20.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 159 / Tagesordnungspunkt 2

Josip JuratovicSPD - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Botschafter von Bosnien und Herzegowina! Werte Kolleginnen und Kollegen! Robert Schuman, einer unserer Gründerväter Europas, sagte einst: „Europa läßt sich nicht mit einem Schlage herstellen ... Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“

Und um eine konkrete Tatsache geht es heute. Es geht um die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina. Der Europäische Rat hat schon auf dem Gipfeltreffen Mitte Dezember den Weg dafür freigemacht, und die Kommission hat vor einer Woche grünes Licht gegeben. Die EU-Länder stimmten dafür, die Beitrittsgespräche mit Bosnien und Herzegowina aufzunehmen, sobald das Land die Bedingungen dafür erfüllt.

Nun, knapp drei Monate später, können wir sagen: Ja, das Warten hat sich gelohnt. Es gibt drei Dinge, die ich hier hervorheben will: Erstens. Das Land hat mit seinen Gesetzen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung große Fortschritte erzielt. Zweitens. Es gibt weitere Schritte zu einer Aussöhnung der verschiedenen Volksgruppen, ein für mich wichtiger Erfolg. Und drittens. Das Land ist nun vollständig an die Außen- und Sicherheitspolitik der EU angeglichen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Kolleginnen und Kollegen, das sind wichtige Meilensteine für das Land. Denn ich darf Sie erinnern: Unsere Sicherheit wird auch auf dem Westbalkan verteidigt.

Das wird auch außerhalb dieses Hauses wahrgenommen. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, bestätigte dies zuletzt mit ihren eigenen Worten. Das Land zeige mit seiner aktuellen Regierung, der sogenannten Troika, dass es die Bedingungen erfüllen könne. Es zeige sich, dass die nun endlich funktionsfähigen demokratischen Institutionen in einem Jahr mehr geleistet haben als die Vorgängerregierungen in über zehn. Und ja, es gibt die 14 Schlüsselprioritäten, welche nicht vollständig umgesetzt wurden. Aber wenn man die aktuellen Entwicklungen sieht, bin ich wie die Kommissionspräsidentin überzeugt, dass diese demokratische Regierung auch den Rest bis zum Beginn der ersten Beitrittskonferenz schaffen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Natürlich sind die Kopenhagener Kriterien einzuhalten. Sie sind die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen weiterer Verhandlungen. Aber allein die Tatsache, dass es der bosnisch-herzegowinischen Justiz gelungen ist, erste korrupte Ex-Regierungsmitglieder wie den Ex-Ministerpräsidenten Fadil Novalić hinter Schloss und Riegel zu bringen, stärkt das Vertrauen in die unabhängige Justiz, eines der wichtigen Elemente der Kopenhagener Kriterien.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es schade, dass die Union heute nicht mit uns gemeinsam einen Antrag verabschiedet, sondern einen eigenen einbringt.

(Christian Petry [SPD]: Das war früher gang und gäbe!)

Überzogene Forderungen dienen letztendlich nur den Ethnonationalisten.

Werte Kolleginnen und Kollegen, in der heutigen Aussprache zur Regierungserklärung zum Europäischen Rat reden wir über die großen weltpolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Wir reden aber auch über einen großen Schritt für ein kleines Land auf dem Weg in die EU.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Und wir reden über einen wichtigen Etappensieg der Demokraten in Bosnien-Herzegowina. Es ist ein wichtiger Sieg gegenüber ethnonationalistischen, korrupten und kriminellen Kräften, die seit drei Jahrzehnten die Menschen in Bosnien-Herzegowina im Würgegriff hatten. Jetzt ist es endlich an der Zeit, dass auch die EU ihr Versprechen in die Tat umsetzt und das Land eine glaubwürdige Beitrittsperspektive bekommt. Denn von Perspektive zu sprechen, aber Verhandlungen zum Beitritt zu verwehren, ist unglaubwürdig und stärkt letztlich nur die Gegner Europas.

Der Moment, das alte Narrativ der Ethnonationalisten zu durchbrechen, ist jetzt. Und dies ist ein Erfolg, der viele Väter hat. Mein Dank geht an die Bundesregierung mit unserem Kanzler Olaf Scholz, die dem Berliner Prozess neues Leben eingehaucht hat und den Fokus auf die Stärkung der Demokratie gelegt hat. Ich danke den Vertretern der internationalen Institutionen vor Ort, allen voran auch dem Hohen Repräsentanten des Landes, Christian Schmidt, der anstelle von Diplomatie politische Entscheidungen traf und so den Grundstein für die Bildung der neuen, funktionierenden Regierung legte. Und ich danke den gemäßigten und mutigen Bosniaken. Sie haben begriffen, dass sie nicht die gleichen Fehler machen dürfen wie die Serben beim blutigen Zerfall Jugoslawiens. Sie haben verstanden, dass sie mit den anderen konstitutiven Völkern des Landes nach Lösungen suchen müssen, indem sie auf ihre Maximalforderungen zugunsten von Frieden und Stabilität verzichten,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Thomas Hacker [FDP])

auch in der Hoffnung, dass sich auf der anderen Seite –

Sie kommen zum Ende, bitte.

– demokratische Kräfte durchsetzen, die auf die gemeinsame demokratische Zukunft in dem Land setzen. Danke an die vielen vernünftigen Kräfte in der EU, die es verstanden haben, dass man mit überhöhten Forderungen im Vorfeld der Verhandlungen –

Herr Kollege, Sie kommen zum Ende, bitte.

– letzter Satz – die autokratischen EU-Gegner stärkt und die Mühen der zarten Pflanze der Demokratie zunichtemacht.

(Beifall des Abg. Axel Schäfer [Bochum] [SPD])

Herr Kollege, die Zeit war zu Ende, lange schon.

Ja. – Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns eine Solidarität in der Tat schaffen, damit die Demokratie in Bosnien-Herzegowina weiter wachsen und sich entwickeln kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die Gruppe des BSW hat Dr. Sahra Wagenknecht das Wort.

(Beifall beim BSW)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7608812
Wahlperiode 20
Sitzung 159
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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