Thomas RachelCDU/CSU - Rolle v. Religionen b. d. Entwicklungszusammenarbeit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 400 Mädchen konnten im Jahr 2020 in Mali vor Genitalverstümmelung bewahrt werden. Entscheidend für den Erfolg dieses Projektes war der Einbezug religiöser Akteure. In Uganda konnte in einem Projekt die Häufigkeit häuslicher Gewalt um 30 Prozent reduziert werden. Auch hierfür war die Beteiligung von Religionsgemeinschaften ausschlaggebend. Diese konkreten Beispiele zeigen: Gleichberechtigung von Frauen lässt sich in den Partnerländern deutscher Entwicklungszusammenarbeit nur mit und nicht ohne oder sogar gegen religiöse Akteure durchsetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ihre Bedeutung zeigt sich auch in anderen Bereichen. In vielen Entwicklungsländern wäre Gesundheitsversorgung ohne den Beitrag der Religionsgemeinschaften undenkbar. So wurde die verheerende Ebolaepidemie in Liberia maßgeblich durch den Beitrag christlicher und muslimischer Organisationen beendet. Sie unternahmen medizinische Aufklärungskampagnen auch in Gemeinschaften, die weder von der Regierung noch von NGOs erreicht werden konnten. Während der Coronapandemie haben gerade religiöse Akteure dazu beigetragen, die Akzeptanz von Impfstoffen zu erhöhen.
Auch im Bildungsbereich sind religiöse Organisationen nicht wegzudenken. Weltweit steht rund die Hälfte der Schulen in Verbindung mit religiösen Akteuren. Auch hier gilt: Gerade die Stärkung der Mädchenbildung hängt maßgeblich von der Mitwirkung religiöser Vertreter ab.
In Ländern, in denen die staatliche Entwicklungszusammenarbeit aufgrund von Kriegen und Konflikten an ihre Grenzen stößt, bleiben die Religionsgemeinschaften weiterhin aktiv. Sie genießen oft größeres Vertrauen als die staatlichen Stellen. Angesichts dieser prägenden Beispiele sollte man meinen, dass die strategische Relevanz von Religion Berücksichtigung findet in der Afrika-Strategie und in der Strategie zur feministischen Entwicklungspolitik des BMZ. Aber Fehlanzeige!
(Nina Warken [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Leider!)
Die wichtige Rolle von Religion und Religionsgemeinschaften wird in beiden Strategien weitgehend ignoriert. Unabhängig davon, wie man selbst zu Religion steht, sollte klar sein: Eine werteorientierte Entwicklungspolitik, die den einzelnen Menschen ernst nehmen möchte, muss auch seine Weltanschauung ernst nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn für vier von fünf Menschen weltweit haben Glaube und Religion eine zentrale Bedeutung, einen sehr hohen Stellenwert. Sie sind sinnstiftend und orientierend.
Zugleich ist die Ambivalenz von Religionen nicht zu verkennen. Religiöse Autoritäten können Brandbeschleuniger oder Brandlöscher sein. Religionsgemeinschaften können Verfolgende, aber auch Verfolgte sein. Insofern müssen religiöse und kulturelle Realitäten in unseren Partnerländern berücksichtigt werden. Stattdessen beobachten wir in der Ampelregierung einen massiven Bedeutungsverlust von Religion.
(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Ganz schwach!)
Die internationale Vorreiterrolle, die Deutschland hier noch unter Bundeskanzlerin Angela Merkel eingenommen hatte,
(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Und Gerd Müller!)
wird vernachlässigt oder sogar komplett aufgegeben. Das ist ein großer Fehler!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sichtbar wird dies beispielsweise an der Internationalen Partnerschaft für Religion und Entwicklung, PaRD. Dieses Netzwerk wurde 2016 von Deutschland gegründet. Es verbindet 150 religiöse und internationale Organisationen sowie Regierungen. Trotz einer erfolgreichen Bilanz wird dieses Netzwerk unter der aktuellen Bundesministerin Schulze stiefmütterlich behandelt. Mittel werden gekürzt, und seine Finanzierung ist nur noch Stückwerk. Ohne klares Commitment der Bundesregierung verliert Deutschland seine Vorreiterrolle, und PaRD droht der langsame Tod.
Gleichermaßen sehen wir ein fehlendes Bewusstsein für die Relevanz von Religionen im Außenministerium. Das bisherige Referat „Religion und Außenpolitik“ wurde abgeschafft und durch ein Sammelsurium-Referat ersetzt.
(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Wirklich unangemessen!)
Die zunehmende religiöse Blindheit in unseren Auslandsvertretungen ist ein ernsthaftes Problem. Laut Koalitionsvertrag war Ihr Anspruch, den Bereich Religion und Außenpolitik zu stärken. Herausgekommen ist leider eine Schwächung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Reden und Handeln sind zwei Paar Schuhe!)
Wir als christdemokratische Fraktion fordern deshalb die Bundesregierung auf: Statten Sie PaRD für mindestens vier weitere Jahre mit ausreichenden Mitteln aus, stärken Sie die Religionskompetenz im Bundesentwicklungsministerium,
(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das wäre wichtig!)
im Außenministerium und in den Durchführungsorganisationen, und beziehen Sie die religiösen Gemeinschaften vor Ort stärker ein. Denn nur so können übrigens gerade die Rechte von Mädchen und Frauen vor Ort gestärkt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sehr geehrte Damen und Herren, ohne Berücksichtigung des religiösen Kontextes ist auch Ihre selbsterklärte feministische Außen- und Entwicklungspolitik zum Scheitern verurteilt.
(Stephan Brandner [AfD]: Die ist sowieso zum Scheitern verurteilt!)
Eine Entwicklungspolitik, die die religiöse Dimension in den Partnerländern ignoriert, sich über deren kulturelle Gegebenheiten hinwegsetzt, erscheint vielen zu Recht als neokolonial. Und das ist der falsche Ansatz.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die nächste Rednerin ist Derya Türk-Nachbaur für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609237 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Rolle v. Religionen b. d. Entwicklungszusammenarbeit |