Jens SpahnCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Energiepolitik der Bundesregierung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Versorgungssicherheit ist gefährdet, der Strom ist teuer, und die Auswirkungen der Energiewende kann die Bundesregierung nicht umfassend bewerten. Insgesamt haben sich die Risiken seit 2021 verschärft. Die Energiewende droht zu scheitern. Dies hätte gravierende Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. – Das alles sagt der Bundesrechnungshof in seinem Bericht. Damit ist das Scheitern Ihrer Energiepolitik amtlich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Anstatt sich sachlich mit der Kritik auseinanderzusetzen, haben Sie sich entschieden – ich bin gespannt, ob Sie das heute in bekannter Ampelmanier fortsetzen –, den Bundesrechnungshof, eine unabhängige, angesehene oberste Behörde des Bundes, von oben herab zu diskreditieren. Das hat ja ein Muster; das haben wir schon erlebt. Als das Bundesverfassungsgericht Ihnen in den Arm gefallen ist und Ihre verfassungswidrige Schuldenpolitik gestoppt hat, haben Sie das Gericht in eine parteipolitische Auseinandersetzung gezogen. Ich sage Ihnen: Lassen Sie das! Sonst beschädigen Sie zu Ihrem eigenen Vorteil die angesehensten Institutionen unserer Republik. Hören Sie auf damit!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Im Kern geht es um zwei Kritikpunkte. Im Bericht heißt es, Ihre Annahmen zur Versorgungssicherheit sind „wirklichkeitsfremd“, weil Sie nur Wünsch-dir-was-Szenarien zugrunde legen. Sie unterstellen, dass Ihre Ausbauziele bis 2030 voll gelingen. Doch Sie hängen schon jetzt hinterher. Vor allem der Wind-an-Land-Ausbau ist weit hinter Plan. Sie unterstellen, dass der notwendige Netzausbau schnell genug gelingt. Doch der ist bereits 6 000 Kilometer und sieben Jahre hinter Plan.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir holen gerade auf!)
Sie unterstellen, dass 2030 ausreichend Reservekapazitäten da sind. Dafür müssten aber in den nächsten sechs Jahren neue Gaskraftwerke mit einer Kapazität von über 20 Gigawatt gebaut werden. Dabei passiert das Gegenteil. Ende dieses Monats gehen Kohlekraftwerke mit 8 Gigawatt Leistung vom Netz – ohne jeden Ersatz. Übertragungsnetzbetreiber rechnen schon für den nächsten Winter mit einer Lücke bzw. einem Importbedarf von 19 Gigawatt in der Spitze.
Wir haben schon jetzt ein riesiges Problem bei der Versorgungssicherheit, und das wird sich weiter vergrößern. Und wenn Sie mir gleich wieder mit dieser ganzen Leier, den 16 Jahren und den Versäumnissen in der Vergangenheit, kommen,
(Marianne Schieder [SPD]: Die ganze Wahrheit, meinen Sie?)
dann haben Sie den Kern der Kritik nicht verstanden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir werfen Ihnen nicht vor – auch der Bundesrechnungshof in seinem Bericht nicht –, dass die Zahlen so sind, wie sie sind. Was wir Ihnen vorwerfen, ist die rosarote Brille, mit der Sie unrealistische Schönwetterannahmen machen, und ist, dass Sie die Perspektiven eines Industrielandes auf diesen Schönwetterannahmen aufbauen. Das ist das eigentliche Problem.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir werfen Ihnen vor, dass Sie den Kohleausstieg durchziehen wollen, ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei muss endlich gelten: kein Ausstieg mehr ohne vorherigen Einstieg in die entsprechenden Alternativen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir können ein Industrieland wie Deutschland nicht nach dem Prinzip Hoffnung fahren.
Der zweite Kritikpunkt im Bericht lautet: Die Strompreise sind zu hoch; sie zählen zu den höchsten in Europa. Und es wird immer teurer, nicht günstiger. „ Sonne und Wind schicken keine Rechnung“, das ist der größte Blödsinnssatz der deutschen Energiedebatte;
(Beifall bei der CDU/CSU)
das arbeitet der Bundesrechnungshof eindrucksvoll heraus. Die massiven Kosten des Netzausbaus – weitere 450 Milliarden Euro in 20 Jahren –, die enormen Kosten des notwendigen Netzmanagements von bis zu 7 Milliarden Euro jährlich, die riesigen Milliardeninvestitionen in Reservekraftwerke, die nur 800 Stunden im Jahr laufen, aber viel kosten – all das macht Ihre Art der Energiepolitik wahnsinnig teuer.
(Zuruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deswegen: Leiten Sie endlich eine Kostenwende ein!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich nenne ganz konkrete Vorschläge. Lassen Sie den überdimensionierten Netzausbau weg!
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Setzen Sie da, wo es passt und auch möglich ist, mehr auf Freileitungen! Setzen Sie nicht immer auf die Goldrandlösung – Wasserstoff in allen Bereichen –, sondern machen Sie Gaskraftwerke, wo es passt, mit CCS möglich! Befördern Sie echte Technologieoffenheit! Sie setzen nur auf Sonne und Wind. Allen anderen Technologien geben Sie keine Chance. Senken Sie mit den CO2-Einnahmen die Stromsteuer und die Netzentgelte! Das würde einen Unterschied machen in Ihrer Energiepolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Herr Minister, der heute leider nicht da ist, hat letzte Woche in Washington gesagt – Zitat –:
„Die USA sind nicht auf Kurs. Deutschland war es (auch) nicht. Jetzt bringe ich es auf Kurs.“
Ja, Herr Habeck bringt Deutschland auf Kurs, auf einen Crashkurs in der Energiepolitik; das ist das Problem.
(Beifall bei der CDU/CSU)
2022, zu Beginn der Energiekrise, hat die Regierung schnell entschlossen und geschlossen gehandelt, und wir haben Sie unterstützt. Aber seitdem herrschen Chaos, Unsicherheit, Ideologie. Wer den Mund so voll nimmt und unsere internationalen Partner so belehrt wie der Minister in den USA, der sollte wenigstens seine Hausaufgaben gemacht haben. Das haben Sie aber nicht. Ich will mich bei der Wortwahl nicht ganz auf das Niveau des Ministers begeben, aber eines sage ich Ihnen: Lösen Sie verdammt noch mal zuerst Ihre Probleme zu Hause, bevor Sie andere belehren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Spahn. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Nina Scheer, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608504 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 157 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Energiepolitik der Bundesregierung |