21.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 160 / Tagesordnungspunkt 5

Esther DilcherSPD - Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt der Antrag der CDU/CSU vor, der sich mit der Nachbesserung eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen beschäftigt. In diesem Antrag beschäftigt sich die CDU/CSU hauptsächlich damit, uns an die Frist zu erinnern, die uns das Bundesverfassungsgericht letztes Jahr gesetzt hat.

(Silvia Breher [CDU/CSU]: Sonst denken Sie ja nicht daran!)

– Ja, alles klar, dass Sie uns erinnert haben. Wir haben das aber gestern schon auf den Weg gebracht. Daran sehen Sie doch selber, dass wir schon viel länger daran gearbeitet haben. Gestern haben wir nur gesagt: Wir sind zu einer Einigung gekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen wurde 2017 mitten in der sogenannten Flüchtlingskrise unter maßgeblicher Federführung des jetzigen Verfassungsgerichtspräsidenten Stephan Harbarth verabschiedet. In Deutschland häuften sich die Fragen nach der Wirksamkeit und den Folgen solcher Kinderehen, die im Ausland geschlossen wurden. Die klare Position der SPD war und ist, dass solche Frühehen mit dem Kindeswohl und dem Minderjährigenschutz nicht vereinbar sind. Deshalb sind für uns solche Ehen auch weiterhin unwirksam.

Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2023 eine Entscheidung des Ersten Senats unter dem Vorsitz von Stephan Harbarth zum Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen veröffentlicht. Ausgangsfall war ein syrisches Ehepaar, das 2015 vor einem Scharia-Gericht in Syrien die Ehe miteinander geschlossen hatte. Der Ehemann war zum Zeitpunkt der Eheschließung 21 Jahre, seine Ehefrau 14. Nach ihrer Flucht nach Deutschland nahm das Jugendamt zunächst das junge, minderjährige Mädchen in Obhut. Das Familiengericht ordnete dann auf Antrag des Jugendamts eine Vormundschaft an und bestellte das Jugendamt zum Amtsvormund. Dagegen wehrte sich der Ehemann und verlangte die Rückführung seiner Ehefrau zu ihm, weil nach syrischem Recht seine Ehe rechtsgültig war, wirksam war und er gar nicht verstanden hat, warum das jetzt in Deutschland anders sein sollte.

In Deutschland galt aber seit 2017 die Regelung, dass nach deutschem Recht Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, unwirksam sind, wenn der Verlobte zum Zeitpunkt der Eheschließung jünger als 16 Jahre war – also 13, 14 oder 15, je nachdem –, oder, wenn der Verlobte zwischen 16 und 18 Jahren alt war, aufhebbar sind. Das heißt, es muss erst jemand einen Antrag stellen und das begehren, und dann muss darüber jemand im Einzelfall entscheiden.

Dazu hat das Bundesverfassungsgericht 2023 entschieden, diese Regelung im Artikel 13 EGBGB verletze das Grundrecht der Ehefreiheit in Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz, das bei uns gilt, und hat angeordnet, dass diese Vorschrift aber bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung durch den Gesetzgeber weiter gilt, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2024.

Das heißt: Ja – da geben wir Ihnen auch recht –, es besteht Handlungsbedarf. Den haben wir erkannt, und der Gesetzentwurf ist in Bearbeitung.

Die Ehefreiheit als Menschenrecht gilt sowohl für deutsche als auch für ausländische Staatsangehörige. Das Gericht stellt aber auch fest, dass ein Verbot von Kinderehen grundsätzlich weiterhin möglich ist, vor allem, um minderjährige Mädchen zu schützen.

Es geht uns nun darum, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das einen legitimen Zweck verfolgt, nämlich den Schutz von Minderjährigenrechten, die öffentliche Ächtung der Kinderehen und die Rechtssicherheit sowie die soziale Sicherheit. Kinder befinden sich noch in der Entwicklung. Es fehlt ihnen häufig noch die Erfahrung, um Risiken und Folgen ihrer Handlungen abschätzen zu können. Eine eigenverantwortliche Entscheidung über das Eingehen einer Ehe setzt aber gerade eine gewisse Reife voraus. So sehen wir das in unserer deutschen Rechtsordnung.

Das Bundesverfassungsgericht verlangt nun von uns, dass wir auch die Rechtsfolgen regeln, dass wir also nicht einfach nur sagen: „Die Ehe ist unwirksam“ und die Minderjährigen dann alleinlassen, die darauf vertraut haben, dass ihre Ehe gültig ist, sondern dass wir auch sagen, was passiert, wenn diese Ehen in Deutschland eben nicht anerkannt werden, wenn wir diese Ehen für unwirksam erklären.

Folgen einer Ehe im deutschen Recht sind zum Beispiel Ansprüche auf Unterhalt oder erbrechtliche Konsequenzen, die Namensführung, das Sozialrecht, die Behandlung der Ehegatten als Angehörige, aber auch die Rechtsstellung innerhalb einer Ehe geborener Kinder. Was ist, wenn wir auf einmal sagen: „April, April! Ihr habt geglaubt, das wäre alles wirksam, aber eure Kinder sind jetzt keine ehelichen Kinder mehr, weil eure Ehe gar nicht mehr wirksam ist“?

Deswegen bedarf es hier einer Regelung. Die lässt sich nicht so einfach aus dem Ärmel zaubern. Wenn uns die Opposition dazu immer vorwirft, wir streiten, entgegne ich: Ja, Streiten gehört dazu. Streiten bedeutet, wir diskutieren. Das kann man auch Streiten nennen.

(Silvia Breher [CDU/CSU]: Sie haben noch drei Monate!)

Wir ringen um die beste Lösung, und diese werden wir auch vorlegen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wann denn?)

Folgen einer Ehe müssen also geregelt werden, wenn wir weiterhin sagen, diese Ehen sind unwirksam.

Wir haben bisher auch nicht geregelt, ob nach Erreichen der Volljährigkeit die Ehen fortgesetzt werden könnten, also wenn ältere Ausländer nach Deutschland kommen und darauf vertrauen, dass ihre Ehe hier wirksam ist, die sie als Minderjährige geschlossen haben. Was passiert dann, wenn die schon über zehn Jahre verheiratet sind und hierherkommen und wir sagen: „Nein, Ihre Ehe ist aber unwirksam“? Haben die dann als Volljährige das Recht, ihre Ehe wirksam fortzuführen? Das ist bisher nicht geregelt. Dafür müssen wir uns eine Regelung einfallen lassen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ich dachte, ihr habt die schon!)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Danke noch mal an die Opposition für den Hinweis auf den Fristablauf. Wir werden den Antrag ablehnen, –

Letzter Satz, Frau Dilcher, bitte.

– insbesondere da er keine bestimmte Regelung für die Rechtsfolgen enthält.

Danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die AfD-Fraktion ist der Redner Gereon Bollmann.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609178
Wahlperiode 20
Sitzung 160
Tagesordnungspunkt Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta