden sein, da wir viel Geld in Weiterbildung stecken, aber die Qualität schlecht ist. Ich finde auch den Widerspruch zwischen denen, die sagen: „Wir müssen in Arbeit vermitteln“, und denen, die sagen: „Wir müssen qualifizieren“, nicht mehr zeitgemäß. Zeitgemäß wäre ein duales System für Arbeitslose. Verbesserungen sowohl bei Arbeitsgelegenheiten als auch bei Teilzeitarbeit, Qualifizierungen und digitalen Sprachangeboten wären notwendig.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich mache noch mehr Angebote. Wir müssen bei den Jugendberufsagenturen und bei der Vernetzung der Daten besser werden; auch in den Ländern. Es kann nicht sein, dass die Schulen die Daten darüber, wer noch keine Ausbildung gefunden hat, nicht weitergeben und die jungen Menschen erst zur Vermittlung kommen, wenn sie arbeitslos sind.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt viel Handlungsbedarf.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Meine Fraktion lädt die konstruktive Opposition dazu ein.

Herr Kollege.

Wir laden aber auch die regierungstragenden Fraktionen dazu ein, –

Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.

– den Sozialstaat weiter zu reformieren. Nicht mehr Geld –

Herr Kollege!

– und ihn noch teurer machen, sondern ihn besser machen ist unser Motto.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Teutrine, ich gehe davon aus, dass ich so sehr in Ihrem Herzen verankert bin, dass Sie die Grußformel für das sitzungsleitende Präsidium vergessen haben.

(Jens Teutrine [FDP]: Du weißt, ich denke viel an dich!)

– Das ist so, ja. Deshalb bekommen Sie dafür auch keine Rüge von mir.

Nächster Redner ist der Kollege Jens Peick, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7608459
Wahlperiode 20
Sitzung 157
Tagesordnungspunkt Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung
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