21.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 160 / Tagesordnungspunkt 19

Johann Saathoff - Bericht zur Risikoanalyse für den Zivilschutz 2023

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Moin, sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein ernstes Thema, mit dem wir uns heute beschäftigen. Deswegen lassen Sie mich in meiner Muttersprache beginnen: Well sük sülmst neet to helpen weet, is neet weert, dat he in Verlegenheit kummt. Soll auf Hochdeutsch heißen: Wer sich selber nicht helfen kann, muss aufpassen, dass er nicht in Verlegenheit kommt.

Das BMI erstellt auf der gesetzlichen Grundlage des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes jährlich eine Risikoanalyse für den Zivilschutz und unterrichtet den Deutschen Bundestag über die Ergebnisse. Risikoanalysen sind zentraler Bestandteil und unverzichtbares Instrument des Risikomanagements im Zivil- und Bevölkerungsschutz.

Vor dem Angriffskrieg gegen die Ukraine haben sich die jährlichen Risikoanalysen auf Herausforderungen für den Bevölkerungsschutz konzentriert, die nicht mit militärischen Angriffsszenarien in Verbindung standen; diese waren vorher schlichtweg undenkbar. Sie haben sich eher mit anderen Gefahren beschäftigt, zum Beispiel mit extremem Schmelzhochwasser, mit der Pandemie aufgrund einer Virusmodifikation von SARS, was in 2012 realistisch war, mit Wintersturmszenarien, mit Sturmfluten – und ein Kind der Küste interessiert es besonders, was wir dann machen –, mit der Freisetzung radioaktiver Stoffe aus einem Kernkraftwerk, mit der Freisetzung chemischer Stoffe. Auch mit Dürre und sogar mit Erdbeben haben sich diese Risikoanalysen beschäftigt.

Die Risikoanalysen im Bevölkerungsschutz 2020 bis 2022 ordneten vor dem Hintergrund der Eindrücke der Coronapandemie, der Flutkatastrophe im Juli 2021 sowie des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine die Entwicklungen, Auswirkungen und Folgen auf nationaler und internationaler Ebene ein. Mit der Risikoanalyse für den Zivilschutz 2023 liegt nun ein Dokument vor, das aufzeigt, wie solche Analysen für weitere Planungen und die konkrete Umsetzung der Konzeption Zivile Verteidigung und den Zivilschutz genutzt werden können.

Aufgrund der sicherheitspolitischen Zeitenwende müssen wir angesichts der veränderten Bedrohungslage die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands auch als NATO-Bündnispartner wieder in den Blick nehmen. Das gilt für die militärische und die zivile Verteidigung gleichermaßen. Die Verteidigungsfähigkeit dient vor allen Dingen der Abschreckung und damit der Verhinderung eines möglichen Angriffs.

Schon die geostrategische Lage Deutschlands im Herzen Europas macht deutlich, dass unser Land in einem Bündnis- und Verteidigungsfall betroffen sein könnte. Die Zivilbevölkerung muss bei Eintritt eines Verteidigungsfalls vor drohenden Gefahren geschützt werden.

Das heißt konkret: Die unmittelbaren Auswirkungen von Feindseligkeiten sind zu beseitigen oder zu mildern, und die für den Schutz der Zivilbevölkerung notwendigen Voraussetzungen sind zu schaffen. Die Zivilbevölkerung und die Streitkräfte sind mit den notwendigen Gütern und Leistungen zu versorgen, die Streitkräfte bei der Herstellung und Aufrechterhaltung ihrer Verteidigungsfähigkeit und Operationsfreiheit zu unterstützen. Dazu gehört auch, die Staats- und Regierungsfunktionen aufrechtzuerhalten.

Und lassen Sie mich sagen: Während ich das hier vortrage, laufen mir kalte Schauer über den Rücken. Ich hätte zu Beginn meiner politischen Laufbahn niemals gedacht, dass ich so etwas mal im Deutschen Bundestag sagen müsste.

Zukünftig werden daher Szenarien mit Relevanz für die zivile Verteidigung, insbesondere den Zivilschutz Gegenstand der durchzuführenden Risikoanalysen sein. Bis zum Ende dieser Legislaturperiode ist vorgesehen, insgesamt vier Teilszenarien mit chemischem, biologischem, radiologischem und nuklearem Bezug zu erarbeiten und zu analysieren. Leider müssen wir das machen, und wir werden das machen.

Das erste Teilszenario wird sich mit dem Einsatz chemischer Kampfstoffe befassen. Die Ergebnisse dieser Analysen werden im Bericht an den Deutschen Bundestag 2024 vorgestellt.

Ich bin sehr dankbar, dass wir meines Wissens hier im Bundestag erstmalig über eine solche, von der Bundesregierung vorgelegte Risikoanalyse beraten und damit die Chance nutzen, die Erkenntnisse in politische Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen und das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Auswirkungen der Zeitenwende, die im Kreml zu verantworten sind, zu schaffen.

Lassen Sie uns gemeinsam die Möglichkeiten, die uns der Bericht zur Risikoanalyse eröffnen wird, für die Weiterentwicklung unserer Fähigkeiten und Schutzmaßnahmen nutzbar machen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Damit zeigen wir, dass wir uns zu helfen wissen und deswegen nicht in Verlegenheit kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Detlef Seif für die Unionsfraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609189
Wahlperiode 20
Sitzung 160
Tagesordnungspunkt Bericht zur Risikoanalyse für den Zivilschutz 2023
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