Pascal KoberFDP - Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung
Sehr geehrter, lieber Herr Präsident!
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Welche Sympathie!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier über einen Antrag der AfD zum Thema „Reform des Bürgergeldes“. Es geht allerdings gleich zu Beginn damit los, dass Menschen aus dem Bürgergeld in die Sozialhilfe abgeschoben werden sollen – das Ganze unter dem großen Titel:
(Enrico Komning [AfD]: „Deportieren“ wahrscheinlich!)
„Wir brauchen Fachkräfte in Deutschland“.
Tatsächlich fragt man sich: Was sollen die Menschen dann in der Sozialhilfe tun? Da sollen sie – Zitat – passgenau versorgt werden. Wir würden ja gerne wissen, was eine passgenaue Versorgung von Menschen in der Sozialhilfe, die vorher im Bürgergeld waren und dort offensichtlich nicht passgenau versorgt worden sind, sein soll.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Lesen Sie doch mal SGB XII!)
Wir wären geradezu neugierig darauf, mit Ihnen in eine fachliche Diskussion dazu zu gehen, aber wir bekommen keine Antwort. Warum nicht? Weil Sie letzten Endes überhaupt keine Vorstellung davon haben, was da tatsächlich passieren soll, oder Sie uns diese jedenfalls verschweigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, das ist dürftig, das ist fachlich nicht hinreichend, das ist: Note „Sechs“, setzen!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, möchten Sie den anderen Teil möglichst schnell und unmittelbar in Arbeit vermitteln – ohne Qualifizierung, Hauptsache: schnell in Arbeit.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Zwang!)
Dabei ist doch die Lebensrealität gerade die, dass Sie damit allenfalls Arbeitskräfte bekommen, aber nicht die Fachkräfte, die Sie laut Ihrem Antrag gewinnen wollen. Beim Thema Arbeitskräfte ist auch interessant: Wenn man sich mal wirklich fachlich kundig macht, dann stellt man fest, dass bei den Unqualifizierten im SGB II die Realität so ist, dass sie laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zur Hälfte etwa innerhalb von fünf Jahren mehr als fünfmal den Job wechseln. Das heißt, eine nachhaltige Vermittlung als Arbeitskraft funktioniert ja so auch nicht.
Die Frage ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was will die AfD eigentlich an der Situation verbessern? Ich stelle fest, wenn ich den Antrag lese: Sie hat keine Ahnung in der Sache und deshalb auch keinen Vorschlag.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bemerkenswert ist auch, dass Sie den Debatten hier im Plenum nicht folgen. Es gab schon mal einen Kollegen – das war ein Kollege der Union –, der hier auch davon sprach, dass man Langzeitarbeitslose aus dem SGB II unmittelbar in Arbeit vermitteln könnte. Er sprach davon, dass es davon 1,7 Millionen gebe, die man sofort, am nächsten Tag integrieren könnte. So ähnlich liest sich Ihr Antrag.
Die Wahrheit ist allerdings, dass von diesen 1,7 Millionen 70 Prozent keine abgeschlossene Berufsausbildung haben und 25 Prozent noch nicht mal einen Schulabschluss.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Ja, die kommen ja auch aus dem Ausland! Das sind Ihre Geflüchteten!)
Was bekommen sie denn für eine Unterstützung in unserer Arbeitswelt, wenn Sie diesen Menschen keine Chance geben, sich zu qualifizieren – vielleicht nachträglich, wenn es mit dem ersten Ansatz nicht geklappt hat?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir glauben an das Potenzial jedes Menschen. Deshalb sind wir der Meinung, dass wir vor der Integration in den Arbeitsmarkt auf Qualifikation setzen müssen. Deshalb haben wir ganz bewusst den Vermittlungsvorrang abgeschafft; denn das ist der richtige Weg, um tatsächlich einen wirksamen Beitrag zur Reduzierung des Fachkräftemangels und auch des Arbeitskräftemangels zu leisten.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der vorgeschlagene Weg der AfD ist vollkommen falsch, und deshalb ist dieser Antrag abzulehnen. Es ist aber auch insgesamt abzulehnen, fachlich so dürftige Anträge vorzulegen. Unser Parlament hat einen Anspruch auf fachlich tiefgreifende Diskussionen. Ein Beitrag dazu war und ist Ihr Antrag nicht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Kober. – Mir ist aufgefallen, dass mehrere Kolleginnen und Kollegen mittlerweile offensichtlich glauben, man dürfte im Plenarsaal telefonieren. Das ist tatsächlich nicht der Fall. Der oder die Nächste, die ich erwische, verweise ich des Saales. Telefonieren kann man auch kurzzeitig draußen.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Natalie Pawlik, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608467 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 157 |
Tagesordnungspunkt | Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung |