Carolin WagnerSPD - Internationalisierung von Wissenschaft und Lehre
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Als im 11. Jahrhundert die Universität in Bologna gegründet wurde, war sie nicht nur die erste ihrer Art in Europa, sondern die erste ihrer Art weltweit. Sie war von Beginn an ein Ort der Wissenschaft. Sie war ein Ort der Unabhängigkeit und Freiheit. Sie war ein Ort – das sage ich mit Blick auf den Antrag der AfD, aber nicht nur in ihre Richtung –, der für Internationalisierung und gegen Abschottung stand.
800 Jahre vor der Europäischen Union war die Universität in Bologna ein Ort für Männer und übrigens auch für Frauen aus ganz Europa. Internationale Wissenschaft hat dort ihren Ursprung und ist ein Exporterfolg für die ganze Welt geworden. Im 21. Jahrhundert gilt noch viel stärker: Hochschulen sind der wichtigste Faktor bei der globalen Diffusion von Wissen und Erkenntnissen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wissenschaft und Forschung sind nicht nur Antreiber für Innovationen. Gerade der internationale Aspekt bringt uns vielmehr dem nahe, was man im besten Sinne eine „Weltgesellschaft“ nennen kann. Wissenschaft darf nicht in nationalen Grenzen denken. Und überall dort, wo man in erster Linie eben doch auf nationalstaatliche Interessen blickt und andere ausgrenzt, dort, wo ein internationaler wissenschaftlicher Diskurs nicht stattfinden kann, da ist nicht nur Wissenschaft in ihrer Freiheit in Gefahr, sondern letztlich auch die Demokratie.
(Beifall bei der SPD)
Im Guten sehen wir das vor der eigenen Haustür. Europa ist nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem großen Friedensprojekt geworden, und der gemeinsame Europäische Forschungsraum ist eine wichtige, eine tragende Säule darin.
In einer multipolaren Welt geht es in der Wissenschaft aber auch um den Wettbewerb. Es geht um herausragende Innovationen, kluge Köpfe und gute Rahmenbedingungen, und da sind wir in Deutschland und Europa sehr viel besser aufgestellt, als es manch einer hier im Raum behauptet. Es ist nämlich nicht so, dass die besten Köpfe das Land verlassen und die großen Karrieren nur in den USA verfolgt werden.
Viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kehren nach einer Station im Ausland zurück nach Deutschland und bringen die Erfahrungen aus ihren Forschungsaufenthalten mit. Deutschland ist – das ist auch im aktuellen EFI-Bericht nachzulesen – zu einem Nettoempfängerland für publizierende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geworden. Braingain statt Braindrain, Bielefeld statt Berkeley: Warum denn eigentlich nicht?
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Diese positive Entwicklung soll anhalten, und dafür müssen wir auch was tun. Der Koalitionsantrag macht da sehr gute Punkte. Einen möchte ich gerne herausgreifen: Wir müssen die Arbeitsbedingungen im akademischen Bereich verbessern, um unseren Wissenschaftsstandort für ausländische Fachkräfte noch attraktiver zu machen. Wir müssen dafür die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Und wir müssen für verlässliche Karrierewege sorgen. Da haben wir hier in Deutschland noch Luft nach oben, was auch die DAAD-Studie aus dem Herbst gezeigt hat.
Eine Internationalisierung des deutschen akademischen Arbeitsrechtes bedeutet eine Verbesserung. Eine Erhöhung des Arbeitnehmerschutzes und eine Ausweitung der tariflichen Gestaltungsmöglichkeiten wären nichts weiter als eine Normalisierung des deutschen akademischen Arbeitsrechts im europäischen Vergleich. In Deutschland sind nämlich viel zu viele Beschäftigte des akademischen Betriebs zu lange befristet angestellt. Versuchen Sie doch mal, die Tarifsperre des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes einem Briten zu erklären! Sie werden blankes Unverständnis ernten.
Deshalb ist es gut, dass wir bald das WissZeitVG im parlamentarischen Verfahren verhandeln. Wir haben es damit in der Hand, für ein höheres gesetzliches Arbeitnehmerschutzniveau, etwa durch die Ausweitung des Spielraums der Tarifparteien, zu sorgen. Damit geben wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mehr Verbindlichkeit – und das haben sie auch verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Laura Kraft [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, Abschottung und Ausgrenzung bedrohen die Freiheit der Wissenschaft und die Demokratie. Wir sehen das in Russland. Dort werden angebliche wissenschaftliche Erkenntnisse dazu verwendet, den völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine zu legitimieren. In dem Zusammenhang bin ich dankbar, dass der DAAD jetzt zwei Zentren für interdisziplinäre Ukrainestudien fördert: eines an der Viadrina und eines in meinem Wahlkreis, an der Universität Regensburg. Sehr schön!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das war eine super Idee! Haben wir gut gemacht!)
Mit dem Denkraum Ukraine bündelt die Uni Regensburg ab sofort ihre interdisziplinäre Fachexpertise im Bereich Osteuropa. Und genau das brauchen wir: vertieftes Wissen um Geschichte, Politik, Wirtschaft und Kultur der Ukraine als Basis für engste Partnerschaft, um den Wiederaufbau der Ukraine zu begleiten, und mit Blick auf eine Anbindung der Ukraine an die EU. Ein Paradebeispiel für die Internationalisierung von Wissenschaft und Hochschule!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Michael Kaufmann für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7608989 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Internationalisierung von Wissenschaft und Lehre |