14.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 157 / Tagesordnungspunkt 13

Daniel BaldySPD - Anpassung der Mindeststrafen des § 184 b StGB

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Lehrerin will helfen – und wird wegen Kinderpornografie angeklagt“: Das war eine Schlagzeile des SWR im vergangenen August. Es ging um eine Lehrerin an einem Westerwälder Gymnasium.

Was war passiert? Eine 13-jährige Schülerin schickte ein intimes Video von sich an ihren Freund, der schickte es weiter, und das Video machte die Runde an der Schule. Als die Lehrerin davon erfuhr, ließ sie sich das Video schicken, um mit der Mutter der Schülerin zu sprechen – und machte sich in diesem Moment strafbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein realer Fall, aber es ist kein Einzelfall. In verschiedenen Lebensbereichen hat die Strafverschärfung des § 184b in den letzten Jahren dazu geführt, dass Helfende zu Unrecht kriminalisiert wurden.

Betroffene Kinder müssen sich durchschnittlich sechs Erwachsenen anvertrauen, bevor ihnen geglaubt wird, bevor etwas unternommen wird, bevor sich jemand ihrer annimmt und fortlaufende sexualisierte Gewalt beendet wird. Mit der vorliegenden Gesetzesänderung sorgen wir jetzt dafür, dass Erwachsene in Zukunft hoffentlich besser zuhören werden und dass sie aktiv werden, weil sie keine Angst mehr haben müssen, selbst verurteilt zu werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Aber nicht nur bei noch stattfindender sexualisierter Gewalt ist dieser Paragraf hinderlich. Steffen Dillinger, ein Mitarbeiter des BKA aus meiner Heimat Rheinhessen, erbte ein Haus von seinem Onkel, einem ehemaligen Priester. Beim Ausräumen des Hauses fand er mehr als 700 Missbrauchsdarstellungen, die sein Onkel angefertigt hatte. Das Bistum empfahl ihm, die Darstellungen zu vernichten, da Herr Dillinger sich sonst strafbar mache. Herr Dillinger hat sich gegen diese Empfehlung entschieden. Dank ihm können jetzt, Jahrzehnte nach den abscheulichen Taten seines Onkels, die Betroffenen Entschädigungen einfordern. Aber: Gegen Herrn Dillinger ermittelte die Staatsanwaltschaft aufgrund der Strafverschärfung in § 184b.

Es sind doch aber gerade Menschen wie Herr Dillinger, die wir so viel häufiger in unserer Gesellschaft brauchen: Menschen, die hinsehen, Menschen, die ihre Verantwortung wahrnehmen, Menschen, die der Rechtsstaat dann aber auch unterstützen sollte, die er aber aktuell erst einmal von Helfern zu Tätern macht. Wir gehen heute einen ersten Schritt, damit Menschen wie Steffen Dillinger wieder Sicherheit haben können, dass Hinsehen sie nicht zu Tätern macht, sondern dass sie dadurch Helfer sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Diese zwei Beispiele haben in der rechtspolitischen Debatte hoffentlich auch juristischen Laien, wie ich es bin, deutlich gemacht: Dieser Gesetzentwurf stärkt diejenigen, die helfen wollen. Er unterstützt betroffene Kinder, die Hilfe brauchen. Er entlastet Polizei und Staatsanwaltschaften, die Verfahren nicht eröffnen müssen in dem Wissen, dass sie es eigentlich gar nicht wollen oder dass die Verfahren am Ende eingestellt werden. Wir machen einen Fehler rückgängig, und das ist gut für Kinder und Kinderschutz in Deutschland.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich schließe die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7608555
Wahlperiode 20
Sitzung 157
Tagesordnungspunkt Anpassung der Mindeststrafen des § 184 b StGB
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