21.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 160 / Tagesordnungspunkt 5

Katrin Helling-PlahrFDP - Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen von der Union! Zunächst einmal ganz herzlichen Dank, dass Sie uns Ihre Plenarzeit zur Verfügung stellen, um über dieses wichtige Thema „Bekämpfung von Kinderehen“ zu sprechen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wenn wir was erfahren würden! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Uns liegt das halt am Herzen!)

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, begleitet das Thema weltweit ja sehr intensiv. UNICEF geht davon aus, dass es heute 640 Millionen Mädchen und Frauen auf der Welt gibt, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden, und jedes Jahr kommen 12 Millionen hinzu. Und auch schätzungsweise 115 Millionen Jungen sind betroffen.

Die Folgen von Kinderehen sind dramatisch: Die Kindheit endet abrupt; die junge Ehefrau geht oft nicht mehr zur Schule, sondern hat sich um den Haushalt zu kümmern. Das hat natürlich auch Folgen für die Möglichkeiten, später selbst erwerbstätig zu sein. Zumeist bedeutet eine frühe Ehe auch, dass diese Frauen sehr jung Kinder bekommen. Das ist gesundheitlich besonders risikoreich für Mütter und Kinder. Jung verheiratete Frauen werden auch besonders oft Opfer von häuslicher Gewalt. Und bei Jungen bedeutet eine Frühehe ebenfalls regelmäßig, dass sie fortan weder Kind sein dürfen noch eine Schule besuchen. Kurz: Kinderehen zerstören Chancen, Kinderehen zerstören Zukunft, Kinderehen zerstören Leben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: So ist das!)

Das effektive Vorgehen gegen Kinderehen und eine Gesetzeslage, die die jungen Menschen in jeder Hinsicht schützt, liegt uns als FDP-Fraktion dementsprechend sehr am Herzen. Deshalb ist es wirklich schlimm, dass Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, uns im Kampf gegen Kinderehen in Deutschland einen Scherbenhaufen hinterlassen haben.

(Lachen bei der CDU/CSU – Silvia Breher [CDU/CSU]: Was? – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat doch recht! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Also, wenn das Urteil ein Scherbenhaufen ist! 90 Prozent bestätigt! Das müsst ihr erst mal schaffen!)

Das Bundesverfassungsgericht hat unmissverständlich festgestellt, dass Ihr Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen verfassungswidrig ist, dass es mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.

(Silvia Breher [CDU/CSU]: Haben Sie es gelesen?)

Natürlich war das alles gut gemeint, aber eben bei näherer Betrachtung nicht richtig gut gemacht.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Wie Ihr Bundeshaushalt!)

Sie haben schlicht nicht weit genug gedacht, und Sie haben die Warnungen der Sachverständigen ignoriert – Augen zu und mit dem Kopf durch die Wand, allen Bedenken zum Trotz.

(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Wie Ihr Bundeshaushalt!)

Dass es nicht nur unbillig, sondern auch verfassungswidrig ist, wenn frühverheiratete Kinder nach einer Scheidung materiell schlechter dastehen als Erwachsene, liegt doch auf der Hand. Denn das Gesetz erfasst eben auch nach ausländischem Recht wirksam geschlossene und tatsächlich bereits geführte Ehen. Gerade Mädchen werden dort aus finanzieller Not ihrer Familien mit älteren Männern verheiratet. Sie haben oft ein geringes Bildungsniveau und sind wirtschaftlich nicht selten von ihren Ehemännern abhängig. Wenn die Ehe nun unwirksam ist, stehen die Mädchen vor dem Nichts.

Deshalb muss man selbstverständlich die Folgen der Unwirksamkeit der Ehen mitdenken. Natürlich muss es nacheheliche Unterhaltsansprüche geben – Herr Müller, auch von mir keine Leaks –; denn alles andere, als das mitzudenken, ist doch völlig widersinnig.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf des Abg. Axel Müller [CDU/CSU])

Kurz: Man muss den Schutz der Kinder umfassend denken.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Kommen Sie noch zu Inhalten?)

Dieser Aufgabe stellen wir uns als Koalition. Wir haben die verschiedenen Optionen sorgsam betrachtet und abgewogen – übrigens sehr kollegial und sachlich. Ich bin, glaube ich, die erste Rednerin, die dabei war. Das Bundesjustizministerium wird nun in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: O Gott!)

Anders als Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, wird es uns gelingen, eine verfassungsgemäße Regelung zu verabschieden,

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Zum Thema Verfassungsmäßigkeit dürften Sie eigentlich nicht reden! Das wird ja grotesk!)

die die Ächtung von Minderjährigenehen klar zum Ausdruck bringt, solche Ehen wirksam bekämpft und die Betroffenen zugleich nicht vor das Nichts stellt, sondern wirklich schützt.

Seien Sie versichert: Wir räumen ein weiteres Mal zügig und sorgsam hinter Ihnen auf, fristgerecht.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wie denn?)

Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, kehren so lange am besten erst einmal vor der eigenen Haustür.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Eine Rede wie eine Sättigungsbeilage!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609181
Wahlperiode 20
Sitzung 160
Tagesordnungspunkt Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen
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