Natalie PawlikSPD - Bezahlkartengesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde die Debatte, ehrlich gesagt, ziemlich überzogen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ach schön!)
Denn: Wenn wir uns ehrlich machen, dann wissen wir doch alle, dass die Bezahlkarte weder die großen Herausforderungen in der Asyl- und Migrationspolitik regelt, noch ist das das Ende einer humanitären Flüchtlingspolitik.
(Zuruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])
Deswegen finde ich es wichtig, dass wir uns erst mal verinnerlichen, worum es eigentlich geht.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Da hätten Sie jetzt wochenlang Zeit gehabt!)
Geflüchtete, die bei uns Schutz suchen, erhalten Leistungen durch das Asylbewerberleistungsgesetz, um ihren Lebensunterhalt in Deutschland zu bestreiten. Diese Leistungen werden meistens durch die Kommunen in Form von Bargeld oder Sachleistungen ausgezahlt.
Hier gibt es in der Praxis einige Herausforderungen, wie zum Beispiel, dass Geflüchtete nicht direkt ein Bankkonto in Deutschland besitzen und deswegen keine automatisierte Auszahlung erhalten können. Oft müssen sie also jeden Monat, immer wieder aufs Neue, zum Amt gehen, um Leistungen in Form von Bargeld zu erhalten. Das ist sowohl für die Geflüchteten als auch für die Verwaltungen vor Ort ein enormer Aufwand und auch kein guter Zustand. Deswegen soll die Bezahlkarte zum Beispiel hier Abhilfe leisten.
Für die Umsetzung der Bezahlkarte sind aber die Bundesländer selbst verantwortlich. Einige Bundesländer – und das haben wir heute hier schon gehört – haben sie auch schon längst umgesetzt oder sind dabei, sie umzusetzen.
Für mehr Rechtssicherheit und eine Einheitlichkeit auf Bundesebene gab es seitens der Bundesländer den Wunsch nach einer Anpassung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Darauf haben sich die Bundesregierung und die Landesregierungen geeinigt.
Nun wird also in den Koalitionsfraktionen verhandelt, um dies zeitnah in einem Rahmengesetz umzusetzen. Ich sage Ihnen, Kolleginnen und Kollegen: Wir als SPD-Fraktion wollen das Thema gut abschließen, und dafür nehmen wir auch gerne noch einige Verhandlungsrunden in Kauf; denn das gehört zu einer Demokratie dazu.
Aber wenn wir uns ehrlich machen, Kolleginnen und Kollegen, dann wissen wir: Es kommt im Detail bei der Umsetzung in den Bundesländern doch darauf an, dass sie die Details ordentlich klären. Die Bezahlkarte kann diskriminierungsfrei und vielfältig einsetzbar umgesetzt werden, und sie kann gleichzeitig die Kommunen entlasten sowie das Leben für Geflüchtete vor Ort leichter machen.
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Siehe Bayern! – Gegenruf der Abg. Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Siehe Bayern!“? Das ist ein Widerspruch in sich!)
Darauf sollten auch wir im Rahmen unserer Möglichkeiten Einfluss nehmen und in den Bundesländern darauf hinwirken.
Fakt ist aber auch, dass die laufenden Verhandlungen der Ampelkoalition niemanden daran hindern, bereits heute die Bezahlkarte umzusetzen und einzuführen. Das haben Bundesländer wie Bayern und Hamburg schon umgesetzt; das gehört auch zur Wahrheit.
(Beifall des Abg. Holger Mann [SPD])
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfraktion: Es ist wohlfeil, dass Sie das Thema Bezahlkarte zum wiederholten Mal auf die Tagesordnung setzen, obwohl Sie ganz genau wissen, dass die Umsetzung bereits läuft.
(Franziska Hoppermann [CDU/CSU]: Was für ein Quatsch! Das stimmt nicht! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sie hat es auch noch nicht verstanden! – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist eine Durchhalteparole, wenn Sie das sagen!)
Ich würde mich freuen, wenn Sie mit der gleichen Beharrlichkeit Themen setzen würden, die auf lange Sicht für Verbesserungen in der Migrationspolitik sorgen würden.
Der Antrag von Ihnen zielt darauf ab, die Ampelkoalition zu spalten und sich auf Kosten von Geflüchteten zu profilieren.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das machen Sie schon selber! – Gegenruf des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ich wollte es gerade sagen! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Da brauchen wir nichts mehr zu beizutragen! Das schaffen Sie selbst! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das haben Ihre Fraktionsvorsitzenden schon erledigt!)
Das ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch eine ziemliche Placebopolitik.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Noch nie waren so viele Menschen weltweit vor Kriegen, gewaltsamen Konflikten, Verfolgung, Naturkatastrophen und schrecklichen Lebensbedingungen auf der Flucht wie heute. Die Bezahlkarte bekämpft weder Fluchtursachen, noch wird sie Menschen, die vor Krieg fliehen und um ihre Sicherheit und die Zukunft ihrer Kinder bangen, davon abhalten, bei uns Schutz zu suchen. Die Bezahlkarte wird nicht für schnellere Asylverfahren sorgen oder Geflüchtete vor Ort in der Integration besser unterstützen. Die Bezahlkarte schafft keine einzige Wohnung, keinen Sprachkurs, keinen Kitaplatz.
Das dauerhafte Aufziehen von polarisierenden, populistischen und spalterischen Debatten wird Ihnen im ersten Moment vielleicht etwas Aufmerksamkeit schenken; es wird aber den wirklichen Problemen unseres Landes nicht gerecht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Wollen Sie, dass Schlepper und Schleuser weiterhin bezahlt werden vom Inland aus, Frau Pawlik?)
Doch die wirklichen Probleme lösen wir. Die Bundesregierung hat erreicht, dass Asylpolitik und die Aufnahme von Geflüchteten in Europa in Zukunft gemeinsam angegangen werden. Die Kommunen stemmen wahnsinnig viel. Der Bund unterstützt sie dabei, Geflüchtete in guten Unterkünften vor Ort unterzubringen, übernimmt Kosten, um Länder und Kommunen zu entlasten. Im Jahr 2023 hat der Bund insgesamt mehr als 18 Milliarden Euro zur Unterstützung der Länder und Kommunen bereitgestellt. Wir schaffen Ordnung in den Verfahren und beschleunigen sie. Wir bekennen uns zum Einwanderungsland und schaffen gute Voraussetzungen und Perspektiven für Menschen, die zu uns kommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es ist bei Weitem nicht alles perfekt in der Asyl- und Integrationspolitik. Überzogene Debatten, die an den eigentlichen Herausforderungen unseres Landes vorbeigehen, bringen uns aber keinen Schritt weiter. Wir kümmern uns um die Probleme; Sie schaffen nur polarisierende Debatten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP] – Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])
Das Wort hat der Abgeordnete Jörn König für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608940 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Bezahlkartengesetz |