14.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 157 / Tagesordnungspunkt 13

Stephan MayerCDU/CSU - Anpassung der Mindeststrafen des § 184 b StGB

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendliche gehören aus meiner Sicht mit zu dem Schändlichsten, mit zu dem Verwerflichsten, was es gibt. Zu diesen Straftaten gehören auch die Straftaten des Erwerbs, des Besitzes und des Verbreitens von kinderpornografischem Material; dies ist ebenso widerwärtig.

Der Kollege Müller hat schon darauf hingewiesen: Es ist wirklich mehr als besorgniserregend, dass sich die Zahl der – nur polizeilich bekannten – Fälle allein zwischen 2020 und 2022 in Deutschland mehr als verdoppelt hat. Im Jahr 2020 waren es noch weniger als 19 000, im Jahr 2022 schon über 42 000 – allein polizeilich bekannte – Fälle des Erwerbs, des Besitzes und des Verbreitens von kinderpornografischem Material.

Trotzdem – das ist festgestellt worden – gibt es Fälle der unbilligen Härte. Eine Umfrage unter den Staatsanwaltschaften in Bayern hat ergeben, dass es in jeder Staatsanwaltschaft mindestens einen Fall, in den meisten sogar deutlich mehr Fälle gibt, in denen die Staatsanwälte zu der Erkenntnis gelangen, dass sie unter der seit dem 1. Juli 2021 geltenden Rechtslage des § 184b Strafgesetzbuch zu einer unbilligen Bestrafung kommen müssten. Es gibt diese Fälle: Eine Mutter sieht auf dem Handy ihres Kindes ein anzügliches Foto und schickt dieses Foto weiter an die Lehrerin, um Gutes zu tun, um ihrer Garantenstellung, ihrer Anzeige- und Warnverpflichtung entsprechend nachzukommen, und sieht sich dann später einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Die gleichen Fälle gab es bei Lehrkräften, auch bei Kinderbetreuungskräften. Dies ist ein Sachverhalt, der nicht hinnehmbar ist.

Deswegen ist es richtig, dass jetzt dieser Gesetzentwurf vorgelegt wurde, dass jetzt gehandelt wird. Aber ich sage ganz offen: Herr Kollege Buschmann, Herr Bundesminister, Sie handeln zu spät.

(Zurufe von der SPD und der FDP: Was?)

Die Justizministerkonferenz hat Sie bereits in der Herbstkonferenz 2022 aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. In der Frühjahrskonferenz 2023 sind Sie wiederum von den Landesjustizministerinnen und -ministern aufgefordert worden, zeitnah – wortwörtlich: zeitnah – einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

(Marianne Schieder [SPD]: Ich glaube, wir können uns noch erinnern an die letzte Wahlperiode und an Ihre Einstellung zu der Sache!)

Es hat über ein Jahr gedauert, bis Sie tatsächlich tätig wurden. Das ist aus meiner Sicht eine schwere Verfehlung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Frau Kollegin Eichwede, es gibt diese Fallkonstellationen, die aus meiner Sicht auch durchaus in den Gesetzentwurf zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b eingepflegt werden könnten, beispielsweise die Fälle der Warn- und der Anzeigefunktion,

(Sonja Eichwede [SPD]: Aber wir kennen doch jetzt nicht alle Fallgruppen, die das möglicherweise betrifft! Die Justiz kann das einschätzen!)

beispielsweise die Fälle, in denen jemand ungewollt auf seinem Handy, weil er einer Chatgruppe angehört, eine Datei erhält, die sich automatisch öffnet, und er unwissentlich dann kinderpornografisches Material auf seinem Handy hat. Gerade bei minderjährigen Tätern ist eine sensible, tat- und schuldangemessene Herangehensweise wichtig. Auch die entsprechende Flexibilität für die Staatsanwälte ist wichtig. Es gibt also sehr wohl die Möglichkeit; man muss sich nur die Mühe machen, diese Fallgruppen spezifisch in den Gesetzentwurf mit aufzunehmen.

Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollen dringend anraten, dass Sie sich im weiteren parlamentarischen Verfahren die Mühe machen, zu versuchen, diese Fallkonstellationen entsprechend zu fassen und dann auch wirklich punktgenau in den Gesetzentwurf mit aufzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn, meine Kolleginnen und Kollegen, eines darf nicht passieren: Wir dürfen diese schändlichen, diese verwerflichen Straftaten in keiner Weise bagatellisieren und verharmlosen. Von diesem Gesetzentwurf darf auch nicht dieser Eindruck ausgehen.

Ich bedaure es darüber hinaus, Herr Bundesminister – das sage ich sehr deutlich –, dass Sie ein Phänomen leider nicht in den Gesetzentwurf mit aufnehmen, das immer weiter um sich greift, nämlich die Plattformen. Das Betreiben von Plattformen, in denen kinderpornografisches Material getauscht und weiterverbreitet wird, ist bisher nicht strafbar. Dieser Gesetzentwurf böte jetzt die herausragende Möglichkeit, auch diesem Phänomen Rechnung zu tragen und die Betreiber von diesen widerwärtigen Plattformen unter Strafe zu stellen, sie zu sanktionieren. Deswegen möchten wir wirklich dringend anmahnen, dass auch dieses Phänomen entsprechend Berücksichtigung findet und im weiteren parlamentarischen Verfahren mit aufgegriffen wird.

Dieser Gesetzentwurf kommt, wie gesagt, leider deutlich zu spät. Er ist in der Sache richtig. Aber er könnte wesentlich spezifischer auf die unterschiedlichen Konstellationen von Verbreitung, Besitz und Erwerb kinderpornografischen Materials eingehen.

Eine pauschale Lösung, hier alles nur noch zum Vergehen zu erklären, ist aus unserer Sicht der falsche Weg. In diesem Sinne sehen wir der weiteren parlamentarischen Beratung mit großer Aufmerksamkeit und großem Interesse entgegen und werden uns hier auch entsprechend konstruktiv und intensiv mit einbringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Daniel Baldy für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7608549
Wahlperiode 20
Sitzung 157
Tagesordnungspunkt Anpassung der Mindeststrafen des § 184 b StGB
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