21.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 160 / Zusatzpunkt 5

Holger BeckerSPD - Folgen der sozial-ökologischen Transformation

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit Mitte des 20. Jahrhunderts orientiert sich unsere deutsche Wirtschaftspolitik an dem Modell der sozialen Marktwirtschaft. Sie ist essenzieller Bestandteil unserer freiheitlichen, offenen und solidarischen Gesellschaft. Dabei gilt es, unsere wirtschaftliche Freiheit und den fairen Wettbewerb zu schützen und zugleich unseren Wohlstand und unsere soziale Sicherheit zu fördern. Um genau das zu tun und zu erhalten, muss unsere soziale Marktwirtschaft an die heutigen und die künftigen Gegebenheiten angepasst und weiterentwickelt werden.

Wie immer in der Menschheitsgeschichte geht es also auch hier um Veränderungen, Anpassungen, Weiterentwicklungen, also all das, wovor die Kolleginnen und Kollegen der antragstellenden Fraktion anscheinend gerne schreiend weglaufen oder überfordert den Kopf in den Sand stecken.

Um Aktivität zu simulieren, haben Sie der Bundesregierung 80 Fragen gestellt.

(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Das ist eine Beleidigung des Parlamentarismus, was Sie da von sich geben!)

Wenn man die Unterfragen noch mitrechnet, sind es sogar 184 Fragen, die man so zusammenfassen kann, dass die AfD weiterhin den menschengemachten Klimawandel leugnet und entsprechend jegliches Handeln, um Wirtschaft und Wohlstand zu sichern, für absurd hält, ablehnt oder rückgängig machen möchte.

Bevor ich mich einigen negativen Glanzlichtern dieses Antrags widme, möchte ich noch einmal, auch als Physiker, meine Fassungslosigkeit darüber betonen, dass wir am 21. März 2024 immer noch über die Wahrhaftigkeit des menschengemachten Klimawandels debattieren sollten; das ist völlig absurd.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn anstatt sich darüber Gedanken zu machen, dass sich unsere Bundesregierung vielleicht nicht ausreichend mit den Risiken der sozialökologischen Transformation auseinandersetzt, sollte sich die antragstellende Fraktion lieber fragen, was die Folgen einer ausbleibenden Transformation wären.

Ihre Sorgen, wie Sie sie nennen, stützen Sie wie immer auf Halbwahrheiten und teilweise sehr fragwürdige Sekundärquellen. Ein wichtiger Punkt Ihrer Argumentationskette ist zum Beispiel, dass Sie sagen: Die Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände warnen vor der Deindustrialisierung Deutschlands. – Dabei verschweigen Sie allerdings, dass in genau dem Artikel, auf den Sie sich beziehen, auch der DIW-Präsident zitiert wird, der sagt, die Angst vor der Deindustrialisierung sei ein „Schreckgespenst, das aufgebaut wird, um der Politik Geld aus den Rippen zu leiern“. Zitat Ende. – Ein weiteres Zitat: „Denn Deutschland hat bisher noch nie einen Kostenvorteil bei Energie gehabt.“ – Zitat Ende.

Und genau das wollen wir mit unserer sozialökologischen Transformation ja ändern.

(Zuruf von der AfD: Das scheint nicht zu gelingen!)

Generell gilt: Wir müssen das Geschäftsmodell unserer Wirtschaft der geänderten globalen Situation anpassen. Verkürzt gesagt waren die Prämissen der vergangenen Jahrzehnte die folgenden:

Erstens. Energie kommt in Form von Gas aus Russland.

Zweitens. Die Kosten der Verteidigung übernehmen die USA.

Drittens. Der Rest der Welt öffnet bereitwillig seine Märkte für deutsche Produkte.

Viertens. Die Kosten für Klima und Umwelt werden ignoriert oder externalisiert.

Als Unternehmer sage ich Ihnen: Wer nicht in der Lage ist, sein Geschäft an geänderte Randbedingungen anzupassen und Innovationen zu implementieren, wird in nicht allzu langer Zeit einfach kein Geschäft mehr haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere da an Namen wie Nokia, Kodak oder Pan Am. Die Optimierung und Anpassung von Geschäftsmodellen ist ein zentraler Treiber von Innovationen in der Marktwirtschaft.

In vielen Bereichen funktionieren althergebrachte Geschäftsmodelle nicht mehr. Schauen wir beispielsweise auf die ländlichen Räume: Kleine Geschäfte, Arztpraxen, Busunternehmen können eben gerade in ländlichen Räumen nicht mehr allein marktgetrieben überleben. Hier kommen neue Ansätze wie gemeinwohlorientierte Unternehmen zum Tragen, um genau solche Probleme mit neuen Ideen zu lösen. Ich empfehle hier als Weiterbildungslektüre die „Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen“ der Bundesregierung oder wahlweise ein Gespräch mit dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland.

Über die Bedeutung des EU-Binnenmarktes wurde hier schon ausgiebig geredet. Ich kann dem nur vollumfänglich zustimmen.

Wir als Fortschrittskoalition wollen nicht, dass unsere Wirtschaft den Weg von Nokia oder Kodak geht. Mit den wirtschaftspolitischen Rezepten der antragstellenden Fraktion dagegen hätten wir noch nicht mal ein Tastenhandy.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609035
Wahlperiode 20
Sitzung 160
Tagesordnungspunkt Folgen der sozial-ökologischen Transformation
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