Sonja EichwedeSPD - Anpassung der Mindeststrafen des § 184 b StGB
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!
(Stephan Brandner [AfD]: „Deutsche demokratische Altfraktionen“ heißt das!)
Wir sprechen heute über die Strafvorschrift, die die Verbreitung, den Erwerb oder den Besitz von Missbrauchsdarstellungen von Kindern unter Strafe stellt. Wir sprechen also über schwerste Straftaten und schwerstes Unrecht. Hinter jeder Missbrauchsdarstellung stehen echte Kinder, steht echte sexualisierte Gewalt. Wer sich Missbrauchsdarstellungen beschafft, schafft eine Nachfrage nach realem und echtem Missbrauch. Genau deshalb ist es richtig, dass wir in der Großen Koalition die Höchststrafe beim Straftatbestand des § 184b StGB auf zehn Jahre erhöht haben.
Allerdings hat die Gesetzesänderung im Jahr 2021, wie es hier in der Debatte schon angesprochen worden ist, auch Fehlwirkungen erzeugt. Denn die Einstufung als Verbrechen mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr führt dazu, dass kein einziger Fall mehr eingestellt werden kann, immer eine Hauptverhandlung durchgeführt werden muss, keine Geldstrafen mehr verhängt werden können und Betroffene immer als vorbestraft gelten.
Nun mag man denken: Das ist doch richtig, es handelt sich schließlich um schwerstes Unrecht. – Die Praxis hat aber gezeigt, dass das in bestimmten Fällen und Fallgruppen gerade nicht der Fall ist. Denken wir an die Lehrerin, die intimste Aufnahmen einer 13-jährigen Schülerin, die von ihrem Freund gemacht und gegen ihren Willen verbreitet worden sind, sichert, um die Eltern zu warnen. Denken wir an die Eltern, die Aufnahmen aus den Chats ihres strafunmündigen Kindes abfotografieren, um andere Eltern zu warnen. Denken wir an die Jugendlichen, die Mitglieder in einer Whatsapp-Gruppe sind, in der Missbrauchsdarstellungen geteilt werden; aufgrund der Handyeinstellungen werden diese Bilder auf dem Handy automatisch gesichert, die Bilder sind aber nie angeguckt und geöffnet worden. Denken wir an den Bruder, der auf einem Datenträger seiner Eltern Videoaufnahmen entdeckt, die einen schweren sexuellen Missbrauch seiner eigenen Schwester zum Gegenstand haben, diese Daten auf einem externen Datenträger speichert, um es zur Anzeige zu bringen, aber kurz nachdenkt, weil es um die eigenen Eltern geht, dann aber zur Polizei geht und es anzeigt.
All diese Fälle stuft das Gesetz jetzt ganz klar und zwingend als Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe ein. Es kommt zu Ermittlungen, es kommt zu Hauptverhandlungen, es kommt zu Freiheitsstrafen, es kommt zu Vorstrafen, es kommt im Fall der Lehrerin dazu, dass sie ihren Job verliert und aus dem Beamtenverhältnis entlassen wird. Das ist untragbar. Hier richtet das Gesetz tatsächlich Schaden an. Es gilt aber doch, Schaden von den betroffenen Kindern abzuwenden. Gerade dafür brauchen wir aber wachsame Personen, die nicht aus Angst vor Strafverfolgung lieber nichts tun. Deswegen müssen wir hier als Gesetzgeber handeln.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir müssen hier für die betroffenen Personen handeln, wir müssen aber auch handeln, um die Staatsanwaltschaften und die Gerichte, die durch die Gesetzesänderung in einer untragbaren Situation waren, nicht zu untragbaren Entscheidungen zu zwingen. Deswegen ist es richtig, dass wir den Staatsanwaltschaften und den Gerichten die nötigen Instrumente für einen angemessenen Umgang mit entsprechenden Fällen geben, dass wir die Mindestfreiheitsstrafe auf sechs Monate festlegen und auch Verfahrenseinstellungen, Strafbefehlsverfahren und Geldstrafen möglich sind.
Weil das hier in der Debatte aufkam: Sehr geehrter Herr Müller, da die konkreten Fallgruppen, die ich gerade aufgezählt habe, vielfältig sind, ist es, glaube ich, hier sehr schwer, Fallgruppen ins Gesetz zu schreiben; wir sollten es, wie wir beide wissen, besser der Justiz, den Richterinnen und Richtern überlassen, die im Einzelfall entscheiden können und ganz bestimmt straf- und schuldangemessene Strafen aussprechen werden. Das können sie mit der entsprechenden Verschiebung des Strafrahmens.
Hierdurch werden bei Staatsanwaltschaften und Gerichten Kapazitäten frei, die wir für die dringende und wichtige Verfolgung von echten Sexualstraftätern brauchen. Es ist unglaublich wichtig, dass die Strafverfolgungsbehörden die Kapazitäten haben, genau hinzugucken, ob eine pädokriminelle Motivation von Straftätern vorliegt, und dann selbstverständlich die hohen Strafen aussprechen, die dafür ausgesprochen werden müssen.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Stephan Mayer das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608548 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 157 |
Tagesordnungspunkt | Anpassung der Mindeststrafen des § 184 b StGB |