Helge LindhSPD - Bezahlkartengesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe gerade – und das hat mit der heutigen Debatte erst einmal gar nichts zu tun – unter dem Eindruck der Information, die ich gerade bekam: dass auf die zentrale Moschee meiner Stadt Wuppertal ein Brandanschlag verübt wurde. Das macht es mir schwer, hier jetzt einfach nüchtern zu reden. Es ist aber noch einmal mehr ein Hinweis darauf, dass wir alle auf unsere Sprache achten sollten und bedenken sollten, was antimuslimische Hetze, die auch in diesem Parlament jeden Tag stattfindet, anrichtet.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Abgesehen davon erlaube ich mir, Herr König, zu sagen: Ihre Fraktion vertritt ja den Ethnopluralismus, also die Auffassung, dass jede Kultur in ihrer Eigenheit geschätzt und gelobt wird. Wenn Sie Respekt vor Frankreich haben, dann sprechen Sie den Namen Louis de Funès so aus, wie es in Frankreich üblich ist. Haben Sie einfach mehr Respekt vor dem Französischen, Sie erwarten ja auch den entsprechenden Respekt vor dem Deutschtum. Werden Sie zumindest Ihren eigenen rassifizierenden, ethnopluralistischen Vorstellungen gerecht.
(Zuruf des Abg. René Springer [AfD])
Abgesehen davon haben wir hier eine klare und sachliche Vorgabe. Es gibt entsprechende Vereinbarungen aus der MPK, die umgesetzt werden müssen. Dabei haben sich – und das macht den Unterschied dieser Regierung zu vergangenen Regierungen unter CDU-Führung aus – die Ampelkoalitionäre immer als Partner der Länder und Kommunen begriffen und Lösungen gemeinsam entwickelt.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das sehen die aber anders!)
Entsprechend wird die Bundesebene auch Dienstleister für die Länder und Kommunen sein und als Verantwortungsgemeinschaft, das heißt in der Gemeinschaft aller Fraktionen, entsprechend auch ihrer Verantwortung gerecht werden.
Was aber macht die Union? Das ist die bittere Ironie des Ganzen. Anstatt dem Beschluss zu folgen und sachlich und nüchtern das Thema anzugehen und praktikabel abzuarbeiten,
(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir doch gemacht!)
lädt sie es so mit migrationspolitischen Abschreckungsvorstellungen auf, dass sie zu den Komplizen derer wird, die die Bezahlkarte komplett verhindern wollen.
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Das ist doch lächerlich, Herr Lindh! Wovon reden Sie da?)
In dem Beschluss steht: Verwaltungsaufwand minimieren und Beschränkungen bei Auszahlungen. Sie könnten sachlich pragmatisch vortragen, tun es aber nicht.
Dann trägt Ministerpräsident Wüst lauthals vor, dass eine bundeseinheitliche Regelung gebraucht werde. Das kann er tun. Es ist selbstverständlich auch vernünftig, dass er das tut. Aber was macht er in seinem eigenen Land? Er überträgt die Entscheidung an die Kommunen. Wenn es ihm doch so wichtig ist, warum gibt es keine landeseinheitliche Regelung in Nordrhein-Westfalen? Und warum lässt er auch finanziell die Kommunen im Stich? Ich bezeichne das als Bigotterie und Scheinheiligkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Anstatt das Thema sachlich abzuarbeiten, finden wir in Ihrem Gesetzentwurf Formulierungen wie „angesichts des … Zustroms“ und „Anreize für … ungesteuerte Asylmigration“. Damit reißen Sie doch mit dem Hintern ein, was Sie vermeintlich sachlich aufbauen wollen. Denn man kann doch über die sachlichen Gründe zur Einführung der Bezahlkarte reden,
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
aber es ist real widerlegt, dass diejenigen, die zu großer Zahl gegenwärtig kommen, aufgrund finanzieller Anreize nach Deutschland kommen. Diese sind nicht der Grund,
(Alexander Throm [CDU/CSU]: Das ist ein Märchen, was Sie erzählen!)
sondern es sind politische Krisen, es sind Verfolgung und Gewalt.
Und wenn Sie dann auch noch über ungesteuerte Asylmigration reden, dann ist das ja Täuschung. Denn aufgrund internationalen Rechts – der Flüchtlingskonvention – und deutschen Rechts kann Asylmigration nur ungesteuert sein, weil jeder Mensch ein Grundrecht auf Flüchtlingsschutz hat.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist ein philosophischer Ansatz!)
Das heißt, wenn Sie ehrlich wären, dann sollten Sie sagen: Wir wollen eine Abschaffung des Asylrechts; wir wollen nur noch Kontingente. – Aber auch Kontingente lehnen Sie ab. Tun Sie aber doch bitte nicht Folgendes: Verbinden Sie nicht eine im guten Sinne vernünftige, sachfundierte Debatte
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Eine völlig bekloppte Rede!)
über die Bezahlkarte mit Ihren Abschreckungs- und Vertreibungsvorstellungen und mit Ihrer Idee, damit das Asylrecht abschaffen zu können.
Herr Kollege.
Sie können mit keiner Bezahlkarte die Realität abschaffen. Als Koalition stellen wir uns der Realität, und entsprechend werden wir auch liefern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie können ja überhaupt nicht mehr sachlich, Herr Kollege! Sie haben völlig die Sachebene verloren! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Eine völlig bekloppte Rede! Völliger Geisterfahrer!)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Dr. Ottilie Klein das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608954 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Bezahlkartengesetz |