Wiebke EsdarSPD - Reform der Schuldenbremse
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute einen Antrag zur Schuldenbremse. Wenn wir über die Schuldenbremse reden, dann will ich doch erst mal die Frage aufwerfen – und auch beantworten –: Wie steht es denn um unsere Schulden? Müssen wir die bremsen? Müssen wir die mehr bremsen? Oder müssen wir die weniger bremsen?
Wenn man wissen möchte, wie es um die Schulden eines Landes steht, dann guckt man auf die Staatsschuldenquote. Das bedeutet: Wir setzen die Schulden, die das Land hat, ins Verhältnis zur Wirtschaftskraft, also zum Bruttoinlandsprodukt. Die Staatsschuldenquote in Deutschland beträgt derzeit rund 64 Prozent.
(Christian Haase [CDU/CSU]: Mehr als die EU erlaubt!)
Mit 64 Prozent haben wir eine Zahl, die wir einsortieren müssen. Dazu bietet es sich an, einen internationalen Vergleich vorzunehmen. Deutschland gehört zu den G-7-Staaten. Darum, glaube ich, ist es ein guter Vergleichsmaßstab, zu gucken, wo die anderen sechs G-7-Staaten stehen. Wenn wir uns die Staatsschuldenquoten der anderen sechs G-7-Staaten angucken, dann sehen wir, dass Deutschland das Land mit der geringsten Staatsverschuldung ist
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
und auf Platz 2 Großbritannien mit 104 Prozent folgt. Das heißt, 40 Prozentpunkte mehr Staatsschuldenquote hat das zweitstärkste Land. Die höchste Staatsverschuldung hat Japan mit 255 Prozent. Wir liegen also mit einer im internationalen Vergleich der wirtschaftsstarken Länder sehr soliden Staatsschuldenquote nicht in einem Bereich, dass wir sagen müssten: Wir müssen noch mehr bremsen.
Wir können auch, als anderen Vergleichsmaßstab, uns die Historie ansehen. Wo stehen wir denn im Vergleich der letzten 20, 25 Jahre, insbesondere seit der Einführung der Schuldenbremse? Wenn wir dann noch berücksichtigen, dass wir mit Corona eine schwere Pandemie hatten, in der wir die Schuldenbremse ausgesetzt hatten, können wir erkennen, dass wir jetzt wieder unter der Quote liegen, die wir nach der letzten Finanzkrise hatten.
(Christian Haase [CDU/CSU]: Wegen der hohen Inflation! – Florian Oßner [CDU/CSU]: Die Schuldenuhr läuft derzeit aber ziemlich schnell!)
Auch historisch betrachtet lässt sich darum festhalten, dass wir aktuell kein Schuldenproblem haben.
Was wir aber haben, sind Brücken, über die man nicht mehr fahren kann, weil sie nicht saniert worden sind. Wir haben kaputte Straßen. Wir haben eine Deutsche Bahn, die vor allem deswegen unpünktlich ist, weil sie nicht modern, sondern marode ist.
(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Da liegt es aber am Personal!)
Wir haben eine marode Infrastruktur. Und wir haben darüber hinaus ein Bildungssystem, in das im internationalen Vergleich nicht ausreichend investiert wird. Allein 400 000 Kitaplätze fehlen momentan in Deutschland. Darum besteht nach Auffassung meiner Fraktion, der SPD-Fraktion, die größte wirtschaftspolitische Herausforderung, die wir haben, nicht darin, den Kontostand noch mehr zum Glänzen zu bringen,
(Florian Oßner [CDU/CSU]: „Den Kontostand zum Glänzen zu bringen“! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU)
sondern darin, zu investieren, um die Konjunktur anzukurbeln und die Infrastruktur in Ordnung zu bringen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken)
Unsere Ansprüche gehen sogar noch etwas weiter: Wir wollen unsere Wirtschaft in der Transformation klimaneutral machen. Und wir wollen sie für die Digitalisierung aufstellen.
Dafür brauchen wir Investitionen. Darum ist es gut – dafür will ich mich ausdrücklich bedanken –, dass wir heute über die Schuldenbremse diskutieren,
(Beifall bei der Linken)
eine Debatte, die gerade beginnt. Sie hatten einige der Vorschläge, die gemacht wurden, bereits benannt. Ich glaube, dass wir die Debatte in diesem Stadium gerade noch sehr grundsätzlich führen. Darum will ich noch mal anfügen: Was für uns in der Debatte jetzt handlungsleitend ist, ist ein Verständnis von Generationensolidarität. Es ist ein Antrieb unserer Politik, dass wir das Leben für die Menschen jeden Tag ein Stückchen besser machen wollen. Generationensolidarität bedeutet dann, dass man nicht in erster Linie auf den Kontostand guckt, sondern dafür arbeitet, dass es zukünftigen Generationen besser geht. Und denen geht es dann besser, wenn wir die Frauenerwerbstätigkeit anheben können. Es gilt, die Lücke der fehlenden Kitaplätze zu schließen, die Infrastruktur in Ordnung zu bringen. Wir müssen die Konjunktur auch mit einer Angebotskomponente ankurbeln. Das – davon bin ich fest überzeugt – hilft den Menschen, in den nächsten Generationen ein besseres Leben zu haben. Dafür werden wir streiten, und das werden wir beim nächsten Haushalt berücksichtigen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nun erteile ich das Wort Yannick Bury für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609200 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Reform der Schuldenbremse |