14.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 157 / Tagesordnungspunkt 13

Axel MüllerCDU/CSU - Anpassung der Mindeststrafen des § 184 b StGB

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Minister Buschmann, Sie haben es ausgeführt: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder zählt zu den schlimmsten Straftaten. Die Opfer gehören zur schwächsten Gruppe einer Gesellschaft, weil sie sich gegen ihre Peiniger praktisch nicht wehren können. Eine Form der Tatbegehung stellen die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinderpornografischen Materials dar. Diese ist Gegenstand des von Ihnen heute vorgestellten Gesetzentwurfs. Sie lieferte auch in der letzten Legislaturperiode den Anlass für den Kampf des Gesetzgebers gegen diese abscheulichen Taten; denn während die Zahl entsprechender Straftaten laut Polizeilicher Kriminalstatistik 2020 noch bei 18 700 Fällen lag, waren es 2022 bereits über 42 000 Fälle. Wohlgemerkt, das waren die, die bekannt geworden sind; das Dunkelfeld ist weitaus größer. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass in Deutschland bis zu 1 Million Kinder und Jugendliche Opfer von sexualisierter Gewalt durch Erwachsene geworden sind.

Nach aufsehenerregenden Fällen wie dem Campingplatzfall in Lügde sah sich der Gesetzgeber in der letzten Legislaturperiode veranlasst – es war höchste Zeit –, sich dieser Problematik anzunehmen. In der letzten Legislaturperiode – das haben Sie ausgeführt – haben wir daher entsprechende Strafverschärfungen vorgenommen. Es existierte bis dahin ein Strafrahmen je nach Begehungsweise von drei Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. In sogenannten minder schweren Fällen waren auch Geldstrafen möglich.

Wir waren der Überzeugung, dass es gerade bei den erwachsenen Tätern, die häufig ihre aus einem sozialen Näheverhältnis heraus bestehende Vertrauensstellung gegenüber Kindern und Jugendlichen missbrauchen, mehr Abschreckung braucht, um sie von der Begehung solcher Taten abzuhalten. Daher haben wir vor allem die Mindeststrafe erhöht und die Taten generell zu Verbrechen – Mindeststrafe ein Jahr – hochgestuft. Damit haben wir die Generalprävention entsprechend berücksichtigt – wir haben ihr mehr Rechnung getragen –, die eine abschreckende und schützende Maßnahme zur Verhinderung von Straftaten ist. Das ist erwiesen.

Die Verhinderung der Tat muss das oberste Ziel sein. Denn die Opfer – das weiß ich aus meiner praktischen Erfahrung als Mitglied einer Jugendschutzkammer – leiden vielfach unter Traumatisierungen, zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes lebenslänglich, während die Täter, die Peiniger, nach Verbüßung ihrer Strafen wieder auf freiem Fuß sind.

Um es zusammenzufassen: Wir haben in der Folgezeit generell die Einstufung als Verbrechen vorgenommen, haben dadurch aber, wie Sie es ausführlicher dargestellt haben, eine Problemlage für Polizei und Justiz geschaffen. In bestimmten Sachverhaltskonstellationen kam es zu Ergebnissen, die der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers einfach zuwiderliefen, so zum Beispiel, wenn Lehrer kinderpornografisches Material auf dem Handy von Schülern oder Eltern auf dem ihrer Kinder an sich nahmen, um es – nicht aus sexuellen, sondern aus erzieherischen Motiven – zu sichern und dann an Ermittlungsbehörden weiterzugeben, und sich plötzlich dem Vorwurf des Besitzes von Kinderpornografie ausgesetzt sahen. Zwischenzeitlich gibt es deswegen Vorlagen von Strafgerichten beim Bundesverfassungsgericht mit dem Vorwurf, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nicht mehr ausreichend berücksichtigt, so in einem Fall, in dem jemand als Mitglied einer Whatsapp-Gruppe mit mehreren Hundert Beteiligten plötzlich eine Nachricht mit kinderpornografischem Inhalt auf sein Handy gespielt bekommen und sie nicht sofort gelöscht hat.

Ich denke, wir sind uns weitestgehend darüber einig, dass das nicht die Zielgruppe ist, die wir mit unserer Gesetzesänderung bekämpfen wollten. Hier ist das Interesse der Strafverfolgung – Sie haben das ausgeführt – gering oder gar nicht vorhanden. Wenn überhaupt, ist der Schuldvorwurf sehr gering. Man kann solche Fälle dem Grunde nach einstellen, eventuell verbunden mit geringen Auflagen. Allerdings geht das eben nur bei Vergehen; bei Verbrechen ist uns diese Möglichkeit versperrt.

Ich will nicht verhehlen, dass ich damals bei diesem gesetzgeberischen Handeln gewisse Bedenken hatte. Ich sah das kritisch. Aber die Praxis hat viele Signale gesendet, die Sie jetzt aufgenommen haben, und dringend gebeten, solche Verwerfungen abzustellen. Sie haben erwähnt, dass auch die Justizministerkonferenz Sie dazu aufgefordert hat. Dem tragen Sie heute hier Rechnung. Allerdings – das möchte ich an dieser Stelle schon sagen – machen Sie es sich ein bisschen einfach. Es kann auch der falsche Eindruck entstehen – teilweise wird dieser von anderer Seite bewusst erzeugt –, dass uns das Thema „Schutz unserer Kinder“ nicht wirklich am Herzen liegt. Sie selbst haben darauf hingewiesen. Sie haben nämlich gesagt – ich zitiere –, das Ganze berge auch erhebliches „Diffamierungspotenzial“. Dem würden Sie aus meiner Sicht glaubwürdig entgegentreten, wenn Sie sich endlich nicht mehr gegen die Speicherung der IP-Adressen stellen würden. Diese ist – zumindest zeitlich begrenzt – nachweislich rechtlich zulässig, und wir könnten Täter dingfest machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss. Im weiteren Verfahren gilt es, auch zu prüfen, ob es nicht möglich ist, die Einstufung als Verbrechen zu belassen, aber bei bestimmten Fallgruppen von einer Strafbarkeit abzusehen. Das würde die „echten“ Verbrecher wie gewollt abschrecken und die Strafverfolgung eventuell noch effektiver gestalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat Dr. Johannes Fechner für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7608542
Wahlperiode 20
Sitzung 157
Tagesordnungspunkt Anpassung der Mindeststrafen des § 184 b StGB
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine