Pascal KoberFDP - Bezahlkartengesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte ist wieder einmal Ausdruck der inneren Zerrissenheit der Union.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heiterkeit bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Der Koalition! Herr Kober, Sie haben sich versprochen! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist Kabarett hier heute!)
Da gibt es auf der einen Seite den bürgerlichen Flügel um Friedrich Merz, der sich allenthalben überall dafür einsetzt, dass flächendeckend eine Bezahlkarte eingeführt wird, der sagt, dass es nicht geht, dass das Geld weiterhin bar ausgezahlt wird, weil damit Schleuser bezahlt werden – alles wichtige Gesichtspunkte. Und dann gibt es diesen ökosozialen Flügel in der Union –
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Was?)
Herr Wüst beispielsweise und andere –, der dann, wenn er in Regierungsverantwortung ist, plötzlich von „flächendeckend“ nichts mehr wissen will, es den Kommunen überlassen will, und Ähnliches.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, es ist ja richtig, dass es innerhalb der Ampelkoalition drei Parteien gibt, die in vielen Fragen unterschiedlicher Auffassung sind, die das miteinander diskutieren und dann auch Kompromisse schließen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wann denn?)
Aber das, was wir als drei Parteien politisch abdecken, das decken Sie mit Ihrer Uneinigkeit innerhalb der Union als eine Partei ab, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und das wird noch zum Problem werden für Sie; denn da, wo CDU/CSU draufsteht, weiß der Wähler nicht, was er bekommt: Bekommt er die CDA um Dennis Radtke, oder bekommt er Friedrich Merz? Das ist eben die große Frage, die sich den Wählerinnen und Wählern stellt. Das zeigt genau diese Debatte: Hier Forderungen aufstellen, die Sie aber dort, wo Sie in Regierungsverantwortung sind, nicht unterstützen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist ja richtig, dass das Thema Digitalisierung – diesen großen Bogen möchte ich spannen – zentral für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes ist. Wir werden in den nächsten zehn Jahren in der öffentlichen Verwaltung jeden vierten Arbeitnehmer, jeden vierten Beamten einfach deshalb verlieren, weil die Menschen aufgrund des demografischen Wandels in den verdienten Ruhestand gehen werden.
(Zuruf von der SPD: Bei stabiler Rente! – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Zum Thema sprechen! – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Thema!)
Wenn wir wollen, dass unsere öffentliche Verwaltung auch in Zukunft leistungsfähig ist, wenn wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger die Leistungen bekommen, die sie zu Recht vom Staat erwarten, dann müssen wir hier Antworten finden. Da ist natürlich das Thema Digitalisierung, dem ich jetzt auch mal die Bezahlkarte zuordne, ein ganz zentrales Anliegen, dem wir uns stellen müssen und bei dem wir vorankommen müssen. Dafür brauchen wir die Länder. Dafür brauchen wir den Schulterschluss zwischen Bund und Ländern, weil wir die Verwaltungen in den Ländern mitnehmen müssen, damit die Schnittstellen zwischen den Gesetzgebungen und Leistungen des Bundes und der Länder wirklich funktionieren.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Aber das ist doch gar kein Problem!)
Ich bedaure sehr, dass wir im Jahr 2010 die gute Idee der damaligen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, eine, wenn Sie so wollen, Bezahlkarte für das Bildungs- und Teilhabepaket einzuführen, leider nicht umsetzen konnten, weil sie im Vermittlungsausschuss blockiert worden ist, und dass sie in den letzten Jahren nicht noch mal aufgegriffen werden konnte.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Das machen wir jetzt aber in der Tat mit unserem Kinderchancenportal, wodurch wir es schaffen werden, dass Kinder die Leistungen, die ihnen zustehen, auch wirklich bekommen.
(Dr. Ottilie Klein [CDU/CSU]: Auch dieses Gesetz gibt es noch nicht!)
Denn zum Beispiel bei diesem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket gibt es einzelne Leistungen, die nur zu einem Drittel abgerufen werden. Das haben wir damals in einer Koalition mit Ihnen zusammen schon gesehen. Leider ist es damals noch nicht auf den Weg gebracht worden; aber es ist auch in den Jahren danach, als es beispielsweise während der Großen Koalition und mit anderen Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat möglich gewesen wäre, von Ihnen nicht angepackt worden.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: So, und jetzt? Wo ist Ihr Gesetzentwurf?)
Also kurzum: Ich sage Ihnen, wir müssen in der Digitalisierung vorankommen.
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Da ist Ihr Fraktionsvorsitzender weiter als Sie, Herr Kober! Er will, dass die Bezahlkarte jetzt eingeführt wird! Auf geht’s!)
Das gilt übrigens auch für die Bundesagentur für Arbeit. Dort werden wir ein Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund des demografischen Wandels verlieren. Das hat gestern die Chefin der Bundesagentur für Arbeit noch mal eindringlich dargestellt. Deshalb hat sie zu Recht angemerkt, dass sie die Bundesagentur für Arbeit quasi neu aufbauen will. Was sie damit meinte, ist: digital neu aufbauen. Die Anforderungen an die Digitalisierung sind immens, wenn man sie ernst nimmt. Wir müssen uns bei diesen Fragen an dem orientieren, was in der Privatwirtschaft möglich ist. Gucken Sie sich die Hotelportale an! Gucken Sie sich Versandhändler an! Dort geht es um intuitives Nutzen – von der Nutzerfreundlichkeit, nicht vom Verwaltungsdenken her gedacht.
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Deswegen ist die Bezahlkarte so gut! Und deswegen stimmen Sie jetzt zu, oder, Herr Kober?)
Aus dieser Sicht, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, ist das Thema umfangreicher als in der Form, in der Sie es hier jetzt parteipolitisch zu instrumentalisieren versuchen. Denn Sie wissen, dass alles, was Sie hier fordern, im Grunde genommen jetzt in der Regierungskoalition diskutiert wird.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Oje, oje!)
Wir brauchen hier mehr Ernsthaftigkeit, damit wir bei den Bürgerinnen und Bürgern wieder mehr Vertrauen in den Parlamentarismus und in die Demokratie gewinnen. Solche Schauanträge, wie Sie sie einbringen, führen nicht zu größerem Vertrauen.
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Sie müssen da mit Ihrem Kollegen Dürr noch mal reden!)
Ich bin gespannt, wie Sie diesen inneren Spagat, diese innere Spannweite innerhalb der Union in den nächsten Monaten überwinden wollen. Denn wir als Wählerinnen und Wähler und, wer weiß, potenzielle Koalitionspartner wollen wissen, wen wir bekommen,
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Bei 3 Prozent! – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Erst mal müssen Sie über die 5 Prozent kommen!)
wenn die CDU/CSU nach Regierungsverantwortung strebt.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sind Sie CDU-Wähler? Das ist schön!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als Nächste hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Andrea Lindholz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608936 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Bezahlkartengesetz |